VwGH 94/06/0127

VwGH94/06/012711.8.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der A in U, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. April 1994, Zl. Ve1-550-2172/1-1, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde U, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
BauRallg;
ROG Tir 1972 §15 Abs2;
ROG Tir 1984 §109 Abs1;
ROG Tir 1984 §12 Abs3;
ROG Tir 1984 §31;
ROG Tir 1994 §109 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
AVG §56;
BauRallg;
ROG Tir 1972 §15 Abs2;
ROG Tir 1984 §109 Abs1;
ROG Tir 1984 §12 Abs3;
ROG Tir 1984 §31;
ROG Tir 1994 §109 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 23. Juni 1993 begehrte die Beschwerdeführerin die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Kochhütte mit Heupille auf der GP 4513. Dieses Grundstück ist nach derzeit gültigem Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen, die Beschlußfassung über den Flächenwidmungsplan erfolgte im Jahre 1980.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Oktober 1993 wurde das Bauansuchen der Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung in Verbindung mit § 15 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Berufung hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 1. März 1994 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach den Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 sei für die Errichtung einer Kochhütte eine Sonderflächenwidmung erforderlich.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 26. April 1994 abgewiesen. Begründet wurde dies nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen damit, daß der § 109 des mit 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 eine ausdrückliche Übergangsregelung enthalte; danach gälten die in Flächenwidmungsplänen nach § 10 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 festgelegten Widmungen als Widmungen im Sinne dieses Gesetzes, soweit in den folgenden Absätzen dieser Bestimmung nichts anderes geregelt sei. Das bedeute sohin, daß für die Widmungskategorie "Freiland" ab 1. Jänner 1994 die Regelungen der §§ 41 ff TROG 1994 zur Beurteilung heranzuziehen seien. Nach diesen Bestimmungen habe sohin auch der Gemeindevorstand zu urteilen gehabt. Für ein Bauvorhaben der gegenständlichen Art bedürfe es einer Sonderflächenwidmung für land- und forstwirtschaftliche Gebäude nach § 47 TROG 1994. Da diese geforderte Sonderflächenwidmung nicht vorliege, sei das Bauvorhaben mit Recht wegen Widerspruches zur Flächenwidmung abgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es ist unbestritten, daß das verfahrensgegenständliche Grundstück nach dem derzeit gültigen Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen ist und die Beschlußfassung über diesen Flächenwidmungsplan im Jahre 1980 erfolgte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß den Widmungsbezeichnungen eines Flächenwidmungsplanes stets jener Inhalt zu unterstellen ist, der ihm nach jenen gesetzlichen Bestimmungen zukam, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des jeweiligen Flächenwidmungsplanes in Geltung standen (vgl. die zum Tiroler Raumordnungsgesetz ergangenen Erkenntnisse vom 23. April 1987, Zl.86/06/0081, BauSlg. Nr. 911, vom 9. April 1992, Zl. 91/06/0197, vom 17. Februar 1994, Zl. 93/06/0208 sowie vom 14. April 1994, Zl. 93/06/0140).

Nach dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes geltenden § 15 Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1972, LGBl. Nr. 10/1971 in der Fassung LGBl. Nr. 63/1976, ist im Freiland, ausgenommen auf Sonderflächen, nur die Errichtung von Bauten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe einschließlich der zu diesen Betrieben gehörenden Wohnungen und Wohnräume zulässig. Im Freiland sind überdies Umbauten sowie Zubauten, deren Umfang im Verhältnis zum bestehenden Gebäude gering ist, zulässig.

Die Widmung "Freiland" gilt nach § 109 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgeseztes 1994, LGBl. Nr. 81/1993 (TROG 1994) als Widmung im Sinne des nunmehr geltenden Raumordnungsgesetzes, weil in den (dem § 109 Abs. 1 TROG 1994) folgenden Absätzen hinsichtlich des Freilandgebietes nichts anderes bestimmt ist. (Das TROG 1972 wurde mit der Kundmachung LGBl. Nr. 4/1984 wiederverlautbart und war fortan als Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 - TROG 1984 - zu bezeichnen; sofern § 109 Abs. 1 TROG 1994 auf das TROG 1984 verweist, ist dies daher auch als Verweis auf das TROG 1972 zu verstehen.) Eine derartige Auslegung des § 109 Abs. 1 TROG 1994, die auch schon im zuletzt zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1994 zum Ausdruck gekommen ist, wonach nicht der Inhalt von Flächenwidmungsplänen generell nach dem Begriffsverständnis TROG 1994 zu beurteilen ist, ist verfassungskonform; sie berücksichtigt nämlich, daß die örtliche Raumplanung gemäß Art. 118 Abs. 3 Z. 9 und Abs. 4 B-VG eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ist. Eine andere Auslegung (so die der belangten Behörde), die Bestimmung des § 109 Abs. 1 TROG 1994 sei als Übergangsbestimmung betreffend den Inhalt eines Flächenwidmungsplanes in dem Sinne zu verstehen, daß dadurch Flächenwidmungspläne nunmehr jenen Inhalt hätten, der der entsprechenden Umschreibung zulässiger Nutzungen im TROG 1994 entspricht, ist hinsichtlich eines Freilandgebietes gemäß § 15 TROG 1972 nicht geboten und würde verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl. auch Hauer, Tiroler Baurecht2, Anm. 1 zu § 109 TROG).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht unter Zugrundelegung des § 109 Abs. 1 TROG bezogen auf den Inhalt eines Flächenwidmungsplanes aus dem Jahre 1980, hinsichtlich der Widmung "Freiland" keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtssprechung abzurücken. Wegen der hier möglichen verfassungskonformen Interpretation des § 109 Abs. 1 TROG 1994 sieht er auch keine Veranlassung zu einer diesbezüglichen Antragstellung gemäß Art. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof.

Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß der Inhalt des Flächenwidmungsplanes, der im Jahre 1980 in Kraft trat, am TROG 1994 zu messen sei, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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