VwGH 94/08/0035

VwGH94/08/003510.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der X-Bank reg.Gen.m.b.H. in M, vertreten durch den Rechtsanwalt G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 3. Jänner 1994, Zl. VII/2-5662/4-1993, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, St. Pölten,

Dr. Karl Renner-Promenade 14-16), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §33 Abs1;
ASVG §34 Abs1;
ASVG §34 Abs2;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §68 Abs1;
VwRallg;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §34 Abs1;
ASVG §34 Abs2;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §68 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. April 1993 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß die Provisionen, die den in den Beitragsgrundlagennachweisen für 1989 bis 1991 aufgelisteten Dienstnehmern der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Abschluß von Bauspar- und Versicherungsverträgen zugeflossen seien, beitragspflichtiges Entgelt darstellten und die Beschwerdeführerin daher verpflichtet sei, die daraus resultierenden Beiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt S 349.989,19 zu entrichten. Begründend wurde ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 90/08/0004, die Rechtsmeinung einer Gebietskrankenkasse, wonach die von den Dienstnehmern einer Bank aufgrund der von ihnen vermittelten Bauspar- und Versicherungsverträge vereinnahmten Provisionen beitragspflichtiges Entgelt darstellten, bestätigt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei es auch im gegenständlichen Fall als nicht zweifelhaft anzusehen, daß die Tätigkeit der bei ihr beschäftigten Angestellten im Zusammenhang mit der Vermittlung von Bauspar- und Versicherungsverträgen auch ihre betrieblichen Interessen fördere (Kundenpflege). Bezeichnend hiefür sei u.a., daß die betreffenden Leistungen beworben und den Dienstnehmern für ihre Aktivitäten Betriebseinrichtungen sowie die Arbeitszeit zur Verfügung gestellt würden. Da nicht angenommen werden könne, daß ein Unternehmer solche Möglichkeiten einem Dritten für dessen ausschließliches Interesse einräume, sei zwangsläufig auf das betriebliche Interesse zu schließen.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wandte die Beschwerdeführerin ein, sie habe - anders als in dem dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrundeliegenden Fall - für den Abschluß von Bauspar- und Versicherungsverträgen durch ihre Mitarbeiter bzw. Dienstnehmer keinerlei Provisionen vereinnahmt. Es bestehe absolut keine Einflußnahme auf die Vermittlungstätigkeit durch sie. Es lägen daher auch keine wie immer geführten Aufzeichnungen über eine Vermittlungstätigkeit vor. Die Vermittlungsgeschäfte liefen nicht über die Beschwerdeführerin, sondern würden direkt zwischen der Allgemeinen Bausparkasse und dem jeweiligen Vermittler abgewickelt. Selbstverständlich spreche sich die Beschwerdeführerin nicht gegen eine solche Vermittlungstätigkeit aus, ein Eigeninteresse und ein betriebsbezogenes Leistungsinteresse liege jedoch sicherlich nicht vor. Hiezu sei festzuhalten, daß gerade in unserer Zeit angesichts des erhöhten Kostenbewußtseins der Banken ein Eigeninteresse des Kreditinstitutes am deutlichsten durch Provisionszahlungen direkt an die Bank als Dienstgeber erkennbar wäre. Eine anders geartete Förderung des betriebsbezogenen Leistungsinteresses sei der Beschwerdeführerin nicht bewußt und bekannt. Weiters träfen im Beschwerdefall auch die in dem genannten Erkenntnis weiter angeführten Entscheidungsgrundlagen nicht zu. Es würden weder Kosten für Schulungen noch Reise- oder Werbekosten für die Mitarbeiter von der Beschwerdeführerin getragen. Mangels eines hinreichenden Kausalzusammenhanges zwischen den Leistungen ihrer Dienstnehmer und den Bezügen von der Allgemeinen Bausparkasse sei eine Zurechnung der letzteren zum Entgelt nach § 49 Abs. 1 ASVG unbegründet. In eventu sei aber die Vorschreibung von Beiträgen für das Jahr 1989 infolge eingetretener Verjährung unbegründet, da diesbezüglich noch die zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung vor der 50. Novelle zur Anwendung gelange.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - das erforderliche Leistungsinteresse und damit auch der Kausalzusammenhang bereits dadurch gegeben sei, daß die betreffenden Leistungen beworben worden und den Dienstnehmern für ihre Aktivitäten die Betriebseinrichtungen und die Arbeitszeit zur Verfügung gestellt worden seien. Es sei auch im allgemeinen nicht davon auszugehen, daß ein Unternehmer die Nutzung seiner betrieblichen Einrichtungen und die Inanspruchnahme seiner Dienstnehmer in deren Dienstzeit einem Dritten in dessen ausschließlichem Interesse und ohne Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis gestatte. Diese Fakten stellten vielmehr ein gewichtiges Indiz für ein betriebsbezogenes Eigeninteresse dar. Im Hinblick darauf seien folgerichtig die strittigen Bezüge "aufgrund des Dienstverhältnisses" gewährt worden, woraus sich deren Entgeltcharakter ergebe. Was die Einspruchsausführungen hinsichtlich der Beiträge für 1989 anlange, sei sich die belangte Behörde durchaus der Tatsache bewußt, daß Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes nicht immer umgehend der breiten Öffentlichkeit bekannt würden. Allerdings sei durch die interne Kommunikation im Bankenbereich zweifellos bekannt gewesen, daß die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bereits im Jahre 1988 Vermittlungsprovisionen als beitragspflichtiges Entgelt erachtet habe. Im übrigen sei im Dezember 1991 ein entsprechendes Rundschreiben der Allgemeinen Bausparkasse an alle Volksbanken ergangen, in dem ganz konkret auf die Auswirkungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991 aufmerksam gemacht worden sei. Daraus folge, daß die Beschwerdeführerin spätestens im Dezember 1991 die erforderlichen Veranlassungen hinsichtlich der Abrechnung der Beiträge hätte treffen bzw. mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse hätte Verbindung aufnehmen müssen. Da diesbezüglich keinerlei Schritte gesetzt worden seien, sei die Beschwerdeführerin seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 9. März 1992 schriftlich gebeten worden, die Beitragsabrechnung für sämtliche betroffenen Dienstnehmer rückwirkend ab dem Jahre 1989 durchzuführen. Die vorstehenden Ausführungen ließen erkennen, daß die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Abrechnung der auf die Vermittlungsprovisionen entfallenden Beiträge nicht die entsprechende Sorgfalt habe walten lassen, weshalb die Anwendung der 5-jährigen Verjährungsfrist gerechtfertigt sei. Die erst ab 1. Jänner 1992 geltende Verjährungsfrist von 3 Jahren sei im Beschwerdefall nicht herangezogen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit allen im Beschwerdefall relevanten Fragen bereits ausführlich in seinen Erkenntnissen vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0149, Zl. 93/08/0176 und Zl. 93/08/0177, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, befaßt.

