VwGH 95/05/0138

VwGH95/05/013827.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des AT, 2. der MT, 3. der C und 4. des W, sämtliche in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. März 1995, Zl. BauR - 020121/3 - 1994 Gm/Vi, betreffend Ersatzvornahme in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §431;
AVG §68 Abs1;
BauO OÖ 1976 §60 Abs2;
BauO OÖ 1976 §64 Abs1;
BauRallg;
GBG §4;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VVG §2;
VVG §4 Abs1;
VVG §4;
VwGG §41 Abs1;
ABGB §431;
AVG §68 Abs1;
BauO OÖ 1976 §60 Abs2;
BauO OÖ 1976 §64 Abs1;
BauRallg;
GBG §4;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2;
VVG §2;
VVG §4 Abs1;
VVG §4;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Mai 1986 erließ der Magistrat der Landeshauptstadt Linz auf Grund der festgestellten Baugebrechen am sechsgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus in Linz, B-Straße 1a - 1b, Grundstück Nr. n/1 der Liegenschaft EZ nn, Katastralgemeinde Linz, an die im Grundbuchsauszug vom 10. April 1986 ausgewiesenen Eigentümer gemäß § 60 Abs. 2 i. V.m. den §§ 65 und 66 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung folgenden Auftrag:

"1) Der nicht mehr ausreichend am Mauerwerksgrund haftende Fassadenverputz an der straßenseitigen Fassade, insbesondere im Bereich der Fensterfaschen, ist abzuschlagen.

  1. 2) Der im Punkt 1) beschriebene Fassadenverputz ist fachgerecht instandzusetzen. Im Bereich der Fensterfaschen sind entweder die Fensterfaschen wieder zu errichten oder es ist in diesen Bereichen die Putzstruktur den angrenzenden Flächen anzugleichen. Die Putzinstandsetzungen sind in farblicher Hinsicht so durchzuführen, daß sie sich den Bestandsflächen angleichen oder die Fassaden sind einheitlich farblich neu zu gestalten.
  2. 3) Die Arbeiten sind hinsichtlich Punkt 1) bis 20.6.1986 und hinsichtlich Punkt 2) bis 31.7.1989 von hiezu befugten Baugewerbetreibenden ausführen zu lassen."

Punkt 1) dieses Auftrages wurde im Wege der Ersatzvornahme erfüllt.

Den Bescheidadressaten wurde mit Schreiben des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 7. August 1989 die Ersatzvornahme hinsichtlich Punkt 2) des vorzitierten Bescheides angedroht und mit Bescheid vom 3. September 1990 die Ersatzvornahme unter gleichzeitiger Vorschreibung der Vorauszahlung der Kosten angeordnet. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß Punkt 2) des rechtskräftigen Bescheides vom 15. Mai 1986 nicht durchgeführt worden sei.

Dieser Bescheid wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. März 1990 im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 45 Abs. 3 AVG "behoben" und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz verwiesen. Mit Schreiben vom 24. März 1992 drohte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz neuerlich die Ersatzvornahme an.

Mit Bescheid über die Anordnung einer Ersatzvornahme (Vollstreckungsverfügung) vom 12. Oktober 1994 faßte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz folgenden Spruch:

"Herr AT, Herr W, Frau MT (Rechtsnachfolger des Herrn CT) und Frau C (Rechtsnachfolger des Herrn CT), ..., haben die mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1986, GZ. 501/0-Si, auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt.

Diese Verpflichtung lautet wie folgt:

Der Fassadenputz an der straßenseitigen Fassade ist fachgerecht instandzusetzen. Im Bereich der Fensterfaschen sind entweder die Fensterfaschen wieder zu errichten, oder es ist in diesen Bereichen die Putzstruktur den angrenzenden Flächen anzugleichen. Die Putzinstandsetzungen sind in farblicher Hinsicht so durchzuführen, daß sie sich den Bestandsflächen angleichen oder die Fassaden sind einheitlich farblich neu zu gestalten.

Es wird daher die mit Schreiben vom 24.3.1992, GZ. 501/0-Si angedrohte Ersatzvornahme angeordnet.

