VwGH 92/01/1121

VwGH92/01/112121.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerden 1. des RG (Zl. 92/01/1121) und 2. der HG mit mj. VG, mj. AG und mj. IG (Zl. 92/01/1122), alle in X, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1992, Zl. 4.238.296/5-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Den durch Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide belegten Beschwerdevorbringen zufolge haben die Beschwerdeführer, ein Ehepaar jugoslawischer Staatsangehörigkeit und albanischer Nationalität, die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Obererösterreich vom 22. August 1991, mit denen festgestellt worden war, bei den Beschwerdeführern lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtlinge nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit ihren Bescheiden vom 17. November 1992 wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Asylgewährung.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden, denen die Beschwerdeführer nicht entgegengetreten sind, hat der Erstbeschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 19. Juli 1991 angegeben, nicht Mitglied einer politischen oder militärischen Organisation gewesen zu sein, und seinen Asylantrag damit begründet, daß er, als er am 20. Juni 1991 in Pristina an einer Demonstration der Demokratischen Partei Kosovos teilgenommen habe, infolge Abwurfs einer "Gasbombe" aus einem Helikopter am linken Bein leichte Verbrennungen erlitten habe. Diese Verletzung sei im örtlichen Krankenhaus behandelt worden. Seine Teilnahme an der Demonstration sei den Behörden weder bekannt geworden noch sei er von der Polizei vorgeladen worden. Am 12. Juni 1991 sei der Erstbeschwerdeführer von der Polizei verständigt worden, daß er sich in einer näher bezeichneten Kaserne zu melden habe. Da er nicht gewillt gewesen sei, für die Serben und gegen seine Landsleute zu kämpfen und in einem sinnlosen Krieg zu sterben, habe er sich entschlossen, sein Heimatland zu verlassen. Im Falle seiner Rückkehr habe er mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen. In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Erstbeschwerdeführer über sein erstinstanzliches Vorbringen hinaus angegeben, er sei schon seit 1981 gemeinsam mit einer verbotenen Organisation gegen Serbien und für eine Teilrepublik Kosovo gewesen. Seit 1991 habe er der Demokratischen Partei angehört. Da er als Reservist zum "Bundesheer" hätte einrücken sollen, sei die Polizei täglich zu ihm nach Hause gekommen und habe nach ihm gefragt. Der Erstbeschwerdeführer habe sich aber bei Nachbarn versteckt gehalten.

Die Zweitbeschwerdeführerin habe bei ihrer ebenfalls am 19. Juli 1991 durchgeführten niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich ausgeführt, sie sei in ihrem Heimatland weder Mitglied einer politischen oder militärischen Organisation gewesen noch sei sie politisch verfolgt worden oder inhaftiert gewesen und könne keine eigenen Ausreisegründe angeben, sondern habe sich lediglich ihrem Gatten angeschlossen. In ihrer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Zweitbeschwerdeführerin ergänzend vorgebracht, die serbische Polizei sei jeden Tag in ihr Haus gekommen und habe ihren Gatten mitnehmen wollen.

Die Versagung von Asyl begründete die belangte Behörde im Fall des Erstbeschwerdeführers zunächst damit, daß er, wäre tatsächlich - wie in seiner Berufung behauptet - die Polizei mehrmals zu ihm nach Hause gekommen, diesen Umstand bereits bei seiner ersten Einvernahme angegeben hätte, sodaß das diesbezügliche Berufungsvorbringen, das in Widerspruch zu seinem ersten Vorbringen stehe, wonach er von der Polizei lediglich aufgefordert worden sei, sich in der angeführten Kaserne zu melden, nicht glaubwürdig sei. Ebenso stünden die Berufungsausführungen über die Mitgliedschaft des Erstbeschwerdeführers bei einer verbotenen Organisation bzw. bei der Demokratischen Partei im Widerspruch zu den Angaben vor der Behörde erster Instanz, denen zufolge er nicht Mitglied einer politischen oder militärischen Organisation gewesen sei. Die Einberufung zum Militärdienst, dessen Verweigerung zu bestrafen eine auf souveränem staatlichen Recht beruhende Maßnahme darstelle, könne nicht als Verfolgung gewertet werden. Die Beweggründe des Erstbeschwerdeführers für die Wehrdienstverweigerung ließen noch keinen Rückschluß auf eine asylrechtlich relevante Verfolgungsmotivation zu.

Wenn auch die belangte Behörde sich bei ihrer Berufungsentscheidung gemäß § 25 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erster Instanz beschränken und sich mit dem Berufungsvorbringen gar nicht hätte auseinandersetzen müssen, ergibt sich daraus, daß die belangte Behörde auch das darüber hinausgehende Berufungsvorbringen auf seine Glaubwürdigkeit geprüft und diese verneint hat, keine Verletzung der Rechte des Erstbeschwerdeführers (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0795).

