Normen
AuslBG §2 Abs4 idF 1993/502;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
BeschäftigungssicherungsNov 1993;
GmbHG;
HGB §114;
HGB §117;
AuslBG §2 Abs4 idF 1993/502;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
BeschäftigungssicherungsNov 1993;
GmbHG;
HGB §114;
HGB §117;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei stellte am 15. November 1993 unter Anschluß einschlägiger Urkunden an das Arbeitsamt Baden (AA) den auf § 2 Abs. 4
Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gestützten Antrag auf Feststellung, daß jede von insgesamt sechs namentlich genannten ungarischen Gesellschafterinnen der beschwerdeführenden Partei zur Erreichung des Gesellschaftszweckes tatsächlich persönlich wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung der beschwerdeführenden Partei ausübe.
Diesen Antrag wies das AA mit Bescheid vom 14. Jänner 1994 ab, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging:
Die beschwerdeführende Partei bestehe laut Antrag derzeit aus A sowie den sechs im Antrag angeführten ungarischen Gesellschafterinnen. Spätestens seit 11. November 1993 würden diese Gesellschafterinnen die Gesellschaft gemäß den Bestimmungen der §§ 114 bis 117 HGB vertreten. Im § 9 des vorgelegten Gesellschaftsvertrages vom 29. Oktober 1992 werde festgelegt, daß Gesellschafterbeschlüsse in einer Gesellschaftsversammlung zu erfolgen hätten, wobei jeder Gesellschafter eine Stimme habe. Beschlüsse über sämtliche Belange mit Ausnahme taxativ aufgezählter, eine 2/3-Mehrheit erfordernden Angelegenheiten bedürften der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Rechtlich führte das AA aus, wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung liege nur dann vor, wenn jeder Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag in die Lage versetzt werde, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zumindest zu verhindern. Dies sei bei der beschwerdeführenden Partei laut vorgelegtem Gesellschaftsvertrag nicht der Fall, weil jedem Gesellschafter eine Stimme zukomme und die Beschlüsse in der Regel mit einfacher Mehrheit gefaßt würden. Kein Gesellschafter könne somit allein Beschlüsse fassen oder verhindern. Keiner der ausländischen Gesellschafterinnen komme somit persönlich wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der beschwerdeführenden Partei zu; sie seien auch im Rahmen ihres Vertretungsrechtes an die Weisungen der Geschäftsführung gebunden.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung zog die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 3. Februar 1994 "wegen geänderter Sach- und Rechtslage" zurück.
Gleichzeitig stellte die beschwerdeführende Partei einen neuen, wiederum mit zahlreichen Urkunden belegten Antrag gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG an das AA, in welchem sie darauf hinwies, daß sich mit 23. Dezember 1993 die Sach- und Rechtslage zwischen allen Gesellschaftern insbesondere dadurch geändert habe, daß infolge einer Änderung des Gesellschaftsvertrages seither Beschlüsse über sämtliche Belange der Gesellschaft zu ihrer Wirksamkeit der Einstimmigkeit aller Gesellschafter bedürften (so der neue § 9 des Gesellschaftsvertrages).
Mit Bescheid vom 19. August 1994 wies das Arbeitsmarktservice Baden (AMS) den Antrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG auf bescheidmäßige Feststellung, daß die sechs namentlich genannten ungarischen Gesellschafterinnen zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes tatsächlich persönlich wesentlichen Einfluß auf die Geschäftsführung der beschwerdeführenden Partei ausübten, wegen entschiedener Sache zurück.
