VwGH 94/06/0130

VwGH94/06/013016.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1) des Josef P und 2) der Gertrude P, beide in L, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, (Beschwerde Zl. 94/06/0130) sowie 3) der Stadtgemeinde Leoben, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, (Beschwerde Zl. 94/06/0131), jeweils gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Mai 1994, Zl. 3 12.10 L 5 - 94/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei in beiden Verfahren: T in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §62 Abs1;
BauO Stmk 1968 §70a Abs1;
BauRallg;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §48 Abs3 Z2;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §62 Abs1;
BauO Stmk 1968 §70a Abs1;
BauRallg;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §48 Abs3 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- und der Drittbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Kostenmehrbegehren des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführerin werden abgewiesen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bauwerber) sind Eigentümer einer Liegenschaft im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde, auf der ein Wohnhaus errichtet ist. Die erstmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Nachbar) ist Miteigentümer eines angrenzenden Grundstückes.

Mit Eingabe vom 12. Dezember 1989 kamen die Bauwerber um baubehördliche Bewilligung verschiedener baulichen Maßnahmen, insbesondere umfangreicher Veränderungen des Altbestandes ein. In der Bauverhandlung vom 7. März 1990 gaben die Bauwerber bekannt, daß ihr Antrag, dem näher bezeichnete Planunterlagen zugrunde lägen, "auf den Umbau des Erdgeschoßes und 1. Stockes eingeschränkt" werde und erklärten, zur Kenntnis zu nehmen, "daß für den Gesamtausbau des Dachraumes einschließlich der neuen Dachgestaltung, sowie für die Nutzungsänderung von Räumen im Erdgeschoß als Garage und für die Herstellung des Kfz-Abstellplatzes ein Umwidmungs- bzw. Widmungsverfahren erforderlich" sei. Das gegenständliche Verfahren beschränke sich somit auf die Umbaumaßnahmen im Erdgeschoß und ersten Obergeschoß. Diesbezüglich erging mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 8. März 1990 eine Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen.

Mit Eingabe vom 7. März 1990 ersuchten die Bauwerber "um Widmung" ihrer Liegenschaft "und hier im besonderen des Gesamtausbaues des Dachgeschosses mit Änderung der Dachform bei Beibehaltung der Gebäudehöhe, teilweiser Nutzungsänderung des Erdgeschosses für zwei Garagen und die Errichtung von drei Stellplätzen für Pkw"s". Beigelegt war ein Lageplan; weiters heißt es, daß im übrigen auf das der Gemeinde vorliegende Bauansuchen vom 12. Dezember 1989 hingewiesen werde.

In der hierüber am 4. Mai 1990 durchgeführten Verhandlung wurde zum projektierten "Gesamtausbau des Dachgeschosses" ausgeführt, die Bauwerber beabsichtigten, den teilausgebauten Dachraum durch die Herstellung von zwei zusätzlichen Wohneinheiten zur Gänze auszubauen, wodurch insgesamt drei Wohneinheiten "vorhanden sein" würden. In diesem Zusammenhang werde die bestehende Dachkontur derart geändert, daß nunmehr anstelle der vorhandenen Satteldachkonstruktionen und Gaupenausbildungen Mansardendachflächen entstünden, wobei die Traufhöhen und Firsthöhen unverändert blieben. In den steilen Mansardendachflächen würden stehende Gaupen entsprechend der erforderlichen Belichtungsflächen der dahinterliegenden Räume eingebaut.

Der Nachbar erklärte, "im Gegenstande keinen Einwand" zu erheben.

Mit Bescheid vom 8. Mai 1990 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde als Baubehörde erster Instanz "gemäß §§ 1-6 der Stmk. Bauordnung vom 25.10.1968, LGBl. Nr. 149 i.d.g.F. die Widmung" des näher bezeichneten Grundstückes "für den Gesamtausbau des Dachgeschosses und für die Errichtung von 3 Pkw-Abstellplätzen" unter Vorschreibung von Auflagen, darunter 1. daß bei der Änderung des bestehenden Satteldaches auf ein Walmdach die Trauf- bzw. die Firsthöhe des ursprünglichen Satteldaches beizubehalten sei. Punkt 3. betrifft die Anordnung der Abtretung eines näher beschriebenen Grundstückstreifens gemäß § 6 der Stmk. Bauordnung (BO). Weitere Auflagen beziehen sich unter anderem auf die Situierung der Abstellplätze und der Zufahrt.

