VwGH 93/15/0154

VwGH93/15/015418.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des B in G, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom 21. Oktober 1991, Zl. B 37-6/88, betreffend Finanzordnungswidrigkeit, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §62 Abs2;
FinStrG §66 Abs1;
EMRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42;
FinStrG §62 Abs2;
FinStrG §66 Abs1;
EMRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 13. Jänner 1986 leitete das Finanzamt Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes ein, ein Finanzvergehen nach § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG dadurch begangen zu haben, daß er als Geschäftsführer der

T Betriebsgesellschaft m.b.H. (in der Folge: GmbH) für die Jahre 1983 und 1984 jeweils die Körperschaft- und Gewerbesteuererklärung nicht eingereicht und dadurch die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO iVm § 133 leg. cit.) vorsätzlich verletzt habe.

Mit weiterem Schreiben dieser Behörde vom 16. September 1986 wurde das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Finanzstrafverfahren erweitert, weil der Verdacht bestand, der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der St GesmbH lohnabhängige Abgaben nicht spätestens am fünften Tag nach ihrer Fälligkeit entrichtet und dadurch eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen.

Mit Strafverfügung derselben Behörde vom 2. Oktober 1986 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs. 1 lit. a und § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen zu haben. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 60.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: sechs Wochen) verhängt.

Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch und verwies ebenso wie schon zuvor in seinem Schreiben vom 11. Juni 1986 darauf, daß ihm die Abgabe der oben erwähnten Steuererklärungen "physisch" (wegen Steuerprüfungen, Krankheit, Erschöpfung durch Überarbeitung und Tod eines Mitarbeiters) unmöglich gewesen sei.

Anläßlich von Vorerhebungen lehnte der Beschwerdeführer den Vorsitzenden des Spruchsenates des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz wegen Befangenheit ab. Diesen Antrag wies der Präsident der Finanzlandesdirektion für Steiermark mit Bescheid vom 9. Juni 1987 gemäß § 74 Abs. 1 FinStrG ab. Zwei weitere Ablehnungsanträge des Beschwerdeführers wurden mit Bescheid vom 2. Oktober 1987 ebenfalls abgewiesen.

Auf Grund der in Abwesenheit des Beschwerdeführers am 6. November 1987 durchgeführten mündlichen Verhandlung erkannte der Spruchsenat des Finanzamtes Graz-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer der beiden schon in der Strafverfügung vom 2. Oktober 1986 näher beschriebenen Finanzvergehen schuldig und verhängte deswegen über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 50.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: drei Wochen).

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 135 FinStrG mit dem angefochtenen Bescheid insoweit Folge, als der das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG betreffende Spruch (Spruchpunkt 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aufgehoben und die Sache gemäß § 161 Abs. 4 leg.cit. zur Ergänzung des Untersuchungsverfahrens an die Finanzstrafbehörde erster Instanz zurückverwiesen wurde; weiters wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis in dem diesen Punkt betreffenden Strafausspruch (einschließlich Kostenentscheidung) aufgehoben. Hingegen wurde die Berufung betreffend das Finanzvergehen einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG (Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) unter Herabsetzung der Geldstrafe auf S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: fünf Tage) als unbegründet "zurückgewiesen". Hinsichtlich des aufrecht erhaltenen Schuldspruches führte die belangte Behörde im wesentlichen begründend aus, die objektive Tatseite sei nur insofern bestritten, als der Beschwerdeführer in der mündlichen Berufungsverhandlung die Pflicht der GmbH zur Einreichung von Steuererklärungen deswegen verneint habe, weil die Tätigkeit dieser Gesellschaft "als Liebhaberei" einzustufen sei. Dieser Einwand sei jedoch unzutreffend, weil wegen der Aufforderungen des Finanzamtes zur Abgabe von Steuererklärungen gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 bzw. § 23 KStG die in Rede stehende Pflicht sehr wohl bestanden habe. Daß die Abgabenbehörde zur Einreichung der schon genannten Steuererklärungen aufgefordert habe, sei nie bestritten worden. Hinsichtlich des Jahres 1983 sei die Zustellung einer entsprechenden Mahnung aktenkundig. Für das Jahr 1984 habe die GmbH sogar mehrmals um Fristerstreckung angesucht. Im Verfahren sei auch unbestritten geblieben, daß der Beschwerdeführer als die steuerlichen Agenden der GmbH "Wahrnehmender" zur Abgabe von deren Steuererklärungen verpflichtet gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe auch vorsätzlich gehandelt. Soweit sich der Beschwerdeführer auf "physische" Unmöglichkeit zur Abgabe der Steuererklärungen für die GmbH berufe, habe er weder Bewußtlosigkeit, Verlust der Sprache noch andere gleichwertige Gründe vorgebracht. Grundsätzlich seien Vorarbeiten zu leisten, um die Abgabe der Steuererklärungen bis zum Ende des Monates März jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr zu ermöglichen. Krankenstände und dergleichen könnten nur eine vorübergehende Entschuldigung darstellen. Falls der Beschwerdeführer tatsächlich außerstande gewesen sein sollte, die Steuererklärungen für die GmbH rechtzeitig abzugeben, so hätte es ihm oblegen, andere Personen mit dieser Aufgabe zu betrauen. Sollte der Beschwerdeführer hiezu selbst nicht befugt gewesen sein - er sei aber nach der Aktenlage "faktischer Geschäftsführer" der GmbH gewesen -, so wäre er verpflichtet gewesen, zeitgerecht bei der Geschäftsführung auf die erforderlichen Entscheidungen zu dringen. Derartiges habe der Beschwerdeführer aber nie behauptet.

