VwGH 93/05/0103

VwGH93/05/010320.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. März 1993, Zl. R/1-B-9209/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mP: Bund, vertreten durch die Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §116 Abs1;
BauO NÖ 1976 §116 Abs2 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §116 Abs5 idF 8200-2;
BauO NÖ 1976 §2 Z5 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2 idF 8200-6;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art15 Abs1;
B-VG Art15 Abs5;
FG 1949 §1;
ROG NÖ 1976 §14;
ROG NÖ 1976 §15 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §1;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §116 Abs1;
BauO NÖ 1976 §116 Abs2 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §116 Abs5 idF 8200-2;
BauO NÖ 1976 §2 Z5 idF 8200-1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2 idF 8200-6;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art15 Abs1;
B-VG Art15 Abs5;
FG 1949 §1;
ROG NÖ 1976 §14;
ROG NÖ 1976 §15 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte beantragte am 13. November 1989 bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines 30 m hohen Antennenmastes auf seinem Grundstück Nr. 273/2, EZ 526, KG S. Mit Bescheid vom 2. Juli 1992 erteilte die genannte Behörde die beantragte Baubewilligung. Die damit verbundenen Auflagen standen in keinem Zusammenhang mit allenfalls vom Bauwerk ausgehenden Strahlen. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen, die insbesondere Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Hochfrequenzstrahlen betrafen, wurden unter Hinweis auf Gutachten von Amtssachverständigen für das Funkwesen, Umweltschutztechnik, Elektrotechnik und auch ein medizinisches Amtssachverständigengutachten abgewiesen, weil durch die Errichtung und den Betrieb des Mastes keine Gesundheitsgefährdung bewirkt werden könne.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die von der Erstbehörde eingeholten Gutachten ließen keinen Zweifel daran, daß durch den Betrieb der geplanten Sendeanlage eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Anrainerschaft auszuschließen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift, auf welche die Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer Beweismittel replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist auf die Frage einzugehen, ob für die Bewilligung des gegenständlichen Bauwerkes die Baubehörde zuständig ist, weil das Vorhaben jedenfalls auch die Merkmale einer Fernmeldeanlage aufweist. Gemäß § 1 Fernmeldegesetz BGBl. Nr. 170/1949 (im folgenden: FMG; das FMG 1993 trat erst am 1. Jänner 1994 in Kraft) sind Fernmeldeanlagen alle technischen Anlagen zur Übertragung, Aussendung oder zum Empfang von Zeichen, Schriften, Bildern, Schallwellen oder Nachrichten jeder Art, sei es auf dem Draht- oder Funkweg, auf optischem Weg oder mittels anderer elektromagnetischer Systeme. Diese Definition ist durch den Kompetenztatbestand "Telegraphen- und Fernsprechwesen" des Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG im Versteinerungszeitpunkt gedeckt (VfSlg. 2720). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, Slg. Nr. 13.563/A, und vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0055, mit der Abgrenzung des Kompetenztatbestandes "Fernmeldewesen" zu den von den Baubehörden zu vollziehenden Angelegenheiten befaßt und kam zum Ergebnis, daß (bei Beurteilung einer baulichen Anlage gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 Nö Bauordnung 1976, LGBl. 8200-6; im folgenden: BO) der Bewilligungspflicht der Fernmeldeanlage nach dem Fernmeldegesetz die Festsetzung einer zusätzlichen Bewilligungspflicht durch die Baubehörde betreffend die in deren Kompetenz fallenden Gesichtspunkte nicht entgegensteht. Bei den Bestimmungen der §§ 92 Abs. 1 Z. 2 und 100 Abs. 2 BO handle es sich um unter dem Gesichtspunkt des Ortsbildschutzes und der Ortsbildgestaltung erlassene Regelungen auf dem Gebiet des Baurechtes, zu deren Erlassung die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG gegeben sei. Auch anläßlich der Erteilung der Widmungsbewilligung zur Schaffung eines Bauplatzes zur Errichtung einer Fernsehsendestation mit einem 45 m hohen Antennenmast stand die Frage der Kompetenz der Baubehörde zur Erteilung der Baubewilligung nicht in Diskussion (hg. Erkenntnis vom 13. April 1989, Zl. 86/06/0215, ergangen zur Steiermärkischen Bauordnung).