Nach einer ausführlichen Schilderung der Vorgeschichte führte das AMS dazu in der Begründung seines Bescheides unter Bezugnahme auf § 68 Abs. 1 AVG aus, einer neuen Sachentscheidung stehe die Rechtskraft des früher in der gleichen Sache ergangenen Bescheides entgegen, weil in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen keine Änderung eingetreten sei. Es habe sich zwar die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes durch den Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vom 23. Dezember 1993 geändert, nicht aber der wahre wirtschaftliche Gehalt. Die befragte ausländische Gesellschafterin N habe sich bezüglich gesellschaftsrechtlicher Fragen als uninformiert gezeigt und habe dazu auf den ehemaligen Gesellschafter H verwiesen, der nunmehr als "Konsulent" bezeichnet werde. Es sei daher weiterhin davon auszugehen, daß die im Spruch genannten ausländischen Gesellschafterinnen tatsächlich keinen wesentlichen Einfluß auf die beschwerdeführende Partei ausübten, sodaß beim nunmehrigen Antrag gegenüber dem rechtskräftig abgewiesenen Antrag vom 15. November 1993 keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung beantragte die beschwerdeführende Partei die Aufhebung des Bescheides des AMS vom 19. August 1994, eine neue Prüfung ihres Antrages und die Ausstellung des beantragten Feststellungsbescheides, allerdings nur mehr für fünf ungarische Gesellschafterinnen, weil die sechste per 30. September 1994 einvernehmlich aus der Gesellschaft ausscheide.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 1994 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht statt und bestätigte die Zurückweisung des Antrages der beschwerdeführenden Partei.
Nach einer Darstellung der wesentlichen Verfahrensschritte führte die belangte Behörde dazu begründend aus, trotz der formellen Änderung des Gesellschaftsvertrages sei die Tätigkeit der beschwerdeführenden Partei vor Erlassung des Bescheides des AA vom 14. Jänner 1994 und bis zur Erlassung des Bescheides des AMS vom 19. August 1994 in unveränderter Weise dahin vorgenommen worden, daß die ausländischen Gesellschafterinnen zwar die täglich im Lokal anfallenden Arbeiten selbst erledigten, daß aber alle für die Geschäftsführerinnen der Gesellschaft wesentlichen Angelegenheiten von H wahrgenommen würden, wie beispielsweise der Verkehr mit Kunden und Behörden sowie Preiskalkulationen, die von immenser Bedeutung für die Geschäftsführung der Gesellschaft seien. Eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes zwischen der Erlassung des ersten Bescheides des AA vom 14. Jänner 1994 und der nunmehrigen zurückweisenden Entscheidung des AMS vom 19. August 1994 liege nicht vor. Zum Argument der beschwerdeführenden Partei, sie habe keine Rechtskraftfeststellung beantragt und eine Zurückweisung des Antrages sei im AuslBG nicht vorgesehen, sei auszuführen, daß sich auch das Verwaltungsverfahren nach dem AuslBG nach den Bestimmungen des AVG zu richten habe, welche sehr wohl die Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache vorsähen. Für diese Zurückweisung sei die Feststellung der Rechtskraft des ersten Bescheides des AA vom 14. Jänner 1994 Voraussetzung, aber nicht Spruchinhalt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, "daß bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 AuslBG in bescheidmäßiger Form festgestellt wird, daß durch die betreffenden Gesellschafterinnen ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausgeübt wird".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und dazu eine Stellungnahme (Gegenschrift) erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Art. III Z. 1 der Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. Nr. 502/1993 (in Kraft getreten am 1. August 1993), wurde dem § 2 des AuslBG folgender Abs. 4 angefügt:
"(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn
- 1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder
- 2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 %
Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, das Arbeitsamt stellt auf Antrag fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."
