Normen
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3 idF 8200-9;
BauO NÖ 1976 §2 Z1 lita idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2 idF 8200-1;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3 idF 8200-9;
BauO NÖ 1976 §2 Z1 lita idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2 idF 8200-1;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer zusammen haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 28. Oktober 1993 beantragten die erstmitbeteiligten Bauwerber die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Garage auf ihrem Grundstück 541/2, KG A (J-Straße 5). Nach der Baubeschreibung und dem vorgelegten Bauplan soll die 6 m tiefe Garage an einer Seite an das bestehende Wohnhaus der Bauwerber angebaut werden; mit der Breite von 8 m soll der gesamte Seitenabstand zwischen diesem Wohnhaus und der Nachbargrenze überbaut werden; die Gebäudehöhe soll 2,5 m betragen.
Die Beschwerdeführer sind mit ihrer Parzelle 543/1 (J-Straße 3) jene seitlichen Nachbarn, an deren Grundgrenze auf eine Länge von 6 m die Garage angebaut werden soll. Das vorhandene Wohngebäude der Bauwerber ist an der anderen seitlichen Grenze zur Parzelle 541/1 (J-Straße 7) angebaut. Die Beschwerdeführer gaben vor der Verhandlung niederschriftlich zu Protokoll, daß sie sich gegen die Errichtung der Garage an der Grundgrenze aussprechen. Im Verlauf der J-Straße seien alle Garagen an die Wohnhäuser angebaut.
Anläßlich der Bauverhandlung führte der beigezogene Bausachverständige aus, daß das Vorhaben in keinem auffallenden Widerspruch zur Bebauung stehe.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 1993 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde unter Vorschreibung von Auflagen die begehrte Baubewilligung. Die Nachbareinwendung wurde als unzulässig zurückgewiesen; die Garage entspreche den Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 Nö BauO und stehe nicht im Widerspruch zur vorhandenen Bebauung.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, § 87 Abs. 2 Nö BauO komme nicht zur Anwendung, weil kein Bebauungsplan bestehe; vielmehr sei § 120 Abs. 3 Nö BauO heranzuziehen. Konkrete Feststellungen, die eine Beurteilung dahingehend zuließen, ob das Projekt zur vorhandenen Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe, seien aber nicht getroffen worden. Es wurde behauptet, daß in der J-Straße die offene Bauweise bestehe. Zum Beweis dafür, daß das Projekt in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung stünde, wurde die Beiziehung eines technischen Amtssachverständigen des niederösterreichischen Gebietsbauamtes begehrt.
Der Amtssachverständige des Gebietsbauamtes Krems beschränkte in seinem Gutachten vom 31. Jänner 1994 (nach Durchführung eines Lokalaugenscheines) das zum Vergleich herangezogene Gebiet im wesentlichen auf die J-Straße und auf die von dort sichtbaren Einfamilienhäuser samt Garagen. Da das an der Westseite der J-Straße gelegene, rund 90 m lange Grundstück 534 und das daran westlich anschließende Grundstück 513/1 unbebaut sind, wurde auch die T-Gasse, die als Sackgasse am Grundstück 513/1 endet, in den Betrachtungsraum einbezogen. Der Sachverständige stellte fest, daß in der T-Gasse auf vier Parzellen garagenähnliche Nebengebäude an die Grundgrenze angebaut seien. Bei den acht Häusern an der Ostseite der J-Straße stellte er gekuppelte Bauweise fest, wobei die Garagen an die Häuser angebaut wurden. Bei dem auf der Westseite auf der J-Straße befindlichen Neubau auf der Parzelle 535/2 wurde der Anbau eines garagenähnlichen Nebengebäudes an die Grundgrenze festgestellt.
Die Beschwerdeführer brachten in ihrer Äußerung zu diesem Gutachten vor, die Häuser in der T-Gasse dürften nicht einbezogen werden, weil keine Einheitlichkeit in bezug auf die Bebauung der J-Straße festzustellen sei. Es könnten nur jene Liegenschaften in Betracht gezogen werden, die untereinander nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im wesentlichen einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bildeten, welches sich dem äußeren Eindruck nach von der angrenzenden Bebauung abhebe. Da nur bei einem Gebäude in der J-Straße eine Garage im Seitenabstand vorhanden sei, sei es rechtswidrig, daraus die Zulässigkeit von Garagen ganz allgemein im Seitenabstand abzuleiten. Das Gutachten sei unschlüssig, weshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens begehrt wurde.
