VwGH 94/05/0225

VwGH94/05/022521.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. Februar 1993, Zl. BauR - 010929/2 - 1993 Ba/Lan, betreffend ein Feststellungsverfahren gemäß § 10 Abs. 1 des

O.ö. Straßengesetzes 1991 (mP: Gemeinde Scharnstein, vertreten durch den Bgm), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §8;
LStG OÖ 1991 §10 Abs1;
LStG OÖ 1991 §10 Abs2;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §8;
LStG OÖ 1991 §10 Abs1;
LStG OÖ 1991 §10 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 12. Oktober 1992 wurde unter Berufung auf § 10 des

O.ö. Straßengesetzes 1991 "für den über die" (im Eigentum des Beschwerdeführers befindlichen) "Grundstücke 782/2 und 779, beide KG V, führenden Weg ... der Gemeingebrauch (im Lageplan rot eingezeichnet) ZUM GEHEN (FUßWEG) festgestellt".

In der Begründung ihres Bescheides wies die Behörde auf die anläßlich einer mündlichen Verhandlung abgegebenen Stellungnahmen von vier "Verkehrsinteressenten" hin, denen zufolge dieser Weg von ihnen als Fußweg oder "für sonstige wirtschaftliche Bedürfnisse (Viehtrieb)" sowie von einer unbekannten Zahl sonstiger Personen (Wanderer) regelmäßig und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers seit mehr als 30 Jahren benützt werde, bevor er durch den jetzigen Grundeigentümer vor ca. einem Jahr völlig abgesperrt worden sei. Weiters sei vom Amtssachverständigen festgestellt worden, daß der Weg auf einem Luftbild aus dem Jahr 1954 deutlich zu erkennen und in einer Wanderkarte der Gemeinde auch lagemäßig richtig dargestellt sei. Darüber hinaus sei diese Wegbeziehung bis auf jene Teile, die von Grabungsarbeiten der letzten Zeit betroffen seien, in der Natur noch deutlich sichtbar. Es sei daher von der mindestens 30 Jahre dauernden uneingeschränkten und vom Willen des Grundeigentümers oder dritter Personen unabhängigen allgemeinen Benützung des Weges auszugehen, weshalb gemäß § 10 leg. cit. die Feststellung des Gemeingebrauches auszusprechen gewesen sei.

Die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. Februar 1993 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß er durch diesen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt werde. Auch die Aufsichtsbehörde sah die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 des O.ö. Straßengesetzes 1991 als erfüllt an.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1994, Zl. B 354/93-9, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde abgelehnt. Mit einem weiteren Beschluß dieses Gerichtshofes (vom 22. August 1994, Zl. B 354/93-11) wurde über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers diese Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Werden Grundstücke oder Grundstücksteile seit mindestens 30 Jahren unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke benützt, ohne daß hiefür eine ausdrückliche Widmung vorliegt, so hat die Behörde gemäß § 10 Abs. 1 des O.ö. Straßengesetzes 1991 über Antrag des Grundeigentümers oder von Amts wegen durch Bescheid das Vorliegen des Gemeingebrauchs festzustellen. Voraussetzung eines derartigen Feststellungsbescheides ist demnach, daß bestimmte Grundstücke während eines der Einleitung des Feststellungsverfahrens vorausgehenden ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens 30 Jahren im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke benützt worden sind, wobei es nach Auffassung des Gerichtshofes in jenen Fällen, in welchen die - weitere - Benützung eines Weges etwa durch entsprechende Maßnahmen des Grundeigentümers, die das Feststellungsverfahren ausgelöst haben, verhindert worden ist, darauf ankommt, daß der Weg bis zu diesem Zeitpunkt mindestens 30 Jahre im erwähnten Sinn benützt worden ist.

Dem Verwaltungsakt ist zu entnehmen, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 5. Februar 1992 mitgeteilt hat, der Gemeinde sei "bekannt, daß Sie den über ihren Grundbesitz führenden Wander- bzw. Gehweg ... nicht mehr für die allgemeine Benützung als solchen

zur Verfügung stellen wollen ... Ich ersuche Sie daher ..., daß

Sie den eingangs zitierten Weg über Ihren Grundbesitz wie bisher für den allgemeinen Gebrauch wieder freigeben. Sollte es diesbezüglich zu Schwierigkeiten kommen, wäre die Gemeinde gezwungen, den Gemeingebrauch dieses Weges durch die Einleitung eines Verfahrens im Sinne des § 10 O.ö. Straßengesetz behördlich feststellen zu lassen ..." Anläßlich der daraufhin auf Grund einer Kundmachung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. August 1992 abgehaltenen mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer, daß das in Rede stehende Grundstück von ihm "seit acht Jahren eingezäunt" sei und er "keine Wanderer festgestellt" habe. Seit "Anfang 1991 betreibe" er "auf dem Grundstück eine Christbaumkultur" und habe "einen Wildzaun errichtet", um den Wildverbiß hintanzuhalten.