Diese Widmungsbewilligung wurde vom Nachbarn nicht bekämpft.

Mit Baugesuch vom 19. April 1990 kamen die Bauwerber um baubehördliche Bewilligung des Dachgeschoßausbaues und der Errichtung von Pkw-Abstellplätzen ein.

In der Bauverhandlung vom 4. Mai 1990 heißt es unter anderem hinsichtlich des projektierten Dachraumausbaues, daß nach Abbruch der bestehenden Dachkonstruktionen der Wohnungstrennwände, sowie Stiegenhauswände nach Maßgabe des vorliegenden Bauplanes insgesamt drei Wohneinheiten mit näher bezeichneten Nutzflächen "ausgebaut" werden sollten. Der Nachbar erhob gegen das Projekt keinen Einwand.

Mit Bescheid des Bürgermeisters als Baubehörde

erster Instanz vom 1. Juni 1990 wurde die entsprechende Baubewilligung erteilt; der Nachbar erhob dagegen keine Berufung.

In einem Amtsvermerk der Baudirektion der Gemeinde vom 6. März 1991 ist festgehalten, daß im Zuge der Bauarbeiten das erste Obergeschoß und das Dachgeschoß vollständig abgetragen worden bzw. laut Aussage des Erstbeschwerdeführers "das Mauerwerk teilweise im Zuge der Umbauarbeiten eingestürzt" sei. Es sei daher die Baueinstellung zu veranlassen und "der Konsenswerber" schriftlich aufzufordern, ein Widmungs- und Bauansuchen hinsichtlich der nunmehr vorgesehenen Baumaßnahmen einzureichen.

Mit Schreiben vom 6. März 1991 teilte ein Baumeister namens der Bauwerber (zusammengefaßt) mit, es sei geplant gewesen, die Außenwände des bestehenden Baukörpers zur Auflagerung zweier Decken heranzuziehen. Nach Abtragung der alten Decke über dem ersten Obergeschoß habe es sich ergeben, daß das Außenbauwerk von derart schlechter Beschaffenheit gewesen sei, daß es aus statischer Hinsicht nicht vertretbar gewesen wäre, dieses Mauerwerk für die vorgesehene Nutzung heranzuziehen. Demnach habe er mit Einverständnis der Bauwerber vorgeschlagen, das Außenbauwerk bis zur Unterkante der Decke über dem Erdgeschoß abzutragen und ein neues Mauerwerk in zeitgemäßer Bauweise herzustellen. Somit sei eine Ausführung gegeben, die den Erfordernissen der Standfestigkeit und des Wärmeschutzes gerecht werde. Nach weiteren Verfahrensschritten zeigten die Bauwerber am 4. September 1991 an, daß sich der "Umbau" im Rohbauzustand befinde. Die Rohbaubeschau fand am 23. September 1991 statt, wobei Ausführungspläne vorgelegt wurden.