Entgegen der Auffassung des Erstbeschwerdeführers kann aus der Aufforderung, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Kaserne zu melden, und aus dem Nichtbefolgen dieser Aufforderung individuelle politische Verfolgung nicht abgeleitet werden. Dies ergibt sich daraus, daß - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention gewertet werden kann (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718). Daß aber seine Einberufung zum Militärdienst aus im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 bzw. in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgt wäre bzw. daß aus solchen Gründen eine drohende, allfällige Bestrafung das in einem solchen Fall auch allen anderen Staatsangehörigen drohende Ausmaß übersteigen würde, hat der Erstbeschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718).

Die belangte Behörde hat die als Fluchtgrund geltend gemachte Verletzung, die der Erstbeschwerdeführer im Zuge der Auflösung einer verbotenen Demonstration erlitten habe, deswegen als nicht geeignet angesehen, Verfolgung oder begründete Furcht vor einer solchen darzutun, weil Beschränkungen des Demonstrationsrechtes keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darstellten und der Erstbeschwerdeführer selbst angegeben habe, daß ihm aus der Demonstrationsteilnahme - mit Ausnahme der Fußverletzung im Zuge der Demonstrationauflösung - keine negativen Konsequenzen erwachsen seien. Mit dieser Argumentation steht die belangte Behörde im Einklang mit der hg. Rechtssprechung, derzufolge selbst im Zusammenhang mit der Teilnahme an Demonstrationen stehende Anhaltungen oder Festnahmen, wenn diese ohne weitere Folgen bleiben, nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention qualifiziert werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0102). Aus der bei diesem Anlaß erlittenen Verletzung, die dem Erstbeschwerdeführer - wie aus seinen Angaben hervorgeht - nicht in der Absicht, ihn als der Behörde bekannte Einzelperson zu treffen, sondern zufällig zugefügt wurde, hat die belangte Behörde zu Recht individuelle gegen ihn gerichtete Verfolgung nicht abgeleitet.

Das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, sie sei deswegen aus ihrem Heimatland ausgereist, weil sie sich ihrem Gatten angeschlossen habe, hat die belangte Behörde zu Recht nicht als Grund für die Gewährung von Asyl angesehen. Soweit die Zweitbeschwerdeführerin nunmehr in ihrer Beschwerde geltend macht, die belangte Behörde hätte davon ausgehen müssen, daß die vom Erstbeschwerdeführer vorgebrachte politische Verfolgung zwangsläufig auch auf sie Auswirkungen gehabt hätte, ist sie darauf hinzuweisen, daß, da - wie dargelegt - die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers verneint hat, Auswirkungen - einer eben nicht vorliegenden Verfolgung - auf die Zweitbeschwerdeführerin von vornherein ausscheiden.

Der Hinweis der Zweitbeschwerdeführerin auf § 4 Asylgesetz 1991, demzufolge die Gewährung von Asyl auf Antrag auf die ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kinder und den Ehegatten auszudehnen ist, geht ins Leere, weil die Zweitbeschwerdeführerin nicht einmal behauptet hat, einen derartigen Ausdehnungsantrag gestellt zu haben, und Gegenstand des mit ihr durchgeführten Verwaltungsverfahrens ihr eigenständig gestellter Asylantrag - und nicht ein davon zu unterscheidender Ausdehnungsantrag - war. Entgegen der Ansicht der Zweitbeschwerdeführerin kann ihr in der Begründung des angefochtenen Bescheides unbekämpft wiedergegebener Asylantrag auch nicht in einen Ausdehnungsantrag umgedeutet werden.

Die Beschwerdeführer machen erstmals in ihren Beschwerden übereinstimmend geltend, sie seien im Hinblick auf die in ihrem Heimatland eingetretene Änderung der Verhältnisse als "sur place" Flüchtlinge anzusehen. Hiezu ist ihnen - abgesehen davon, daß dieses Vorbringen gemäß § 41 Abs. 1 VwGG eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung darstellt - zu entgegnen, daß aus der Änderung der Verhältnisse im Heimatland eines Asylwerbers allein noch nicht auf das Vorliegen konkret gegen ihn gerichteter Verfolgung aus Konventionsgründen bzw. begründeter Furcht vor einer solchen geschlossen werden kann.

Beide Beschwerdeführer haben vorgebracht, die belangte Behörde sei ihrer Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes nicht nachgekommen und wäre verpflichtet gewesen, ergänzende Ermittlungen anzustellen. Demgegenüber sind die Beschwerdeführer auf § 20 Asylgesetz 1991 zu verweisen, der normiert, daß der Bundesminister für Inneres einer Berufungsentscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen hat der Bundesminister eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es offenkundig mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat. Von den Beschwerdeführern wurde der unwidersprochen gebliebenen Wiedergabe ihrer Berufungen in den Begründungen der angefochtenen Bescheide zufolge nicht behauptet, daß einer dieser Gründe für eine Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegen wäre. Der belangten Behörde ist daher, wenn sie bei ihren Entscheidungen vom Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens ausgegangen ist, kein Verfahrensfehler unterlaufen. Die nunmehr in den Beschwerden erstmals geltend gemachten Fehler des erstinstanzlichen Verfahrens können den Beschwerden nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Aufhebung eines Berufungsbescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens voraussetzt (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0399).

Bereits der Inhalt der Beschwerden läßt sohin erkennen, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weshalb die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen waren.

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