VwGH 95/21/0061

VwGH95/21/006122.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der AP in I, vertreten durch den Vater und gesetzlichen Vertreter EP, dieser vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Oktober 1994, Zl. 103.749/5-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §2 Abs1;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §9 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1994 §1 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1994;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
AufG 1992 §2 Abs1;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §9 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1994 §1 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1994;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren von S 120,-- wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 11. Oktober 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 9 Abs. 3 AufG (vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) abgewiesen. Nach der zitierten Gesetzesstelle dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die im § 2 Abs. 1 AufG und in der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien Anträge, die sich nicht auf den in § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Tirol sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 1000 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese Höchstzahl sei nunmehr erreicht. Dem Gesamtvorbringen der Beschwerdeführerin könne ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung entsprechend der geltenden Rechtslage nicht entnommen werden, obwohl die Erstantragstellung im Bundesgebiet durchaus zulässig gewesen sei. Angesichts der Rechtslage sei daher auf das weitere in der Berufung enthaltene Vorbringen nicht mehr einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, weil sie und ihre gesamte Familie in Österreich lebten. Sie habe gemäß Art. 8 MRK ein verfassungsgesetzliches Recht auf Schutz ihres Privat- und Familienlebens.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen einer auf § 9 Abs. 3 AufG gestützten Entscheidung - sofern es sich nicht um Anträge gemäß § 3 handelt - eine Bedachtnahme auf das Privat- und Familienleben des Fremden nicht vorgesehen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 94/18/0870, mit weiterem Nachweis). Der Antrag der Beschwerdeführerin ist kein solcher nach § 3 AufG. Diese Bestimmung sieht eine Sonderregelung bezüglich der Erteilung von Bewilligungen zum Zwecke der Familienzusammenführung vor. Eine Person hat demnach einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung, sofern - unter anderem - der Fremde, dessen Familie zusammengeführt werden soll, bereits seit zwei Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hat. Die Voraussetzungen hiefür sind im Beschwerdefall aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin, sie sei gemeinsam mit ihrer Familie nach Österreich gekommen, nicht gegeben. Der diesbezüglichen Verfahrenrüge ist daher der Boden entzogen.

Der von der Beschwerdeführerin behaupteten Situation in ihrem Heimatland könnte lediglich im Asylverfahren bzw. in einem Verfahren gemäß § 54 FrG Bedeutung zukommen, im Verfahren auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz kommt ihr keine rechtliche Relevanz zu.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, sie sei vor dem 1. Jänner 1993 nach Österreich eingereist, ist entgegenzuhalten, daß mangels ausdrücklicher abweichender gesetzlicher Regelung die belangte Behörde verpflichtet war, auf die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung bestehende Sachlage und die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtlage abzustellen (vgl. hiezu in allgemeiner Hinsicht die bei Ringhofer, Die Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, auf Seite 645 ff dargestellte hg. Rechtsprechung und zu § 9 Abs. 3 AufG etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0639).

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, auf sie als Asylwerberin sei bei Festsetzung der Quote bereits Rücksicht genommen worden, sodaß eine neuerliche Berücksichtigung der Quote nicht in Frage komme, genügt es gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0292, zu verweisen. In diesem Erkenntnis wurde ausgesprochen, daß es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ohne Belang ist, ob und auf welche Weise auf die Person des einzelnen Antragstellers bei der Erlassung einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 1 AufG Bedacht genommen wurde.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, daß dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden könne, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse feststehe, daß die Höchstzahl von 1000 Bewilligungen im Bundesland Tirol bereits erreicht worden sei. Es sei ihr im Verfahren vor der belangten Behörde nicht möglich gewesen, ihren Rechtsstandpunkt darzutun. Der Beschwerdeführerin sei allerdings bekannt, daß die Landesregierung ein sogenanntes Restkontingent zurückbehalten habe, sodaß die Höchstzahl von 1000 Bewilligungen nicht erreicht sei. In Fällen besonderer sozialer Härte verfüge das Land Tirol nach wie vor über Kontingentplätze, die zugeordnet werden können.

Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, daß sich die belangte Behörde hinsichtlich der Anzahl der bereits erteilten Bewilligungen auf das von ihr gemäß § 9 Abs. 1 AufG geführte Register stützen konnte. Ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Erkenntnisquelle in der Bescheidbegründung ist nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0043).

Soweit die Beschwerdeführerin die Unterlassung der Einräumung des auch im Berufungsverfahren verpflichtend vorgesehenen Parteiengehörs rügt, ist sie im Recht. Die belangte Behörde kann zwar ihre rechtliche Beurteilung an die Stelle jener der Unterbehörde setzen (§ 66 Abs. 4 AVG), wenn sie aber Sachverhaltselemente in ihre rechtliche Würdigung einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren, ist das Parteiengehör zu gewähren (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 5. Auflage, Rz. 270). Bei Gewährung des Parteiengehörs hätte die belangte Behörde zu prüfen gehabt, ob sich die Landesregierung (gemeint der Landeshauptmann von Tirol) ein Restkontingent für Fälle besonderer sozialer Härte zurückbehalten hat. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Vornahme der aufgrund dieses Vorbringens der Beschwerdeführerin angezeigten Ermittlungen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da im Hinblick auf § 24 Abs. 1 VwGG die Einbringung von nur zwei - mit je S 120,-- zu vergebührenden - Beschwerdegleichschriften erforderlich war, konnte Stempelgebührenersatz von insgesamt nur S 270,-- zugesprochen werden.

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