Von der Behörde wurde schließlich von Amts wegen für den 21. April 1993 eine Bauverhandlung zwecks "Genehmigung der Ausführungspläne" angeordnet. In dieser Verhandlung wurde festgehalten, daß ein Ansuchen um Genehmigung der Ausführungspläne nicht eingebracht worden sei. Die Bauwerber erklärten hierauf, sich in die gegenständliche Verhandlung einzulassen und stellten gleichzeitig den Antrag "auf Durchführung des Verfahrens zur Genehmigung des gegenständlichen Ausführungsplanes". Dabei erhob der Nachbar Einwendungen gegen das Vorhaben und brachte insbesondere vor, daß es sich infolge der Abtragung "des gesamten altbestehenden Mauerwerkes im Bereich des ersten Obergeschosses" um den Neubau eines Gebäudes handle, weshalb der gesamte Neubau einer Widmungsbewilligung bedürfe. "Sollte nunmehr eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden, ist § 61 Abs. 2 lit. a BauO verletzt". Bei dem im "Auswechslungsplan ersichtlichen Gebäude" handle es sich um ein dreigeschoßiges Objekt. Es werde eine "neue Geschoßfläche mit zusätzlicher Gewinnung von Bebauungsdichte errichtet. Die geschaffenen Geschoßflächen überschreiten das im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Höchstausmaß. Es liegt damit ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan vor, der auch die Interessen der Nachbarn beeinträchtigt". Auch fehlten die Bebauungsgrundlagen im Sinne des § 3 Abs. 3 BO, weshalb die Bestimmung des § 61 Abs. 2 lit. c BO verletzt sei. "Mit der Dreigeschossigkeit des Objektes" würden auch die Abstandsvorschriften verletzt. Das betreffe sowohl die Gebäudeabstände als auch die Grenzabstände. Ebenso sei auch § 5 BO hinsichtlich der Bestimmungen über die Gebäudehöhe verletzt. Er spreche sich daher gegen die Erteilung der nachträglichen Baugenehmigung aus, "da diese Bauführung, wie sie tatsächlich errichtet wurde, nie seine Zustimmung gefunden hätte". Er erachte "die gegenständliche Vorgangsweise als Rechtsbeugung und Verletzung der Gleichheit". Außerdem sei ihm seinerzeit erklärt worden, daß es sich bei der gegenständlichen Dachform, die auch er zu verwirklichen beabsichtigte, um ein Pseudomansardendach mit einer Form der Fassadenverkleidung handle. Darüber hinaus sei die ursprüngliche Bauverhandlung aufgrund "eines unkorrekten Vorprüfungsverfahrens durchgeführt" worden. Er beantrage, das "nachträgliche Genehmigungsansuchen" abzuweisen und "die erforderlichen Schritte gemäß § 70a BauO zu setzen".

Mit Bescheid vom 19. Juli 1993 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde die angestrebte "Genehmigung von Ausführungsplänen" und wies die Einwendungen des Nachbarn sowie seinen Antrag auf Erlassung eines Bescheides gemäß § 70a BO als unbegründet ab. Begründend wurde diesbezüglich ausgeführt, daß für das gegenständliche Bauvorhaben die Widmungsbewilligung, womit der Dachgeschoßausbau und die Abänderung der Dachaußenform bei Beibehaltung der First- und Traufhöhe bewilligt worden sei, in Rechtskraft erwachsen sei. Ebenso sei die aufgrund dieser Widmung erteilte Baubewilligung in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens sei lediglich die Genehmigung von Ausführungsplänen hinsichtlich der "im Sachverhalt dargestellten Abänderung des Dachknickes, bzw. der Innengestaltung des Objektes". Hinsichtlich der inneren Gestaltung des Objektes stehe dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht zu, und es seien diesbezüglich auch keine Einwendungen erhoben worden. Die übrigen Einwendungen, die zwar dem Grunde nach subjektiv-öffentliche Rechte nach der Bauordnung geltend machten, seien abzuweisen, weil hierüber bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Aufgrund der Bewilligungsfähigkeit der Ausführungspläne sei daher auch die Erlassung eines Bescheides gemäß § 70a BO nicht erforderlich.