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde gab der Berufung mit Bescheid vom 15. April 1994 keine Folge. Selbst wenn der Bezugsbereich auf die J-Straße eingeschränkt werde, bestünde kein auffallender Widerspruch zur bestehenden Bebauung.
In der dagegen erstatteten Vorstellung wurde einerseits gerügt, daß die Berufungsbehörde entgegen dem Antrag der Berufungswerber kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt habe. Im übrigen wurden die schon in der Äußerung vorgebrachten Argumente wiederholt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die von der belangten Behörde mit der Entscheidung betraute Bezirkshauptmannschaft Gmünd die Vorstellung als unbegründet ab. Zufolge der Errichtung bereits einer Garage im Seitenabstand sei das Außergewöhnliche, das durch den Begriff "auffallend" gefordert werde, nicht mehr gegeben.
In der dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens sowie dadurch verletzt, daß durch die unrichtige Anwendung des § 120 Abs. 3 Nö BauO Rechte der Beschwerdeführer nach § 118 Abs. 9 Nö BauO verletzt worden seien. Es wird Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in dem auch von den Beschwerdeführern zitierten Erkenntnis vom 20. November 1984, Zl. 84/05/0131 (BauSlg. Nr. 335), mit der Bewilligungsfähigkeit einer Kleingarage im Seitenabstand in einer Gemeinde ohne Bebauungsplan auseinandergesetzt und gelangte zur Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides, da die Frage des auffallenden Widerspruches zur bestehenden Bebauung i.S.d. § 120 Abs. 3 Nö BauO, LGBl. 8200-6, nicht geklärt worden sei. Nach einem ergänzenden Ermittlungsverfahren durch die Verwaltungsbehörden befaßte sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Oktober 1989, Zl. 89/05/0118, neuerlich mit jenem Projekt. Damals wurde ausgeführt, daß durch das beabsichtigte Bauvorhaben jedenfalls nicht erstmals eine Bebauung des Seitenabstandes erfolgte, sodaß ein auffallender Widerspruch des Vorhabens zur bestehenden Bebauung zu verneinen sei. Selbst wenn eine Bebauung völlig gleicher Art bisher nicht erfolgt sei, ließe die aus den Plänen erkennbare unterschiedliche Bebauung nicht den Schluß zu, daß die Frage eines allfälligen Widerspruches zu bejahen sei. Der Sinn der Übergangsbestimmung (§ 120 Abs. 3 Nö BauO) liege ja darin, einen einem Bebauungsplan ähnlichen Beurteilungsmaßstab zu schaffen, der naturgemäß bei verschiedenartig zugelassener Bebauung durchaus als unzureichend beurteilt werden könne; jedoch sollten diese Übergangsbestimmungen nur solange Anwendung finden, bis die Gemeinden ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Erlassung eines Bebauungsplanes nachgekommen seien, weil letztlich nur auf diese Weise eine geordnete Raumplanung gesichert werden könne. Weiters wurde in diesem Erkenntnis auf § 87 Abs. 2 Nö BauO verwiesen, wonach die Zulässigkeit einer Garage im Seitenabstand selbst bei offener Bebauungsweise zu bejahen sei.
Im vorliegenden Fall gelangt die durch die Novelle LGBl. 8200-9 geänderte Fassung des § 120 Abs. 3 Nö BauO (im folgenden: BO) zur Anwendung, die lautet:
"In einem Baulandbereich, für den noch kein Bebauungsplan erlassen wurde oder ein vereinfachter Bebauungsplan keine Regelung der Anordnung oder Höhe der Gebäude enthält, ist die Baubewilligung für einen Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes zu versagen, wenn dieses Gebäude hinsichtlich seiner Anordnung auf dem Bauplatz oder seiner Höhe in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung stehen würde."