Unter Bedachtnahme auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstzitierten Erkenntnis ist es nicht rechtsirrig, wenn die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und ihr folgend die belangte Behörde die Beitragspflicht der strittigen Provisionen schon deshalb bejaht hat, weil die Beschwerdeführerin der bezüglichen Tätigkeit ihrer Dienstnehmer im Rahmen ihres Betriebes zugestimmt und hiefür ihre Einrichtungen sowie die Dienstzeit ihrer Angestellten zur Verfügung gestellt hat. Auch im vorliegenden Fall hat sich die Beschwerdeführerin, wie sie im Einspruch ausführte, "selbstverständlich" nicht gegen die Vermittlungstätigkeit ausgesprochen, sie vielmehr - nach dem Beschwerdevorbringen - als "Serviceeinrichtung" für ihre Kunden betrachtet.

Hingegen ist die Frage der Verjährung des Feststellungsrechtes hinsichtlich der vor dem 31. Dezember 1989 fällig gewordenen Beiträge für solche Provisionen noch keiner abschließenden Beurteilung zugänglich. Die Beantwortung dieser Frage hängt nach den Ausführungen der Erkenntnisse vom 22. März 1994, Zl. 93/08/0176 und Zl. 93/08/0177, davon ab, ob der Beschwerdeführerin schon vor den Zeitpunkten, zu denen hinsichtlich dieser Provisionen Meldungen im Sinne des § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 ASVG zu erstatten waren oder erstattet wurden, von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die nunmehrige Rechtsauffassung über die Beitragspflicht auch dieser Provisionen mitgeteilt wurde. Ohne eine solche Mitteilung bestand grundsätzlich keine Erkundigungspflicht im Sinne der in den genannten Erkenntnissen dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Sie wurde - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch nicht durch ein bloßes Bekanntwerden des Umstandes, daß die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse bereits im Jahre 1988 Vermittlungsprovisionen als beitragspflichtiges Entgelt erachtet habe, ausgelöst. Hiefür ist vielmehr entscheidend, welchen Inhalt die diesbezügliche "interne Kommunikation im Bankenbereich" hatte.

Da eine ziffernmäßige Trennung der nach den obigen Ausführungen möglicherweise verjährten von den unverjährten Beiträgen nicht möglich ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr.104/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil einerseits nach den §§ 48 Abs. 1 Z. 2 und 49 Abs. 2 VwGG als Ersatz für den Schriftsatzaufwand nur der in der genannten Verordnung festgesetzte Pauschbetrag von S 11.120,-- und nicht der von der Beschwerdeführerin begehrte Betrag von S 15.000,-- zuzüglich eines davon errechneten Betrages an Umsatzsteuer zusteht, und andererseits wegen der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) Stempelgebühren nicht zu entrichten waren.

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