Rechtsgrundlage: § 4 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes"

Mit Bescheid vom 30. März 1995 wies die Oberösterreichische Landesregierung die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als "unzulässig" zurück. In der Begründung wird hiezu ausgeführt, daß F nach dem seinerzeit eingeholten Auszug aus dem Grundstücksverzeichnis am 10. April 1986 noch als grundbücherliche Miteigentümerin ausgewiesen gewesen sei. Der bloße Verkauf ihrer Anteile am gegenständlichen Grundstück - wie in der Berufung behauptet - bewirke keinen Eigentumsübergang an den Rechtsnachfolger. Ungeachtet der Berufungsausführungen sei daher davon auszugehen, daß F zum Zeitpunkt der Zustellung des Titelbescheides nach wie vor als Eigentümerin anzusehen gewesen sei; dieser Umstand werde in der Berufung gar nicht bestritten. Sowohl auf Grund des Titelbescheides als auch des Akteninhaltes stehe eindeutig fest, welches Bauobjekt vom Vollstreckungsbescheid umfaßt sei. Das Erfordernis einer ausreichenden Konkretisierung sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon dann erfüllt, wenn der Verwaltungsakt eindeutig erkennen lasse, um welches Objekt es sich handle (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 86/06/0165). Die angefochtene Vollstreckungsverfügung stimme mit dem Titelbescheid überein; dieser Vorschreibung könne jedenfalls - wenn auch in alternativer Weise - nachgekommen werden; die festgesetzte Verpflichtung sei jedenfalls ausreichend bestimmt und somit auch vollstreckbar. Im übrigen sei allein schon auf Grund der Rechtskraft des Titelbescheides diese alternative Vollstreckungsmöglichkeit keiner weiteren Anfechtung mehr zugänglich und es sei daher auch mit dem gegenteiligen Berufungsvorbringen für die Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Im übrigen hätte die Entscheidung, welche Alternative zur Ausführung zu gelangen habe, keineswegs der betreffenden Baufirma überlassen werden müssen, sondern von den Verpflichteten selbst getroffen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid ihrem Vorbringen zufolge in dem Recht auf Nichterteilung einer Vollstreckungsverfügung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bemängeln unter anderem die "entweder - oder" Formulierung im Titelbescheid und in der Vollstreckungsverfügung, dies insbesondere mit dem Hinweis auf die Verletzung des im § 2 VVG enthaltenen Schonungsprinzips.

Gemäß § 10 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) kann eine Berufung gegen eine nach diesem Gesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn

  1. 1. die Vollstreckung unzulässig ist oder
  2. 2. die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder
  3. 3. die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG insbesondere dann unzulässig, wenn der Titelbescheid oder die Vollstreckungsverfügung zu unbestimmt oder sonst nicht vollstreckbar ist (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 1148, Anm. zu § 10 VVG und Seite 1107, zitierten Entscheidungen zu § 1 VVG).

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Falle dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag auf Vorauszahlung ist vollstreckbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar schon in seinem Erkenntnis vom 12. November 1985, Slg. Nr. 11936/A, hat im Anschluß an seine bisherige Rechtsprechung eine dem Verpflichteten in einem baupolizeilichen Auftrag eingeräumte Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Methoden der Behebung eines Baugebrechens für zulässig erkannt; dies gilt jedoch nicht für den Vollstreckungsbescheid. In diesem muß konkretisiert werden, in welcher Weise die Vollstreckung durchzuführen ist. Anders käme weder der Verpflichtete noch dann im nachprüfenden Verfahren der Verwaltungsgerichtshof in die Lage, zu überprüfen, ob bei der von der Behörde vorgesehenen Vollstreckungsmaßnahme der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach § 2 VVG eingehalten wurde.

Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich zwar der Titelbescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1986 als hinreichend konkretisiert und vollstreckbar. Der Vollstreckungsbescheid wäre jedoch nur dann konkret, wenn eine der im Titelbescheid enthaltenen Wahlmöglichkeiten zur Behebung eines Baugebrechens angeordnet worden wäre.

Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Gemäß § 60 Abs. 2 der hier anzuwendenden Oberösterreichischen Bauordnung 1976 hat die Behörde unter anderem dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens aufzutragen.

Ein baupolizeilicher Auftrag zur Behebung von Baugebrechen ist somit an den jeweiligen grundbücherlichen Eigentümer der Baulichkeit zu richten, mag auch schon ein Kaufvertrag vorliegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1990, Zl. 86/05/0166). Ob F zum Zeitpunkt der Erlassung des Titelbescheides (Zustellung am 11. Juni 1986) noch Miteigentümerin der Liegenschaft EZ nn KG Linz war, kann - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - aus einem Grundbuchsauszug vom 10. April 1986 nicht schlüssig festgestellt worden. Ob der Titelbescheid gegenüber dem Viertbeschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1976 rechtswirksam ist, kann abschließend erst beurteilt werden, wenn feststeht, daß dieser Bescheid gegenüber seiner Rechtsvorgängerin zulässigerweise erlassen worden ist.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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