VwGH 93/18/0496

VwGH93/18/049610.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 27. Juli 1993, Zl. III 79-1/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
PaßG 1969 §23 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
PaßG 1969 §23 Abs1;
PaßG 1969 §40 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 FrG ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer erstmals im März 1989 in das Bundesgebiet eingereist. Nach einem zweimonatigen Aufenthalt sei er in die Schweiz gereist, wo er sich ca. ein Jahr lang rechtswidrig aufgehalten habe. Aus der Schweiz sei er ca. Mitte 1990 rechtswidrig (ohne Sichtvermerk) wieder in das Bundesgebiet eingereist. In der Folge habe er sich rechtswidrig (ohne Sichtvermerk) in Österreich aufgehalten. Am 14. Mai 1992 sei ihm ein bis zum 30. April 1993 gültiger Sichtvermerk erteilt worden. Am 11. März 1993 habe er mit einer österreichischen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen. Daß es sich dabei um eine sogenannte "Schein- oder Zweckehe" handle, könne nicht als erwiesen angenommen werden. Das aus den Verwaltungsstraftaten des Beschwerdeführers (Übertretung des Paßgesetzes 1969 auf Grund der rechtswidrigen Einreise in das Bundesgebiet Mitte 1990 und Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes aufgrund des anschließenden, ca. zweijährigen rechtswidrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet) im Verein mit dem der Einreise in das Bundesgebiet vorangegangenen ca. einjährigen rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz ersichtliche Gesamt(fehl)verhalten rechtfertige die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde. Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 FrG wurde von der belangten Behörde bejaht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 28. September 1993, B 1614/93, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0247) kann ein Aufenthaltsverbot im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden, wenn zwar - wie im Beschwerdefall - keiner der Tatbestände des § 18 Abs. 2 leg. cit. verwirklicht ist, wohl aber das Gesamt(fehl)verhalten die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigt. Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht zu: Aus dem Umstand, daß sich der Beschwerdeführer eine Zeitlang rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten hat, kann eine Gefährdung österreichischer öffentlicher Interessen - nur solche sind durch § 18 Abs. 1 FrG geschützt - nicht abgeleitet werden. Das dem Beschwerdeführer angelastete Fehlverhalten reduziert sich somit auf die Einreise in das Bundesgebiet Mitte 1990 ohne Sichtvermerk und den anschließenden rechtswidrigen Aufenthalt in Österreich bis Mai 1992. Wenngleich dieses Verhalten gegen das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen verstößt, reicht es insbesondere vor dem als Wertungsmaßstab heranzuziehenden Hintergrund des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, für dessen Verwirklichung erforderlich ist, daß ein Fremder im Inland mehr als einmal wegen der dort angeführten Übertretungen rechtskräftig bestraft worden ist, noch nicht aus, um die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß die Einreise ohne den erforderlichen Sichtvermerk nach dem FrG - anders als nach dem Paßgesetz 1969 (§ 40 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1) - keinen gesonderten Straftatbestand mehr darstellt, sondern im Tatbild des § 82 Abs. 1 Z. 4 aufgeht. Auch die rund zweijährige Dauer des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vermag die Wertung nicht entscheidend zum Nachteil des Beschwerdeführers zu beeinflussen, zumal ihm im Anschluß daran ein Sichtvermerk erteilt wurde.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein Ersatz gebührt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0128).

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