Dagegen erhob der Nachbar Berufung "insoweit, als das Ansuchen um Genehmigung von Auswechslungsplänen nicht zur Gänze abgewiesen" worden sei, die mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde vom 14. Feber 1994 als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, daß mit Bescheid vom 8. Mai 1990 die Widmung des fraglichen Grundstückes, auf welchem sich ein Altbestand befunden habe, unter Berücksichtigung der geplanten Umbaumaßnahmen und des Ausbaues des Dachgeschoßes für Wohnzwecke bei gleichzeitiger Errichtung von 3 Pkw-Abstellplätzen erteilt worden sei. In der Widmungsbewilligung seien unter anderem der Verwendungszweck, die Straßenbaufluchtlinien sowie die Verwendung der Freiflächen festzusetzen. Keinesfalls sei es aber von Belang, ob es sich hiebei um Um-, Zu- oder Neubauten handle. Demnach sei festzuhalten, daß für das fragliche Grundstück eine rechtskräftige Widmungsbewilligung vorliege und daß vom Nachbarn im Widmungsverfahren keine wie immer gearteten Einwendungen gegen die geplante Nutzung des Grundstückes erhoben worden seien. Gegenstand der Bauverhandlung vom 21. April 1993 sei ausschließlich die Prüfung und Genehmigung der vorgelegten Ausführungspläne gewesen. Einwendungen der Nachbarn gegen die Bewilligung der Auswechslungspläne könnten daher nur insoweit vorgebracht werden, als die geplanten Abänderungen eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte darstellten. Wie aus den vorgelegten Plänen zu ersehen sei, bezögen sich die baulichen Änderungen ausschließlich auf den inneren Ausbau und die Gestaltung der Wohneinheiten. Die geringfügige Erhöhung der Dachtraufe um 15 cm führe jedoch zu keiner Beeinträchtigung der subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn. Bauliche Änderungen im inneren des Gebäudes seien jedoch der Beurteilung der Nachbarschaft entzogen. Demnach habe die Baubehörde erster Instanz die Einwendungen des Nachbarn zu Recht abgewiesen. Die in der Berufung getroffene Feststellung, wonach die Baudirektion selbst auf die Notwendigkeit der Durchführung eines ergänzenden Bauverfahrens hingewiesen habe, stehe mit der Fortführung des Verfahrens nicht im Widerspruch, zumal es hiedurch auch zur Abwicklung des berufungsgegenständlichen Verfahrens gekommen sei. Eine neuerliche Widmung sei nicht erforderlich gewesen, weil sich weder an der Benützungsart noch an der flächenmäßigen Gestaltung des Objektes etwas geändert habe.

Dagegen erhob der Nachbar Vorstellung, in der er unter anderem darauf verwies, daß es an der erforderlichen Widmungsbewilligung für das Vorhaben mangle.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Berufungsbescheid wegen Verletzung von Rechten des Nachbarn behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde verwiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges wurde begründend ausgeführt, aus dem Vorstellungsvorbringen wie auch aus dem Akteninhalt ergebe sich, daß entweder infolge eines Einsturzes oder durch bewußten Abbruch zumindest Teile des Dachgeschoßes und des

ersten Obergeschosses abgetragen worden seien. Dadurch lägen jedenfalls bewilligungspflichtige Baumaßnahmen vor. Wäre nun eines oder gar beide Geschoße gänzlich abgetragen und wieder aufgeführt worden, wäre der bestehende Konsens im Ausmaß der Abtragungen untergegangen, und es würde "hiedurch die Bewilligungspflicht gemäß § 57 Abs. 1 lit. b StBO ausgelöst". Sei jedoch etwa im Bereich des ersten Obergeschoßes noch raumbildendes Mauerwerk belassen worden, wäre insofern der Konsens hiefür nicht untergegangen und es läge somit beim ersten Obergeschoß nur ein Umbau gemäß § 57 Abs. 1 lit. c BO vor (verwiesen wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1993, Zl. 90/06/0067). Aus dem Akteninhalt gehe nicht eindeutig hervor, inwieweit die Abtragung in den Obergeschoßen durchgeführt worden sei. Wenn im ersten Obergeschoß oder im Dachgeschoß eine Abtragung dergestalt erfolgt wäre, "daß kein raumbildendes Mauerwerk mehr bestanden hat", würde eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme gemäß § 54 Abs. 1 lit. c BO vorliegen, wobei jedenfalls auch eine Widmungsbewilligung erforderlich gewesen wäre. Insofern könne eine Verletzung von Rechten des Nachbarn nicht ausgeschlossen werden.

