VwGH 94/19/0975

VwGH94/19/097526.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Oktober 1993, Zl. 4.326.831/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Oktober 1993 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. November 1991, der Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen Pakistans, der am 9. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist war und am selben Tag einen Asylantrag gestellt hatte - gemäß § 3 AsylG 1991, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich aus, nach denen er sich im Jahr 1991 vor seiner Einreise in das Bundesgebiet vier Monate lang in Rumänien aufgehalten habe. In rechtlicher Hinsicht befaßte sich die belangte Behörde mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle.

Der Beschwerdeführer unterliegt freilich einem Rechtsirrtum, wenn er der Ansicht ist, die frühere, zu § 5 Abs. 3, und § 7 Abs. 2 AsylG (1968) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es erforderlich wäre, "daß der Aufenthalt im Drittstaat den dortigen Behörden bekannt gewesen und von ihnen geduldet worden ist", sei der Auslegung des Begriffes der "Verfolgungssicherheit" gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 heranzuziehen (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann; vgl. weiters etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0418).

Der Beschwerdeführer wendet sich jedoch gegen die Annahme der belangten Behörde, daß Rumänien, das der Genfer Flüchtlingskonvention mit Erklärung vom 7. August 1991 nach Variante b des Art. 1 Abschnitt B beigetreten ist, den sich aus dieser ergebenden Verpflichtungen im Zeitpunkt seines dortigen Aufenthaltes auch nachgekommen sei. Diesbezügliche Beweisergebnisse lägen nicht vor; ihm sei auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsannahmen gegeben worden. Wäre der Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf Gehör verletzt worden, hätte auch geklärt werden können, ob für ihn überhaupt wirksamer Schutz vor einer Abschiebung nach Pakistan bestanden habe.

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß §§ 39, 45, 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1984, 81/05/0019, u.v.a.). Der Mitwirkungspflicht kommt dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1987, 86/11/0044, und 27. April 1993, 91/08/0123). Dies trifft auf die im allgemeinen in Rumänien beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet.

Würde die Behauptung zutreffen, wonach Rumänien den sich aus der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen zum Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesem Staate (noch) nicht nachgekommen sei, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer bereits in Rumänien vor Verfolgung sicher gewesen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1994, Zl. 94/20/0064). Der Beschwerdeführer hat zwar konkrete Behauptungen zur Bestreitung der von der belangten Behörde angenommenen Verfolgungssicherheit erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - wie er mit Recht rügt - im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0122, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 6. Juli 1994). Damit aber hat der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.

Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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