Normen
AsylG 1991 §20 Abs2 idF 1994/610;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwGG §42 Abs2;
AsylG 1991 §20 Abs2 idF 1994/610;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwGG §42 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1993 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Jänner 1992 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen "der früheren SFRJ", der am 3. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 5. Dezember 1991 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde, da das Verfahren infolge der Einbringung der Berufung am 12. Februar 1992 am 1. Juni 1992 bei ihr bereits anhängig war, gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 das Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen.
§ 20 Asylgesetz 1991 lautete wie folgt:
"(1) Der Bundesminister für Inneres hat über eine zulässige Berufung in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen.
(2) Der Bundesminister für Inneres hat eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es offenkundig mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat."
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94-10, in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 das Wort "offenkundig" wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips als verfassungswidrig aufgehoben und u. a. ausgeführt:
"4.6. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG unter anderem über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden, mit deren Erlassung der Instanzenzug erschöpft ist, behauptet wird. Gegenstand seiner Entscheidung ist ein letztinstanzlicher Bescheid. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides nur berechtigt, wenn Mängel des Verfahrens vor der Behörde letzter Instanz vorliegen. Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens kann er nur aufgreifen, soferne sie nicht schon von der belangten Behörde aufgegriffen wurden und so zur Mangelhaftigkeit auch des Berufungsverfahrens führen.
Der Bundesminister für Inneres kann als Asylbehörde zweiter und letzter Instanz einen in einem mangelhaften Verfahren ergangenen erstinstanzlichen Bescheid nur aufheben, wenn der Mangel "offenkundig" ist. Er begeht somit keinen Verfahrensfehler, wenn er Verfahrensmängel, die nicht den Grad der Willkür erreichen, unbeachtet läßt. Wenn Verfahrensmängel der ersten Instanz nicht vom Bundesminister für Inneres aufgegriffen werden, bewirken sie somit in der Regel nicht die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, sodaß auch der Verwaltungsgerichtshof sie nicht aufgreifen kann. In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf § 20 Abs. 2 AsylG 1991 entschieden (Erkenntnis vom 21.4.1993, Zlen. 92/01/1121,1122), daß "Fehler des erstinstanzlichen
Verfahrens . . . den Beschwerden nicht zum Erfolg verhelfen
(können), weil die Aufhebung eines Berufungsbescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens voraussetzt".
Das mit "Garantien der Verfassung und Verwaltung" überschriebene Sechste Hauptstück des B-VG, insbesondere aber die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, gebieten ein System des Rechtsschutzes, wonach jede Art von rechtswidrigem Vorgehen einer Verwaltungsbehörde gegenüber dem einzelnen von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes, zumindest aber von einer nach Art. 133 Z. 4 B-VG eingerichteten Kollegialbehörde, überprüfbar sein muß."
Der Verfassungsgerichtshof hielt es mit diesen von der Verfassung vorgegebenen Garantien der Verwaltung für nicht vereinbar, "wenn § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in der oben aufgezeigten Weise Verfahrensverletzungen, die nicht den Grad der Willkür erreichen, im Ergebnis der Überprüfung durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes entzieht".
Weiters wurde in diesem Erkenntnis dargelegt, die Bestimmung des § 41 Abs. 1 VwGG, "wonach der Verwaltungsgerichtshof "den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zu prüfen habe," verstärke "diesen Effekt: Der Verwaltungsgerichtshof hat den im letztinstanzlichen Verfahren festgestellten Sachverhalt nämlich nur dann seiner Entscheidung zugrunde zu legen, wenn dieser in rechtlich einwandfreier Weise, nämlich "ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften" (§ 41 Abs. 1 VwGG 1965) ermittelt wurde. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt (Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG; § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG).
Die Beschränkung der letztinstanzlichen Behörde auf die Ahndung "offenkundiger" Verfahrensmängel der Unterinstanz bewirkt somit die Beseitigung der Möglichkeit der unbeschränkten Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns auch durch den Verwaltungsgerichtshof und ermöglicht es daher der Behörde erster Instanz, sanktionslos (nicht den Grad der Willkür erreichende) Verfahrensfehler, mögen solche auch nur in besonderen Fällen vorliegen, zu begehen und somit in einem Teilbereich nicht "auf Grund der Gesetze" (Art. 18 Abs. 1 B-VG) vorzugehen. Diese Rechtswidrigkeit ist auch entgegen Art. 130 Abs. 1 und Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes entzogen."
Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei. Daraus folgt gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG für den Beschwerdefall, daß der angefochtene Bescheid und das ihm zugrunde liegende Verwaltungsverfahren im Lichte der durch den Entfall des Wortes "offenkundig" bereinigten Rechtslage zu prüfen ist. Die Kundmachung dieses Erkenntnisses erfolgte am 5. August 1994 in BGBl. Nr. 610/1994.
