VwGH 94/12/0004

VwGH94/12/000414.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des W in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 4. November 1993, Zl. 238.404/23-III/15/93, betreffend Anrechnung eines Karenzurlaubes, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §75 Abs3 Z1;
BDG 1979 §75 Abs3;
BDG 1979 §75 Abs3 Z1;
BDG 1979 §75 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Mittelschulprofessor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Bundesgymnasium XY.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das im ersten Rechtsgang am 23. Juni 1993 beschlossene Erkenntnis Zl. 93/12/0106 hingewiesen, mit dem der seinerzeit angefochtene Bescheid über die Berücksichtigung des Karenzurlaubes im Schuljahr 1991/92 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden ist.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid wurde wie folgt abgesprochen:

"Ihr Antrag vom 18. November 1992, welchen Sie mit Schreiben vom 1. Oktober 1993 samt Beilagen an den Landesschulrat für Vorarlberg ergänzt haben, auf Grund Ihres Antrages vom 12. Juni 1992 unter Anwendung der Bestimmungen des § 75 Absatz 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 den Ihnen mit ho. Bescheid vom 23. August 1991, Zahl 238.404/9-III/18/91, für die Zeit vom 9. September 1991 bis 13. September 1992 (Schuljahr 1991/92) gewährten Karenzurlaub zur Gänze für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, zu berücksichtigen, wird gemäß § 75 Absatz 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/79, in der geltenden Fassung, abgelehnt."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des § 75 Abs. 3 BDG 1979 ausgeführt, nur "andere als private Interessen" im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 seien öffentliche Interessen im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf Slg. Nr. 7913/A). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme diesem Begriff normativer Charakter zu, das bedeute, daß das öffentliche Interesse aus der jeweiligen Norm begründet werden müsse. Das BDG 1979 als maßgebliche Norm regle das Dienstrecht der in einem öffentlich-rechtlichen Bundesdienstverhältnis stehenden Lehrer. Nach Auffassung der belangten Behörde setze die Tätigkeit als Geschäftsführer einer Volkshochschule nicht voraus, daß der Betreffende Bundeslehrer sei; die während der Ausübung dieser Tätigkeit gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse dienten nicht dazu, nach Beendigung des Urlaubes für eine als im Interesse des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers gelegene erfolgreichere Unterrichtstätigkeit in den Gegenständen, für die der Beschwerdeführer die Lehrbefähigung besitze und in denen er unterrichte (Deutsch und Geschichte), verwertet werden zu können. Die belangte Behörde weise ferner darauf hin, daß im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff "öffentliches Interesse" dieser im § 8 Abs. 2 Z. 2 des Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetzes mit der Ausübung von Tätigkeiten auf dem Unterrichtsgebiet des Lehrers, die pädagogische Praxis voraussetzten und mit der Gewinnung von Erfahrungen verbunden seien, die eine positive Rückwirkung auf die konkrete Unterrichtsarbeit des Lehrers erwarten ließen, umschrieben worden sei. Die "Gesetzesmaterialien zu diesen Bestimmungen (RV 814, Seiten 37 und 38)" würden ausdrücklich vorsehen, daß z.B. die leitende administrative Tätigkeit als Leiter einer Volkshochschule dem § 8 Abs. 2 Z. 3 des Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetzes zu subsumieren sei, demnach dieser Tätigkeit kein öffentliches Interesse beigemessen werden könne. Alle vom Beschwerdeführer in seinem Schreiben an den Landesschulrat für Vorarlberg vom 1. Oktober 1993 und den angeschlossenen Beilagen angeführten Tätigkeiten als Geschäftsführer der Volkshochschule XY hätten entweder nichts oder nur am Rande mit seinen Unterrichtsgebieten Deutsch und Geschichte zu tun. Eine Tätigkeit auf dem Unterrichtsgebiet des Lehrers "mit konkretem Rückfluteffekt" für die vom Lehrer unterrichteten Unterrichtsgegenstände sei jedoch Voraussetzung für das "öffentliche Interesse", das bedeute das Interesse des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers im Sinne der vorherigen Ausführungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 75 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), kann dem Beamten auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Die Zeit des Karenzurlaubes ist nach Abs. 2 der genannten Bestimmung für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes - so Abs. 3 der genannten Bestimmung - andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht in vollem Umfang eintreten.