Diese Änderung reduziert den Versagungsgrund des auffallenden Widerspruches zur bestehenden Bebauung auf die Kriterien Anordnung der Gebäude auf den Bauplätzen (also Bebauungsweise, eventuell auch Bauwichausmaß und Fluchtlinien) und deren Höhe (Hauer-Zaussinger, Nö Bauordnung4, 474 f). Die bisherige Rechtsprechung hinsichtlich der Situierung von Kleingaragen im Bauwich ist aber dadurch nicht überholt (Hauer-Zaussinger aaO, 304). Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, daß dem Nachbarn ein Anspruch auf Versagung eines dem § 120 Abs. 3 BO widersprechenden Vorhabens zukommt (hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 92/05/0084, mwN).
Die Beschwerdeführer haben in ihrer Äußerung zum Sachverständigengutachten die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe das zuletzt genannte Erkenntnis) zur Abgrenzung des Bezugsbereiches richtig wiedergegeben. Selbst wenn man ihrer Auffassung folgt und die nach dem Gutachten im Sichtbereich gelegenen Häuser in der T-Gasse unbeachtet läßt, ergibt sich immerhin, daß an einer Parzelle in der J-Straße selbst die Verbauung des Seitenabstandes durch eine Garage bereits erfolgt ist. Wie schon im Vorerkenntnis vom 10. Oktober 1989 ist somit auch hier davon auszugehen, daß durch das Projekt der Bauwerber nicht ERSTMALS in der J-Straße eine Bebauung des Seitenabstandes durch eine Garage erfolgte. Daher kann auch hier aufgrund der gegebenen unterschiedlichen Bebauung der Liegenschaften die Frage des AUFFALLENDEN Widerspruches durch das vorliegende Projekt einer Kleingarage nicht mehr bejaht werden, zumal eine Kleingarage i.S.d. § 2 Abs. 1 lit. a BO von vornherein einen geringeren Auffälligkeitswert besitzt als etwa ein mehrstöckiges Wohngebäude.
Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß sich in der J-Straße auf der Parzelle 535/2 eine Garage im Bauwich befindet. Sie meinen aber, diese Tatsache sei zu vernachlässigen, weil mangels Vorhandenseins eines Zaunes die Verbauung im Seitenabstand optisch nicht erkennbar sei. Dem ist zu erwidern, daß § 120 Abs. 3 BO allein auf die Anordnung des Gebäudes auf dem Bauplatz verweist, und zwar unabhängig davon, ob diese Anordnung derzeit - Zäune können wohl jederzeit errichtet werden - optisch erkennbar ist.
Ob das zur Beurteilung herangezogene Gebiet groß genug gewählt wurde, ist nicht zu untersuchen, weil die Beschwerdeführer nie behauptet haben, daß eine Erweiterung des Bezugsbereiches ein für sie günstigeres Ergebnis gebracht hätte; sie wollen vielmehr eine Einschränkung bloß auf die acht Häuser der Ostseite der J-Straße. Eine Beschränkung allein auf diese Parzellen innerhalb des Sichtbereiches wäre aber keinesfalls geeignet, eine taugliche Beurteilungsgrundlage zu bilden (vgl. Hauer-Zaussinger, aaO 474), weil das Kriterium "auffallend" jedenfalls einen Bezug zum Sichtbereich erfordert.
Damit ist aber auch die von den Beschwerdeführern gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht gegeben. Für die Beurteilung eines noch kleineren Bezugsgebietes hätte es weder eines weiteren Sachverständigengutachtens noch der Durchführung eines Lokalaugenscheines bedurft, weil die Befundaufnahme hinsichtlich der Gegebenheiten in der J-Straße von den Beschwerdeführern nicht als unrichtig bekämpft wurde.
Da sich somit selbst bei Außerachtlassung der Bebauung in der T-Gasse kein auffallender Widerspruch des vorliegenden Projektes zur bestehenden Bebauung ergibt, haben die Verwaltungsbehörden zu Recht von diesem Versagungsgrund keinen Gebrauch gemacht. Die Beschwerde erwies sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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