Mit Beschluß vom 14. Juni 1993, B 141/92-13, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer zur Gegenschrift der belangten Behörde erstattete Replik erwogen:

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Interpretation unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK nicht vor. Die belangte Behörde stellt entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers ein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK dar (vgl. hiezu das im hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0110, zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1985, B 285, Slg. Nr. 10.638). Auch genügt die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof dem Art. 6 EMRK (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/06/0228).

Im übrigen ist folgendes zu bemerken:

Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei in seinem "Recht auf einen Instanzenzug" dadurch verletzt worden, daß dem Spruchsenat des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde erster Instanz ein von ihm abgelehntes, befangenes Organ (Vorsitzender) angehört habe, verkennt, daß durch den behaupteten Umstand keinesfalls eine Instanz weggefallen, somit also keine Verkürzung des Instanzenzuges eingetreten ist. Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei in seinem "Recht auf einen unbefangenen Richter und damit einem fairen Verfahren" verletzt worden, zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil sich dieser Vorwurf nur gegen das erstinstanzliche Verfahren, nicht aber gegen das Verfahren vor der belangten Behörde richtet. Verfahrensmängel bei der Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides sind für den Verwaltungsgerichtshof aber nur beachtlich, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1991, Zl. 88/17/0010, und das dort zitierte Vorerkenntnis). Die Beschwerde legt auch nicht dar, inwiefern bei Vermeidung des behaupteten Mangels ein anderer als der angefochtene Bescheid hätte erlassen werden können, daß also dem Mangel Wesentlichkeit iS des § 42 Abs. 2 lit. c VwGG zukommt.

Das Beschwerdevorbringen, die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen habe bloß für die Geschäftsführer der GmbH, nicht aber für den Beschwerdeführer als (nicht allein zeichnungsberechtigten) Prokuristen bestanden, ist im Hinblick darauf, daß die objektive Tatseite im Verwaltungsstrafverfahren nur insoweit strittig war, als der Beschwerdeführer vorbrachte, die Tätigkeit der GmbH sei als "Liebhaberei" einzustufen, wegen des sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbotes unbeachtlich. Daß die GmbH unabhängig von der Liebhabereifrage zur Abgabe der genannten Steuererklärungen verpflichtet war, folgt aus den im angefochtenen Bescheid zitierten Gesetzesstellen sowie aus § 133 Abs. 1 zweiter und dritter Satz BAO, wonach zur Einreichung von Abgabenerklärungen auch verpflichtet ist, wer hiezu von der Abgabenbehörde aufgefordert wird, wobei die Aufforderung auch durch Zusendung von Vordrucken der Abgabenerklärungen erfolgen kann. Diese die GmbH unbestrittenermaßen treffende Pflicht zur Offenlegung der abgabenrechtlich relevanten Umstände durch Steuererklärungen hätte der Beschwerdeführer, der nach Darstellung in der Replik ohnedies bis 17. Mai 1985 Geschäftsführer der GmbH und danach ihr (nicht allein zeichnungsberechtigter) Prokurist bzw. im Sinne der Verwaltungsinstanzen ein die steuerlichen Agenden der GmbH "Wahrnehmender" war, erfüllen sollen. Die Stellung des Beschwerdeführers ab 18. Mai 1985 als ein die steuerlichen Agenden der GmbH "Wahrnehmender" war trotz entsprechender Feststellung im erstinstanzlichen Straferkenntnis im gesamten Verwaltungsstrafverfahren unbestritten, weil - anders als die Beschwerde meint - das Fehlen einer Erklärung des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren, für die Abgabe der Steuererklärungen der GmbH verantwortlich zu sein, einer Bestreitung dieser Tatsache keineswegs gleichkommt. Daß der Beschwerdeführer als ein die steuerlichen Agenden der GmbH "Wahrnehmender" zum Täterkreis des § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG gehört, bestreitet die Beschwerde nicht und wird auch vom Verwaltungsgerichtshof als zutreffend erachtet (vgl. hiezu Sommergruber-Reger, Das FinStrG Band 2, 331 und 220ff, Dorazil-Harbich, FinStrG, 121, Fellner, FinStrG, Tz 11 zu § 33, und das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994,

Zlen. 93/14/0013, 0068, mwN).

Das in der Replik relativierte Beschwerdevorbringen, eine Pflicht der GmbH zur Abgabe von Steuererklärungen habe für das Jahr 1983 MANGELS EINES VOM KALENDERJAHR ABWEICHENDEN WIRTSCHAFTSJAHRES nicht bestanden, ist als erstmaliges Tatsachenvorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ebenfalls wegen des dort geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich.

Da auch ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht vorliegt, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt. Dies steht auch mit den sich aus Art. 6 EMRK ergebenden Erfordernissen eines "fair trial" im Einklang, weil bereits in den beiden Tatsacheninstanzen - im verwaltungsgerichtlichen Bescheidbeschwerdeverfahren besteht demgegenüber auf der Tatsachenebene ein Neuerungsverbot - öffentliche mündliche Verhandlungen stattgefunden haben (vgl. hiezu Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar, 148, Int. Kommentar zur EMRK, Miehsler-Vogler, Art. 6 Rz 378, und Mayer, B-VG, 435, mwN). Der Beschwerdefall hat auch keinerlei Tat- oder Rechtsfragen aufgeworfen, die nicht auf Grund der dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen in angemessener Weise gelöst werden konnten (vgl. hiezu die EGMR-Entscheidung vom 29. Oktober 1991, Zl. 35/1990/226/290).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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