Die Möglichkeit einer Lehrpflichtermäßigung ist im § 8 Abs. 2 des Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetzes, BGBl. Nr. 244/1965, wie folgt geregelt:

In der bis 31. August 1993 geltenden Fassung:

"Die Lehrverpflichtung kann auf Ansuchen des Lehrers herabgesetzt werden (Lehrpflichtermäßigung). Eine Lehrpflichtermäßigung ist nur im öffentlichen Interesse - sofern dies unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse des Unterrichts möglich ist - oder aus gesundheitlichen Gründen, die in der Person des Lehrers liegen, zulässig; in letzterem Fall darf die Ermäßigung nicht mehr als die Hälfte des Ausmaßes der Lehrverpflichtung betragen."

In der ab 1. September 1993 geltenden Fassung (Art. VIII, BGBl. Nr. 873/1992):

"Die Lehrverpflichtung kann auf Ansuchen des Lehrers herabgesetzt werden (Lehrpflichtermäßigung). Eine Lehrpflichtermäßigung ist nur zulässig:

  1. 1. aus gesundheitlichen Gründen, die in der Person des Lehrers liegen, oder
  2. 2. im öffentlichen Interesse zur Ausübung von Tätigkeiten auf dem Unterrichtsgebiet des Lehrers, die pädagogische Praxis voraussetzen und mit der Gewinnung von Erfahrungen verbunden sind, die eine positive Rückwirkung auf die konkrete Unterrichtsarbeit des Lehrers erwarten lassen, oder
  3. 3. zur Ausübung anderer der Aufgabe der österreichischen Schule gemäßen Tätigkeiten auf kulturellem, sozialem, religiösem, sportlichem oder wissenschaftlichem Gebiet, wenn dem Bund, von der Einrichtung, für die der Lehrer tätig wird, Ersatz nach Abs. 7 geleistet wird."

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in nachstehenden Rechten verletzt:

Er weist insbesondere darauf hin, daß er auf Grund politischer Zusagen ab 1. Oktober 1986 jeweils für die Dauer eines Schuljahres der Volkshochschule XY zur Dienstleistung zugewiesen worden sei. Diese Vorgangsweise habe im Hinblick auf "die angespannte Lage auf dem Planstellensektor" nicht beibehalten werden können. Es sei ihm vielmehr auf sein Ansuchen vom 2. August 1991 gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 ein Karenzurlaub für das Schuljahr 1991/92 gewährt worden, dessen Vollanrechnung ihm nun im fortgesetzten Verfahren neuerlich abgelehnt werde, ohne daß das erforderliche Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Finanzen hergestellt worden sei.

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend macht, so ist ihm entgegenzuhalten, daß nur eine positive Entscheidung der Zustimmung des Bundeskanzlers bzw. des Bundesministers für Finanzen bedarf. Wenn keine Zustimmung erforderlich ist, weil die belangte Behörde wie vorliegendenfalls bereits das Zutreffen der Tatbestandsvoraussetzungen verneint, kann die Nichtbefassung der zustimmungsberechtigten Ressorts keinesfalls eine Unzuständigkeit der obersten Dienstbehörde bewirken.

Voraussetzung für die vom Beschwerdeführer beantragte Berücksichtigung der Zeit des genannten Karenzurlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, ist nach § 75 Abs. 3 BDG 1979,

  1. 1. daß für die Gewährung des Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend sind UND
  2. 2. daß berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen.

Die belangte Behörde stützt ihre ablehende Entscheidung auf die erstgenannte Voraussetzung und setzt diese mit dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Karenzierung inhaltlich gleich. Eine derartige Aussage hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 75 Abs. 3 BDG 1979 bisher nicht getroffen. Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, daß das in der Begründung genannte Erkenntnis vor Jahrzehnten zum Luftfahrtrecht ergangen ist. Die eine andere Interessenslage ausschließende Bildung eines Gegensatzpaares zwischen privaten und öffentlichen Interessen wäre nach dem Wortlaut des § 75 Abs. 3 BDG 1979 nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann berechtigt, wenn die öffentlichen Interessen im weitesten Sinne als umfassendes Gegenteil von privaten Interessen verstanden werden; anders betrachtet also dann, wenn alle denkbaren Interessen, die nicht private sind, als öffentliche Interessen gewertet werden.