Anträge im Sinne dieser Gesetzesstelle hat die beschwerdeführende Partei am 15. November 1993 und am 3. Februar 1994 gestellt. Die Abweisung des ersten dieser beiden Anträge ist durch die Zurückziehung der dagegen eingebrachten Berufung am 3. Februar 1994 in Rechtskraft erwachsen. Der zweite Antrag wurde in der Folge durch den mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Bescheid des AMS vom 19. August 1994 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Nur diese Zurückweisung, nicht aber die mit dem Antrag von der beschwerdeführende Partei begehrte Sachentscheidung (Feststellung gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG) war Sache des nunmehr angefochtenen Bescheides, nur diese Frage kann daher auch Gegenstand der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle des angefochtenen Bescheides sein.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Entschiedene Sache liegt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes allerdings nur dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben; die Rechtskraft eines Bescheides kann nur bei unverändertem Sachverhalt das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache bewirken (vgl. dazu Verfassungsgerichtshof vom 22. September 1983, Slg. 9764, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1951, Slg. 2054/A, vom 17. Jänner 1985, Zl. 85/02/0007, vom 21. März 1985, Zl. 83/06/0023, vom 15. Mai 1985, Zl. 84/09/0004, vom 19. März 1986, Zl. 84/09/0148, vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0117, u.a.). Eine andere Beurteilung erscheint nur dann möglich, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgeschlossenen Begehren nur dadurch unterscheidet, daß es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1983, Zl. 81/09/0128, vom 8. Juni 1983, Zl. 82/01/0261, und vom 14. Jänner 1986, Zl. 84/07/0122); eine seit Bescheiderlassung eingetretene Änderung im maßgebenden Sachverhalt verpflichtet aber die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1985, Zl. 85/07/0231, und vom 17. Februar 1987, Zl. 86/04/0131).
Wesentlicher Sachverhalt für die abweisende Entscheidung des AA vom 14. Jänner 1994 war ausschließlich die dem damaligen Antrag zugrunde gelegte Gestaltung des Gesellschaftesvertrages, derzufolge kein Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei allein Beschlüsse fassen oder verhindern konnte. Schon mit Rücksicht darauf und ohne jede Bezugnahme auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt dieses Vertrages oder auf den "tatsächlich" geübten Einfluß einzelner Gesellschafter ist das AA damals zu dem rechtlichen Schluß gekommen, daß eine Feststellung im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG für die ungarischen Gesellschafterinnen der beschwerdeführende Partei keinesfalls in Betracht komme.
Gerade in diesem für die abweisende Entscheidung maßgebenden Punkt hat aber der Sachverhalt durch die von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachte und nachgewiesene Änderung des Gesellschaftsvertrages eine entscheidende Änderung erfahren. Durch die nunmehr geforderte Einstimmigkeit von Gesellschafterbeschlüssen hat es nach dem Vertrag jeder Gesellschafter in der Hand, durch sein Veto das Zustandekommen von Gesellschaftsbeschlüssen zu verhindern, was im Ergebnis einer "Sperrminorität" gleichkommt.
Anders als bei der Entscheidung über den ersten Antrag der beschwerdeführenden Partei waren die Arbeitsmarktbehörden daher bei der Prüfung des zweiten Feststellungsantrages verhalten, über den bloßen Inhalt des Gesellschaftsvertrages hinaus eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob die einzelnen Gesellschafter den ihnen vertraglich zugesicherten Einfluß auf Gesellschaftsentscheidungen im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG auch "tatsächlich persönlich" ausüben. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß im zweiten Verfahren - ungeachtet der getroffenen Formalerledigung durch Zurückweisung wegen entschiedener Sache - wenigstens im Ansatz Erhebungen darüber gepflogen wurden, ob und wie zumindest eine der ausländischen Gesellschafterinnen von ihrer nunmehrigen Entscheidungsgewalt innerhalb der beschwerdeführenden Partei Kenntnis erlangt und Gebrauch gemacht hat.
Die "formalen Überlegungen zum Vorwurf der res iudicata" der beschwerdeführenden Partei treffen daher im Ergebnis zu, was die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG nach sich ziehen mußte. Die "inhaltlichen Überlegungen zum Vorwurf des mangelnden Einflusses der Gesellschafterinnen auf die Geschäftsführung" hingegen überschreiten die "Sache" des vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Auf sie wird erst nach Behebung der angefochtenen Antragszurückweisung bei der danach vorzunehmenden inhaltlichen Prüfung des Antrages der beschwerdeführenden Partei einzugehen sein.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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