Es ist daher die Annahme gerechtfertigt, daß die weitere Benützung des in Rede stehenden Weges für Verkehrszwecke im Rahmen des Gemeingebrauches etwa seit Jahresbeginn 1991 durch Maßnahmen des beschwerdeführenden Grundeigentümers verhindert worden ist, weshalb unter Zugrundelegung der vorstehenden rechtlichen Erwägungen des Gerichtshofes davon auszugehen ist, daß die bereits in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene, dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Feststellung über den Gemeingebrauch des Weges dann rechtmäßig ist, wenn dieser zumindest bis etwa Jahresbeginn 1991 im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke benützt worden ist.

Von einem derartigen Sachverhalt durften die Behörden ausgehen, weil den bei der mündlichen Verhandlung abgegebenen Äußerungen der "Verkehrsinteressenten" eindeutig zu entnehmen ist, daß die in Rede stehende Wegverbindung vor dem Jahr 1991 mehr als 30 Jahre bestanden hat. Daran vermag auch der vom Beschwerdeführer gegebene Hinweis, daß nach der Wanderkarte des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen "keine Wegverbindung bestanden" habe, nichts zu ändern, weil schon der Amtssachverständige anläßlich der erwähnten Verhandlung - unwidersprochen - festgestellt hat, daß "in der Beschreibung der Wander- und Radwege einer Gemeindekarte der Gemeinde S die Wegbeziehung eindeutig und lagemäßig richtig eingetragen ist".

Da die weitere Benützung des in Rede stehenden Weges für Verkehrszwecke im Rahmen des Gemeingebrauches entsprechend den vorstehenden Ausführungen etwa seit Jahresbeginn 1991 durch Maßnahmen des beschwerdeführenden Grundeigentümers verhindert worden ist, kommt dem von ihm anläßlich der erwähnten mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Umstand, daß er sein Grundstück bereits vor dem Jahre 1991 "eingezäunt" habe, auf dem Boden der einleitenden Rechtsausführungen des Gerichtshofes im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende rechtliche Bedeutung zu, weil der Weg, wie sich aus der Niederschrift über die gegenständliche Verhandlung ergibt, bis dahin "wenn auch mit Schwierigkeiten von Wanderern und Anrainern weiter begangen werden konnte" (so die Stellungnahme eines Vertreters der mitbeteiligten Gemeinde während der Verhandlung) bzw. "immerhin ein Überstieg oder Durchgang möglich war" (Zeugen Karl und Erika M.).

Dem Hinweis des Beschwerdeführers, "auf den ersten 40 m der behaupteten Wegtrasse befindet sich nunmehr ein baubehördlich bewilligter Wasserbehälter, ein Biotop, und im Anschluß daran eine Christbaumkultur", ist zu erwidern, daß einerseits auf das Vorbringen hinsichtlich des Wasserbehälters und des Biotops wegen des aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitenden Neuerungsverbotes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht einzugehen ist, und andererseits die Christbaumkultur entsprechend den wiedergegebenen Ausführungen des Beschwerdeführers bei der Verhandlung erst seit dem Jahre 1991, also seit einem Zeitpunkt betrieben wird, der aus den dargelegten rechtlichen Erwägungen im Beschwerdefall für die Rechtmäßigkeit der getroffenen bescheidmäßigen Feststellung nicht - mehr - von Bedeutung ist.

Es ist auch nicht entscheidend, daß - nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - "über den Großteil der behaupteten Wegtrasse" eine "Schilifttrasse führt", wodurch "das Gelände ... erheblich verändert" worden ist, weil dieser Umstand einer Feststellung im Sinne des § 10 Abs. 1 des O.ö. Straßengesetzes 1991 nicht entgegensteht.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer in der Begründung des angefochtenen Bescheides entgegengehalten, daß er die Feststellungen des technischen Amtssachverständigen "über die tatsächliche Beschaffenheit des Weges" nicht "in Abrede gestellt" habe und "erst jetzt durch Behauptungen zu entkräften" versuche, und daß er "als präkludiert anzusehen" sei, weil er "weder vor noch während der Verhandlung ... diesbezügliche Einwendungen vorgebracht" habe. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß er in diesem Zusammenhang nicht im Sinne des § 42 AVG präkludiert ist, weil die Frage der "tatsächlichen Beschaffenheit des Weges" im gegebenen rechtlichen Zusammenhang gar nicht Gegenstand einer Einwendung im Sinne der Geltendmachung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes sein könnte (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 6. März 1957, Slg. Nr. 4298/A). Ungeachtet dessen ist aber damit für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen, weil es im Beschwerdefall darauf ankommt, ob sein Grundstück bis zum Jahresanfang 1991 mindestens 30 Jahre lang unabhängig von seinem Willen ohne ausdrückliche diesbezügliche Widmung im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke benützt worden ist.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß der Beschwerdeführer durch die Abweisung seiner Vorstellung nicht in seinen Rechten verletzt worden ist, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte