VwGH 95/02/0274

VwGH95/02/027429.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der L in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 8. Juni 1995, Zl. VwSen-400344/4/Gf/Km, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39a;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
FrG 1993 §41 Abs2;
FrG 1993 §45 Abs1;
AVG §39a;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
FrG 1993 §41 Abs2;
FrG 1993 §45 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juni 1995 wurde die an diese gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin gemäß § 67c Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 52 Abs. 4 Fremdengesetz (FrG) als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Dem Beschwerdefall liegt folgender, unbestritten gebliebener Sachverhalt zugrunde:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Zaire, ist am 6. Mai 1995 unter Umgehung der Grenzkontrolle, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, in das Bundesgebiet eingereist. Beim Versuch, mit einem verfälschten zairischen Reisepaß in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen, wurde sie von Grenzkontrollorganen festgenommen und am 11. Mai 1995 der Bezirkshauptmannschaft Schärding (BH) vorgeführt. Mit Bescheid der BH vom selben Tag wurde über die Beschwerdeführerin die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Dieser Bescheid wurde auf einen anderen Namen, nämlich jenen, der im verfälschten Reisepaß angeführt war, ausgestellt.

Mit Bescheid vom 19. Mai 1995 wurde von der BH ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gleichzeitig die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung dagegen ausgeschlossen. Dieser Bescheid wurde auf den nunmehr auch in der vorliegenden Beschwerde angegebenen Namen der Beschwerdeführerin ausgestellt. Ferner wurde gleichfalls mit Datum 19. Mai 1995 vom Bundesasylamt der Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 16. Mai 1995 abgewiesen.

Mit Bescheid der BH vom 30. Mai 1995 wurde gemäß § 54 FrG festgestellt, daß der beabsichtigten Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Zaire die Gründe des § 37 Abs. 1 und 2 FrG nicht entgegenstehen. Gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin waren im Zeitpunkt der Erhebung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde die gegen das Aufenthaltsverbot und gegen den Asylbescheid anhängig gemachten Berufungen noch nicht entschieden.

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, die belangte Behörde habe rechtswidrigerweise keine mündliche Verhandlung anberaumt, um zu klären, ob der Beschwerdeführerin der Grund für ihre Festnahme und Anhaltung auch "hinreichend kundgemacht worden sei".

Mit diesem Vorbringen wird jedoch nicht die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels aufgezeigt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/02/0301), weil die Beschwerdeführerin nicht darlegt, zu welchem anderen Ergebnis das Verwaltungsverfahren bei Einhaltung dieser Verfahrensvorschriften geführt hätte.

Die Beschwerdeführerin bringt zur Einvernahme durch die Bundespolizeidirektion Leoben am 12. Mai 1995 vor, in der Niederschrift sei lediglich ausgeführt worden, daß die BH Schärding beabsichtige, gegen sie ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen, und daß bei der Vertretung ihres Heimatstaates ein Heimreisezertifikat erwirkt werden solle. Dies seien die einzigen Angaben, die dem Akt unter Bezugnahme auf den Schubhaftbescheid zu entnehmen seien. Bei der Verhängung der Schubhaft sei nachweislich kein Dolmetscher für die französische Sprache anwesend gewesen, zumindest ergebe sich dies nicht aus dem Akt. Aus der Niederschrift sei nicht ersichtlich, daß der Schubhaftbescheid der Beschwerdeführerin übersetzt worden sei. Der Umstand, daß beabsichtigt sei, gegen die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot zu verhängen und ein Heimreisezertifikat zu erwirken, mache nicht eindeutig klar, weshalb die Schubhaft verhängt worden sei, insbesondere weil die Verhängung eines Aufenhaltsverbotes auch ohne Verhängung der Schubhaft möglich sei. Es finde sich in keiner Niederschrift ein Hinweis darauf, daß die Schubhaft verhängt worden sei, um die Abschiebung der Beschwerdeführerin sicherzustellen. Es wäre ebenso möglich, daß die Beschwerdeführerin deswegen in Haft genommen worden sei, weil sie ein "gefälschtes oder verfälschtes Reisedokument" bei sich gehabt habe.