Der Verwaltungsgerichtshof kann im Fall der Aufhebung einer für die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes relevanten Verfahrensbestimmung durch den Verfassungsgerichtshof, die in dem dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren anzuwenden war, die Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes bzw. des zu dessen Erlassung führenden Verwaltungsverfahrens an der bereinigten Rechtslage nicht in gleicher Weise vornehmen wie im Fall der Aufhebung einer materiellen Rechtsvorschrift. Während im letzteren Fall im nachhinein beurteilt werden kann, ob der angefochtene Bescheid der durch die Aufhebung geschaffenen Rechtslage entspricht, kann eine solche Beurteilung im Fall der Aufhebung einer solchen Verfahrensvorschrift nicht gleichermaßen vorgenommen werden. Für eine solche (fiktive) Beurteilung wäre es nämlich erforderlich, anhand der bereinigten Rechtslage zu prüfen, wie das Verwaltungsverfahren unter Annahme der Geltung der sich nunmehr ergebenden Rechtslage abgelaufen wäre. Eine derartige lediglich auf Mutmaßungen stützbare Vorgangsweise wäre jedoch mit der Funktion des Verwaltungsgerichtshofes als Kontrollinstanz, die auch die Rechtmäßigkeit von Bescheiden im Hinblick auf ihr Zustandekommen in einem rechtmäßigen Verfahren zu prüfen hat, nicht vereinbar.
Aus diesem Grunde ist im vorliegenden Zusammenhang, in dem eine Vorschrift, die sich auf die Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes bezieht, vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde, eine Beurteilung eines Beschwerdefalles auf Grund des Asylgesetzes 1991, in welchem dessen § 20 Abs. 2 anzuwenden war, anhand der bereinigten Rechtslage ausgeschlossen. Es kann nach der Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß sich die Anwendung der als verfassungswidrig aufgehobenen Norm für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers als nachteilig erweist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1986, B 518/83).
Schon die daraus resultierende Mangelhaftigkeit bzw. Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit und stellt eine Verletzung von Rechten der beschwerdeführenden Partei dar, welche zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen muß.
Insofern gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem, der mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, erledigt worden ist, vermag doch der davon abweichende Umstand, daß die gegenständliche Beschwerde erst nach erfolgter Kundmachung des maßgeblichen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991) eingebracht wurde, daran nichts zu ändern. Auf die weitere Begründungslinie jenes Erkenntnisses bräuchte daher gar nicht mehr eingegangen zu werden. Der Vollständigkeit halber sei aber bemerkt, daß die darin enthaltenen Ausführungen hinsichtlich der Beschwerdeführern nicht zusinnbaren Geltendmachung anderer als offenkundiger Verfahrensmängel im Berufungsverfahren und der fehlenden Möglichkeit der Bedachtnahme auf derartige Verfahrensmängel durch die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides ebenso vollinhaltlich zutreffen. Der einzige Unterschied demgegenüber besteht darin, daß im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof das Wort "offenkundig" nicht mehr dem Rechtsbestand angehörte und die Auffassung vertreten werden könnte, daß es in einem solchen Fall (zumindest nach Einräumung einer angemessenen Frist) dem Beschwerdeführer zusinnbar (gewesen) wäre, das Unterbleiben des Aufgreifens nicht "offenkundiger" Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch die belangte Behörde konkret zu rügen. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß es sich hiebei um das Vorliegen einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit (mit einem darauf zurückzuführenden bloß sekundären Verfahrensmangel) handelt, weshalb es - anders als bei Vorliegen einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - nicht dem Beschwerdeführer obliegt, die Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln darzutun, und er im Hinblick auf die primär vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene, oben im einzelnen wiedergegebene Begründungslinie des Erkenntnisses zur Zl. 94/19/0435 im übrigen nicht davon ausgehen mußte, daß unter Geltung der bereits bereinigten Rechtslage der Verwaltungsgerichtshof in der Lage wäre, die Frage der Wesentlichkeit derartiger Verfahrensmängel - in dem Sinne, daß beurteilt werden könnte, wie das Verwaltungsverfahren demnach fiktiv abgelaufen wäre - zu prüfen.
Der angefochtene Bescheid war somit gleichermaßen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Auch in diesem Falle wird es daher unbeschadet der übrigen Bestimmungen des Asylgesetzes 1991, insbesondere dessen § 20 Abs. 1, im fortzusetzenden Verwaltungsverfahren jedenfalls auch Aufgabe der belangten Behörde sein, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu einer allfälligen Ergänzung seines Berufungsvorbringens zu bieten.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
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