Dagegen richtet sich die zur Zl. 94/06/0130 protokollierte Beschwerde der Bauwerber und die zur Zl. 94/06/0131 protokollierte Beschwerde der Gemeinde jeweils wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer gemeinsamen Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung beider Beschwerden beantragt.

Auch der Nachbar hat Gegenschriften erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Die beschwerdeführende Gemeinde hat einen Schriftsatz eingebracht, der als Gegenschrift zur Beschwerde der Bauwerber und als Äußerung zur Gegenschrift des Nachbarn bezeichnet ist, in dem beantragt wird, den angefochtenen Bescheid aufzuheben bzw. der Beschwerde der Nachbarn Folge zu geben (und die verzeichneten Kosten des Schriftsatzes zuzuerkennen).

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren wegen des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt Rechtsmeinungen der Aufsichtsbehörde, die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ausgedrückt sind und den aufhebenden Spruch dieses Bescheides tragen, bindende Wirkung zu. In diesem Umfang erstreckt sich die Bindung auf alle beteiligten Parteien und Behörden einschließlich der Aufsichtsbehörde selbst; wird der betreffende Bescheid nicht mittels Beschwerde bekämpft, so binden die den aufhebenden Spruch tragenden Rechtsmeinungen auch den Verwaltungsgerichtshof (siehe dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1971, Slg. NF 8091/A und vom 13. November 1973, Slg. NF 8494/A uva.).

Der angefochtene Bescheid erging über Vorstellung des Nachbarn, der das Fehlen einer entsprechenden Widmungsbewilligung eingewendet hatte. Dem angefochtenen Bescheid liegt die tragende Rechtsmeinung zugrunde, daß es sich im Falle der Errichtung eines Geschoßes nach gänzlicher Abtragung des zuvor bestandenen aufgehenden Mauerwerkes rechtlich nicht um einen Umbau im Sinne des § 57 Abs. 3 lit. c, sondern um einen Zubau im Sinne des § 57 Abs. 1 lit. b BO handle, wofür es einer Widmungsbewilligung bedürfe, die aber - so ergibt sich zwingend weiter (andernfalls es ja nicht zur Aufhebung gekommen wäre) - nicht vorliege.

Die Beschwerdeführer bekämpfen diese Beurteilung mit dem Vorbringen, daß die zuletzt angestrebte Baubewilligung (Genehmigung der Austauschpläne) rechtlich durch die Widmungsbewilligung vom 8. Mai 1990 gedeckt sei.

Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zusammenfassend entgegen, daß zum Zeitpunkt des Widmungsansuchens vom 7. März 1990 für den Altbestand die Vermutung der Rechtmäßigkeit gesprochen habe. Damit habe die Widmungsbewilligung vom 8. Mai 1990 nur jene Teile erfassen können, "die nicht dem konsentierten Altbestand und dem bisherigen Verwendungszweck angehörten".

Der Nachbar bringt in seinen Gegenschriften diesbezüglich gleichlautend vor, der Widmungsbewilligungsbescheid vom 8. Mai 1990 könne den Bescheid des Bürgermeisters vom 19. Juli 1993 "- abgesehen davon, daß zu diesem Zeitpunkt das Gebäude fast gänzlich abgetragen war - auch deshalb nicht decken, da dieser mit dem Bewilligungsbescheid vom 01.06.1994 konsumiert wurde. Überdies sind die Trauf- und Firsthöhen in Wirklichkeit nicht unverändert geblieben und liegen auch weitere Abweichungen vor, die in der Verhandlungsschrift vom 21.04.1993 teilweise festgehalten sind" (richtig wohl statt 1. Juni 1994: 1. Juni 1990).

Mit ihrem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht:

die in den §§ 1 bis 6a der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149/1968 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 54/1992 normierte Widmungsbewilligung schafft - vereinfachend dargestellt - (ähnlich einer Bauplatzerklärung) den rechtlichen Rahmen für die Baubewilligung (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1973, Zl. 1287/72 = Slg. 8523/A). Für die vom Nachbarn vertretene Auffassung, eine Widmungsbewilligung werde durch eine nachfolgende Baubewilligung oder auch durch eine widmungswidrige Bauführung in dem Sinne "konsumiert", daß sie aus dem Rechtsbestand ausscheide, findet sich im Gesetz keine Grundlage.