Gemäß § 45 Abs. 1 FrG hat jeder gemäß § 43 Abs. 1 leg. cit. Festgenommene ehestens in einer ihm verständlichen Sprache vom Grund seiner Festnahme in Kenntnis gesetzt zu werden. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, sie hätte möglicherweise auch wegen ihrer Einreise mit einem "gefälschten oder verfälschten Reisedokument" festgenommen werden können, entbehrt einer sachverhaltsmäßigen Grundlage, weil weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin selbst behauptet, im Zusammenhang mit ihrer Festnahme und anschließenden Anhaltung etwa aufgrund einer richterlichen Anordnung in bezug auf ihr ungültiges Reisedokument verfolgt worden zu sein. Ferner wird von der Beschwerdeführerin selbst nicht in Abrede gestellt, daß durch Beiziehung eines Dolmetschers für die französische Sprache ihre Einvernahme am 12. Mai in einer ihr verständlichen Sprache erfolgte. Daß es der Behörde erst an dem der Festnahme und Verhängung der Schubhaft folgenden Tag möglich war, eine entsprechende Einvernahme im Sinne des § 45 Abs. 1 FrG durchzuführen, bewirkt unter den gegebenen Umständen des Beschwerdefalles keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Die Erlassung des Schubhaftbescheides ist auch dann wirksam, wenn im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides kein geeigneter Dolmetscher zur Übersetzung des Inhaltes des Bescheides in einer für den Beschwerdeführer verständlichen Sprache anwesend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0210).

Soweit die Beschwerdeführerin durch ihre weiteren Ausführungen zur behaupteten mangelnden Mitteilung der Gründe ihrer Festnahme durch Hinweis auf das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit sowie auf Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK eine Rechtsverletzung darzulegen versucht, macht sie offenbar eine solche von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend, deren Prüfung dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Z. 1 B-VG nicht zukommt.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, daß der Schubhaftbescheid für die Beschwerdeführerin Gültigkeit haben könne. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluß vom 15. März 1995, Zl. 94/01/0728, darauf hingewiesen, daß die Parteiidentität durch Name und Geburtsdatum gekennzeichnet werden könne. Die Beschwerdeführerin sei zunächst unter falschem Namen aufgetreten, weshalb der Schubhaftbescheid auf einen anderen Namen mit anderem Geburtsdatum laute. Auch wenn es sich jeweils um dieselbe Person gehandelt habe, könne der Schubhaftbescheid gegenüber der Beschwerdeführerin keine Rechtswirkungen entfalten, weil die darin genannten Merkmale auf die Beschwerdeführerin nicht in Wirklichkeit zutreffen würden. Es hätte der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der "tatsächlichen Identität" ein "neuerlicher Bescheid", lautend auf den richtigen Namen (der Beschwerdeführerin), erlassen werden müssen, um die Schubhaft durch einen Bescheid "abzusichern". Die Schubhaft sei ohne Bescheid "erlassen" worden und daher rechtswidrig.

Dem ist entgegenzuhalten, daß sich im Beschwerdefall aufgrund der von der Beschwerdeführerin selbst zu verantwortenden falschen Angaben betreffend ihre Person im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides der Bescheid nur auf die (behauptete) falsche Identität der Beschwerdeführerin lauten konnte. Es war jedoch unzweifelhaft, daß sich das behördliche Handeln ausschließlich auf die Beschwerdeführerin selbst, die zu diesem Zeitpunkt bereits festgenommen war, bezogen hat. Der Schubhaftbescheid der Behörde erster Instanz war daher gegenüber der unter falscher Identität aufgetretenen Beschwerdeführerin rechtswirksam und die Schubhaft durch diesen Bescheid gedeckt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/02/0487). Auch ein nachträglich eingetretener "Wechsel" in der "Identität" der Beschwerdeführerin vermag daran nichts zu ändern. Im übrigen ist der vorliegende Fall mit dem von der Beschwerdeführerin zitierten hg. Beschluß vom 15. März 1995 nicht vergleichbar, weil es in jenem Fall um einen anders gelagerten Sachverhalt in einem Verfahren nach dem Asylgesetz ging. Die Behörde erster Instanz war sohin auch nicht aufgrund der von der Beschwerdeführerin nachträglich vorgebrachten Hinweise auf eine angeblich andere Identität gehalten, einen neuen Schubhaftbescheid mit den geänderten Angaben zur Person der Beschwerdeführerin zu erlassen.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde somit insgesamt als nicht begründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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