VwGH 94/07/0097

VwGH94/07/009728.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des J in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. Mai 1994, Zl. IIIa1-12.680/9, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1993, 93/07/0100, verwiesen.

Der nunmehrigen Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Eingabe vom 6. Dezember 1993 stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz (BH) den Antrag, das mit dem im vorgenannten hg. Erkenntnis überprüften Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juni 1993 rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsverfahren wiederaufzunehmen. Der Beschwerdeführer brachte dazu vor, aus Anlaß einer Vorsprache am 23. November 1993 beim Wasserrechtsreferenten der BH und schließlich durch die Aushebung von Unterlagen im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirk Lienz am 29. November 1993 feststellen haben zu können, daß ein Zufluß zum Tristacher See bereits im Bescheid der BH vom 15. Dezember 1933 als öffentliches Gewässer behandelt worden sei, weshalb der Tristacher See somit auch von einem öffentlichen Gewässer durchflossen werde und im Grunde der §§ 2 Abs. 1 lit. c und 3 Abs. 1 lit. d WRG 1959 somit selbst ein öffentliches Gewässer sei. Da es sich dabei um eine verrohrte Zuleitung zum Tristacher See handle, sei ihm dies nicht ohne weiteres erkennbar gewesen, weshalb von keiner schuldhaften Unkenntnis dieses Umstandes seinerseits gesprochen werden könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Antrag gemäß § 69 Abs. 1 "lit. b" (gemeint: "Z. 2") und Abs. 4 AVG keine Folge. Nach Feststellung, daß die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Aushebung der Wasserbuchunterlagen vom zuständigen Referenten der BH bestätigt worden seien, legte die belangte Behörde begründend dar, daß nicht davon ausgegangen werden könne, daß der als neu hervorgekommenes Beweismittel ins Treffen geführte Wasserrechtsbescheid der BH vom 15. Dezember 1933 ohne Verschulden des Beschwerdeführers im Hauptverfahren nicht geltend hätte gemacht werden können. Der von Beginn an rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer habe wissen müssen, daß dem Umstand, ob ein Zubringer zum Tristacher See schon vor dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes 1934 als öffentliches Gewässer behandelt wurde, eine entscheidende Bedeutung zukomme. Die angeblich neu hervorgekommene Urkunde sei im Wasserbuch evident; bei diesem handle es sich um ein öffentliches Register, welches jedermann zugänglich sei. Die vom Beschwerdeführer nunmehr ins Treffen geführten Unterlagen seien schon im Zeitpunkt seines ersten Antrages zur öffentlichen Einsichtnahme im Wasserbuch aufgelegen. Wenn es der Beschwerdeführer trotz des ausdrücklichen Hinweises im erstinstanzlichen Bescheid, daß der Tristacher See dann ein öffentliches Gewässer wäre, wenn er von einem anderen öffentlichen Gewässer gespeist oder durchflossen wäre, nicht der Mühe wert gefunden habe, zumindestens zur Erhebung der Berufung zweckdienliche Nachforschungen im Wasserbuch anzustellen, dann könne die Unterlassung einer Geltendmachung dieses Beweismittels im Hauptverfahren nicht als unverschuldet angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt; der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens und in Verfahrensrechten als verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Daß die neuen Tatsachen oder Beweismittel im Hauptverfahren nicht berücksichtigt werden konnten, darf bei der Wiederaufnahme auf Antrag einer Partei somit nicht auf deren Verschulden zurückzuführen sein, ohne daß es darauf ankäme, welchen Grad ein solches der Partei zuzumessendes Verschulden hat (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 89ff zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Wie der im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1993, 93/07/0100, wiedergegebenen Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Hauptverfahren entnommen werden kann, hatte die BH mit ihrem im Hauptverfahren ergangenen Bescheid vom 20. Jänner 1993 den Antrag des Beschwerdeführers auf bescheidmäßige Feststellung, daß der Tristacher See ein öffentliches Gewässer sei, u.a. mit der Begründung keine Folge gegeben, daß der Tristacher See nicht von einem öffentlichen Gewässer gespeist oder durchflossen werde, weil den einzigen Zufluß zu ihm der Abfluß vom sogenannten Alten See bilde, bei welchem es sich um ein Privatgewässer handle. Weshalb der Beschwerdeführer die erst nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens unternommenen Nachforschungen im Wasserbuch nicht spätestens zum Zeitpunkt der Erstattung seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid im Hauptverfahren angestellt hat, vermochte der Beschwerdeführer im nunmehrigen Verwaltungsverfahren nicht einleuchtend zu erklären. Wurde ihm die Bedeutsamkeit der Frage eines Zuflusses eines öffentlichen Gewässers in den Tristacher See für die von ihm begehrte Feststellung doch spätestens mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides im Hauptverfahren in einer Weise und mit einer Deutlichkeit vor Augen geführt, die es wenig verständlich erscheinen läßt, die diesbezüglichen Feststellungen der Erstbehörde nicht schon damals der von seiner Interessenslage her gebotenen Überprüfung unterzogen zu haben. Wenn die vom Beschwerdeführer im Wasserbuch nunmehr aufgefundene Urkunde deswegen nicht im Hauptverfahren von ihm geltend gemacht werden konnte, weil er es unterließ, die der Sachlage nach im Sinne zweckentsprechender Rechtsverfolgung gebotenen Nachforschungen im Wasserbuch anzustellen, dann kann der Beschwerdeführer der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid, es sei ihm daran ein Verschulden anzulasten, nicht mit Erfolg entgegentreten.

Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf die behördliche Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung und sein Vertrauen in die Richtigkeit behördlicher Sachverhaltsfeststellungen. Sollte die Behörde im Hauptverfahren ihrer Ermittlungspflicht nicht in der gebotenen Weise entsprochen und deshalb einen unrichtigen Sachverhalt festgestellt haben, so konnte dies den Beschwerdeführer von seinen verfahrensrechtlichen Obliegenheiten nicht entbinden. Nicht auf ein Verschulden der Behörde am Ausbleiben gebotener Ermittlungsschritte, sondern auf die Verschuldensfreiheit der Partei in der rechtzeitigen Geltendmachung der für ihren Verfahrensstandpunkt sprechenden Umstände kommt es an, wenn die Frage zu beurteilen ist, ob ein nachträglich ins Treffen geführtes Beweismittel die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Parteienantrag rechtfertigt.

Zu Unrecht auch beklagt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Parteiengehörs im Wiederaufnahmeverfahren. Die von der belangten Behörde angestellten Erhebungen hatten nämlich, wie der Beschwerdeführer selbst einschlußweise zugesteht, nur die Frage der Rechtzeitigkeit seines Wiederaufnahmeantrages im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG zum Gegenstand. Das Ergebnis dieser Erhebungen dem Beschwerdeführer vorzuhalten, hatte die belangte Behörde keinen Anlaß, weil diese Erhebungen ohnehin zur Annahme der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages in Bestätigung der im Wiederaufnahmeantrag genannten Daten geführt hatten. Das zur Erläuterung der Relevanz des in Wahrheit nicht vorgelegenen Verfahrensmangels erstattete Beschwerdevorbringen über die der Vorsprache des Beschwerdeführers bei der BH vorangegangenen Nachforschungen erweist sich als unbeachtlich. Inwieweit die von der belangten Behörde vertretene Rechtsauffassung angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG den Beschwerdeführer "überraschen" konnte, vermag er nicht einleuchtend darzustellen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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