Allerdings schritten im vorliegenden Fall nicht die in § 116 Abs. 1 und 2 BO genannten Baubehörden ein, sondern es entschied über das Ansuchen die Bezirkshauptmannschaft, über die Berufung der Landeshauptmann.

Gemäß § 116 Abs. 5 BO obliegt bei bundeseigenen, öffentlichen Zwecken dienenden Gebäuden die Vollziehung dieses Gesetzes in erster Instanz der Bezirkshauptmannschaft, in Städten mit eigenem Statut dem Magistrat, und in zweiter Instanz dem Landeshauptmann. Diese Bestimmung entspricht der Anordnung des Art. 15 Abs. 5 B-VG, welche Bestimmung lautet:

Soweit Akte der Vollziehung in Bausachen bundeseigene Gebäude betreffen, die öffentlichen Zwecken, wie der Unterbringung von Behörden und Ämtern des Bundes oder von öffentlichen Anstalten - darunter auch Schulen und Spitälern - oder der kasernenmäßigen Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten dienen, fallen diese Akte der Vollziehung in die mittelbare Bundesverwaltung; der Instanzenzug endet beim Landeshauptmann. Die Bestimmung der Baulinie und des Niveaus fällt jedoch auch in diesen Fällen in die Vollziehung des Landes."

Die Anwendung beider Bestimmungen hat aber die Errichtung eines "Gebäudes" zur Voraussetzung, was letztlich auch aus der beispielsweisen Aufzählung im Art. 15 Abs. 5 B-VG erhellt. Aus der Darstellung im § 2 Z. 5 BO (in der hier im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung noch anwendbaren Fassung; LGBl. 8200-9 trat erst am 26. Mai 1993 in Kraft) kann nicht geschlossen werden, daß es sich beim gegenständlichen Antennenmast um ein "Gebäude" gehandelt hätte; § 2 Z. 5 BO stellt "Gebäude" (Haus, Stall, Hütte, Scheune, Mobilheim, Traglufthalle) anderen Bauwerken (Stütz- und Einfriedungsmauer, Tiefgarage, Keller) und sonstigen baulichen Anlagen (z.B. Kanalstrang, Brunnen, Schächte, Senkgrube, Blitzableiter) gegenüber. Danach mag das vorliegende Vorhaben eine sonstige bauliche Anlage bilden, es liegt aber mit Sicherheit kein Gebäude vor. Aus dem vorliegenden Plan ist deutlich ersichtlich, daß ein offener Stahlgittermast errichtet werden soll, der keine Wände und kein Dach hat.

Die Bezirkshauptmannschaft war also zur Behandlung des an sie gerichteten Bauansuchens unzuständig; sie hätte es gemäß § 6 AVG an den zuständigen Bürgermeister weiterleiten müssen. Der Landeshauptmann war als Berufungsbehörde allein dafür zuständig, diese sachliche Unzuständigkeit aufzugreifen, den bekämpften Bescheid zu beheben und das Ansuchen an die zuständige Behörde weiterzuleiten (Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 547). Die Nichtbeachtung der Zuständigkeitsnormen, die eine erste Instanz als unzuständig erscheinen lassen, durch die zweite Instanz, die über das Rechtsmittel jedenfalls zu entscheiden hatte, ist formell gesehen eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes; materiell gesehen handelt es sich um eine Zuständigkeitsfrage. Daher hat der Verwaltungsgerichtshof vor dem Beschwerdevorbringen die Frage zu prüfen, ob die Zuständigkeit der einschreitenden erstinstanzlichen Behörde gegeben war (hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1967, Zl. 562/66).

Infolge Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Aus prozeßökonomischen Gründen wird noch darauf hingewiesen, daß sich in Niederösterreich ein Immissionsschutz in erster Linie aus den einzelnen Widmungs- und Nutzungskategorien des Flächenwidmungsplanes im Sinne des ROG (§ 100 Abs. 2 BO) ergibt (hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1990, Zl. 86/05/0144). Sollte die hier behauptete Sonderwidmung keinen Immissionsschutz gewähren, käme nur ein Anspruch des Nachbarn auf Vorkehrungen gemäß § 62 Abs. 2 BO in Betracht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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