Der Umstand, daß für den Altbestand die Vermutung der Rechtmäßigkeit sprach (Rechtsfigur des sogenannten "vermuteten Konsenses" - vgl. dazu die in Hauer, Steiermärkische Bauordnung2, in E 37 bis 42 zu § 70a BO wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) bedeutet nicht zwingend, daß für das bebaute Grundstück eine Widmungsbewilligung besteht, das heißt, daß hiefür Bebauungsbestimmungen festgesetzt wurden. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, die Annahme, in einer Baubewilligung sei zugleich eine Widmungsbewilligung gelegen, jedenfalls dann unzulässig sei, wenn aus ihr die Absicht der Behörden, die Verbauungsbestimmungen für die Liegenschaft festzusetzen, nicht eindeutig erkennbar sei. In einem solchen Fall werde durch die Rechtskraft der Baubewilligung zwar der Mangel der vorangegangenen Widmungsbewilligung für die bewilligte Bauführung beseitigt, doch setze jede spätere Baubewilligung die Widmung des Grundes gemäß dem § 2 und 3 BO voraus (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1979, Zl. 1692/76 unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 13. Juni 1966, Slg. Nr. 6945/A oder auch vom 27. November 1980, Zl. 06/3240/79). Nach den Umständen des Beschwerdefalles vermag der Verwaltungsgerichtshof der Beurteilung der belangten Behörde, die Widmungsbewilligung vom 8. Mai 1990 stelle sich lediglich als eine Art Ergänzung einer vermuteten Widmungsbewilligung (welchen Inhaltes auch immer) dar, nicht beizutreten. Vielmehr ist der Beurteilung der Beschwerdeführer dahin zu folgen, daß es sich dabei um die von der belangten Behörde (wenn auch für den Fall der gänzlichen Abtragung des raumbildenden Mauerwerkes im Dachgeschoß oder auch im ersten Obergeschoß gemäß § 57 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 58 Abs. 2 BO) als erforderlich erachtete Widmungsbewilligung handelt. Dem kann im Beschwerdefall auch nicht entgegengehalten werden, daß diese Widmungsbewilligung nicht alle Festsetzungen im Sinne des § 3 Abs. 3 BO enthalte, denn soweit Festsetzungen nicht getroffen wurden, fehlt es an einer Änderung bestehender rechtlicher Verhältnisse, die durch das Widmungsverfahren hervorgerufen würde, womit dem Nachbarn daher alle subjektiv-öffentliche Rechte für ein späteres Baubewilligungsverfahren gewahrt bleiben (siehe dazu die in Hauer, aaO, in E 35 zu § 3 BO wiedergegebene hg. Judikatur). Die Frage, welche Festsetzungen nun im einzelnen mit dieser Widmungsbewilligung getroffen wurden, kann daher in den Beschwerdefällen dahingestellt bleiben; maßgeblich ist vielmehr, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende tragende Rechtsauffassung der belangten Behörde, es mangle an einer Widmungsbewilligung, unzutreffend ist.

Damit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 jeweils im Rahmen des Begehrens an Schriftsatzaufwand. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens beruhte hinsichtlich der Bauwerber auf (sichtlich irrig) unrichtig verzeichneten Stempelgebühren. Das Begehren der beschwerdeführenden Gemeinde hingegen auf Ersatz von Stempelgebühren war deshalb abzuweisen, weil die Gemeinde gemäß § 2 Gebührengesetz 1957 von der Entrichtung derartiger Gebühren befreit ist. Ebenso war ihr Kostenersatzbegehren betreffend die von ihr erstattete Gegenschrift abzuweisen, weil eine Partei, die den Bescheid als Beschwerdeführer bekämpft im Beschwerdeverfahren einer anderen Partei denselben Bescheid betreffend nicht mitbeteiligte Partei sein kann, zumal ihre Interessenslage jener der anderen Partei völlig gleicht.

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