Dementgegen geht die belangte Behörde aber von einem inhaltlich sehr beschränkten Begriff des öffentlichen Interesses aus. Sie vermeint unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 2 BLVG in der ab 1. September 1993 geltenden Fassung, daß ein öffentliches Interesse nur dann gegeben wäre, wenn es sich um Tätigkeiten im Unterrichtsgebiet des Lehrers handelt, aus denen positive Rückwirkungen auf seine Unterrichtsarbeit zu erwarten seien. Abgesehen davon, daß aus der Neufassung des BLVG kein Rückschluß für die Auslegung des § 75 BDG 1979 für Zeiträume gewonnen werden kann, die vor dem Inkrafttreten dieser Novelle (1. September 1993) liegen, überzeugt diese Auslegung auf Grund folgender Überlegungen nicht: in bezug auf das Gegensatzpaar "öffentlich : privat" würde dies nämlich bedeuten, daß alle anderen denkbaren Interessen, die nicht diesem Erfordernis entsprechen, also dann private Interessen des Beschwerdeführers sein müßten. Daß eine derartige Ausweitung der "privaten Interessen" rechtlich nicht zutreffend sein kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Im übrigen verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seine im Erkenntnis vom 23. Juni 1993, Zl. 89/12/0200, zu der dem § 75 Abs. 3 BDG 1979 vergleichbaren Bestimmung des § 58 Abs. 3 LDG 1984 vertretene Rechtsanschauung, nach der "andere als private Interessen des Landeslehrers" nicht mit öffentlichem Interesse (in dem von der Behörde eingeschränkten Begriffsverständnis) gleichgesetzt werden können.

Im Beschwerdefall ist vom Sachverhalt her unbestritten, daß der Beschwerdeführer in dem strittigen Zeitraum Geschäftsführer der Volkshochschule XY war. Weiters ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen in Verbindung mit den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, daß der Beschwerdeführer zur Ausübung dieser Funktion beginnend mit 1986 "dienstzugeteilt" war und für das Schuljahr 1990/91 eine Lehrpflichtermäßigung erhalten hatte.

Für die im Beschwerdefall wesentliche Frage, ob andere als private Interessen des Beamten an der Gewährung des Karenzurlaubes maßgebend waren, ergibt sich aus den genannten personalrechtlichen Konstruktionen entgegen der Auffassung der belangten Behörde nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes schon Bedeutsames. Auch wenn der belangten Behörde beizupflichten ist, daß die erfolgte "Dienstzuteilung" des Beschwerdeführers mangels Dienststelleneigenschaft der Volkshochschule XY nicht dem Gesetz entsprochen hat und daher rechtswidrig war, gibt es doch keine Indikatoren dafür, daß diese Rechtswidrigkeit im Hinblick auf private, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Umstände von der Behörde in Kauf genommen worden wäre. Der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegte Schriftwechsel deutet vielmehr auf ein öffentliches Interesse an der Besetzung des genannten Postens bei der Volkshochschule XY hin. Die Lehrpflichtermäßigung für das Schuljahr 1990/91 muß auf Grundlage des § 8 Abs. 2 BLVG in der bis 31. August 1993 geltenden Fassung gewährt worden sein. Nach dieser durfte aber eine solche Lehrpflichtermäßigung nur IM ÖFFENTLICHEN INTERESSE oder aus gesundheitlichen, in der Person des Lehrers gelegenen Gründen gewährt werden. Dafür, daß letzteres der Fall gewesen wäre, gibt es keine Anzeichen.

Auch unter Berücksichtigung dieser Faktoren kann der Verwaltungsgerichtshof die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Rechtsauffassung der belangten Behörde, es seien mangels eines öffentlichen Interesses an der Karenzierung des Beschwerdeführers lediglich private Interessen des Beschwerdeführers für seine Karenzierung zur Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer der Volkshochschule XY maßgebend gewesen, nicht teilen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte