Normen
AuslBG §15 Abs1 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AuslBG §15 Abs1 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die 1969 geborene Beschwerdeführerin stellte am 23. Dezember 1992 beim Arbeitsamt einen Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 15 Abs. 1 Z. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) (Ehe mit österreichischem Staatsbürger). Als Nachweis für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung legte sie den Staatsbürgerschaftsnachweis von WD sowie den Eheregisterauszug der serbischen Gemeinde J vom 11. Dezember 1992 vor, wonach die Beschwerdeführerin an diesem Tag in L die Ehe mit dem obgenannten österreichischen Staatsbürger abgeschlossen hat.
Nach den unvollständig vorgelegten Akten trat offenbar die Behörde erster Instanz an die Bundespolizeidirektion Wien mit dem Ersuchen heran, die Richtigkeit ihr vorgelegter Heiratsurkunden/Registerauszüge bestimmter serbischer Gemeinden zu prüfen. Mit Schreiben vom 4. Februar 1993 teilte die Bundespolizeidirektion Wien dem Arbeitsamt mit, bei den vorgelegten Auszügen aus den Eheregistern, insbesondere der Stadt S, handle es sich um Fälle, bei denen die Ehen tatsächlich nicht zustande gekommen seien. Mit Schreiben vom 10. März 1993 teilte ferner die Bundespolizeidirektion Wien dem Landesarbeitsamt Wien mit, daß bei ihr eine Amtshandlung wegen betrügerischer Erschleichung von Befreiungsscheinen durch Vorlage von falschen jugoslawischen Ehebestätigungen anhängig sei. Dabei sei festgestellt worden, daß eine große Anzahl österreichischer Staatsbürger Staatsbürgerschaftsnachweise und Meldezettel gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt hätten. Der jugoslawische Staatsbürger N.N. habe gegen Bezahlung eines großen Geldbetrages in Serbien falsche Ehebestätigungen besorgt. Diese seien bei den Arbeitsämtern zur Erlangung eines Befreiungsscheines für den jugoslawischen Ehepartner vorgelegt worden. Ein Teil der Anträge habe noch beim Arbeitsamt für persönliche Dienste rechtzeitig (d.h. vor "der Realisierung") abgefangen werden können. In weiteren Fällen sei jedoch anzunehmen, daß bisher unbekannte jugoslawische Ehepartner bei anderen Arbeitsämtern in Wien bzw. in Niederösterreich (Bezirk Gänserndorf) bereits um Befreiungsscheine angesucht bzw. diese ausgestellt erhalten hätten. Die Bundespolizeidirektion Wien übermittelte in diesem Zusammenhang eine Liste mit den Namen der angeblichen Ehepaare mit dem Ersuchen festzustellen, ob auf Grund der Unterlagen in den Arbeitsämtern bis jetzt fehlende mit N.N. bezeichnete jugoslawische Ehepartner ermittelt werden könnten. Unter anderem enthielt diese Liste auch den Namen der Beschwerdeführerin und des österreichischen Staatsbürgers WD.
Schon zuvor hatte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 5. März 1993 den Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, im Ermittlungsverfahren habe weder die erforderliche Beschäftigungszeit noch eine aufrechte Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger nachgewiesen werden können.
In ihrer Berufung brachte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin vor, sie habe der Behörde durch Vorlage einer Urkunde über die Heirat mit dem österreichischen Staatsbürger D. und eines Meldezettels die Anspruchsvoraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG nachgewiesen. Die gegenteilige Annahme der Behörde erster Instanz sei aktenwidrig. Hätte die Behörde erster Instanz Zweifel am Bestand der Ehe gehabt, hätte sie die Beschwerdeführerin zur Aufklärung derselben einvernehmen müssen. Auf diese Weise wäre die Beschwerdeführerin in der Lage gewesen, den Sachverhalt aufzuklären, sodaß die Behörde zur Feststellung gelangt wäre, die Voraussetzungen für die Ausstellung des Befreiungsscheines seien gegeben.
Mit Schreiben vom 13. April 1993 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, sie habe als anspruchsbegründenden Nachweis eine Heiratsurkunde vorgelegt, die laut Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien (Sicherheitsbüro) kein geeigneter Nachweis sei, da es sich dabei im gegenständlichen Fall, wie auch in zahlreichen anderen Fällen, um "nicht ordnungsgemäß zustande gekommene Ehen" handle. Der Beschwerdeführerin wurde Gelegenheit gegeben, innerhalb von sieben Tagen schriftliche Einwendungen anzubringen bzw. andere geeignete Nachweise für die Anspruchsvoraussetzungen vorzulegen.
Nach der Aktenlage hat die Beschwerdeführerin auf dieses Schreiben nicht reagiert.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Juni 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Sie begründete dies im wesentlichen damit, im durchgeführten Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß die vorgelegte Ehebestätigung gefälscht worden sei. Dies sei von der Bundespolizeidirektion Wien (Sicherheitsbüro) bestätigt worden. Von diesem Sachverhalt sei die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. April 1993 in Kenntnis gesetzt und ihr in Wahrung des Parteiengehörs eine Frist zur Stellungnahme hiezu eingeräumt worden, wovon sie jedoch nicht Gebrauch gemacht habe. Die Beschwerdeführerin habe daher die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG nicht erfüllt. Andere gesetzliche Voraussetzungen für die Erteilung eines Befreiungsscheines seien von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung weder vorgebracht noch nachgewiesen worden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch deren Behandlung mit Beschluß vom 28. September 1993, B 1359/93, ablehnte.
In der über Antrag an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen und über Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Auf Grund des Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist im Beschwerdefall das Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990, anzuwenden.
Nach § 15 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. in der genannten Fassung ist einem Ausländer über Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn der Ausländer mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist und seinen Wohnsitz im Bundesgebiet hat.
Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, der Vorhalt vom 13. April 1993 stütze sich auf Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wien und beruhe (offenbar) auf dem Schreiben der Bundespolizeidirektion (vom 4. Februar 1993) an das Arbeitsamt, in dem weder auf die Beschwerdeführerin noch auf die die Ehebestätigung ausstellende Standesbehörde Bezug genommen werde. Aus diesem Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien könne jedoch nicht der Schluß gezogen werden, die vorliegende Ehebestätigung sei gefälscht. Von einer Fälschung, wie sie die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde lege, sei im Vorhalt vom 13. April 1993, wonach die Ehe nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei, nicht die Rede gewesen. Die Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, die von ihr angenommene Fälschung der Beschwerdeführerin vorzuhalten. Damit wäre die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt gewesen, zur Richtigkeit des Eheabschlusses ergänzende Beweise z.B. ihre Einvernahme anzubieten. Eine Feststellung, die vorgelegte Ehebestätigung sei gefälscht worden, würde auch die Angabe der näheren Umstände und Merkmale der Fälschung erfordern.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid ausschließlich auf den Vorhalt vom 13. April 1993 berufen, in dem sie die Fälschung der vorgelegten Ehebestätigung unter Hinweis auf die "Bestätigung" der Bundespolizeidirektion Wien der Beschwerdeführerin mitgeteilt habe. Das ist jedoch - wie die Beschwerdeführerin zutreffend aufgezeigt hat - nicht der Inhalt dieses Vorhaltes. Er nimmt zwar (allgemein) auf eine Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Bezug, spricht jedoch der vorgelegten Heiratsurkunde die Eigenschaft als geeigneter Nachweis (für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung nach § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG) ab, da es sich nicht um eine ordnungsgemäß zustande gekommene Ehe handle. Damit geht er in seinem Informationsgehalt nicht über die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides hinaus, dessen Zutreffen die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung unter Anbot ihrer Einvernahme ausdrücklich bestritten hat. Deswegen war die Beschwerdeführerin auch nicht gehalten, auf diesen Vorhalt durch Wiederholung ihres Berufungsvorbringens zu reagieren. Die (von der belangten Behörde letztlich angenommene) Fälschung der Urkunde ist dabei nur eine der Möglichkeiten, die zu dieser im Vorhalt gemachten Aussage führen kann. Sie wird auch nicht durch den allgemeinen Hinweis auf die Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien (Sicherheitsbüro) offenkundig. Abgesehen davon findet sich weder im Vorhalt noch in der Begründung des angefochtenen Bescheides der geringste Hinweis darauf, auf Grund welcher KONKRETER Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde zu diesem Ergebnis kommt. Der bloße Hinweis auf eine Bestätigung (Stellungnahme) der Bundespolizeidirektion Wien reicht nicht aus, die Offenlegung jener Verdachtsmomente zu ersetzen, die eine nachprüfende Kontrolle des Zutreffens der Annahme einer Urkundenfälschung - eine rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin oder Dritter ist offenkundig nicht erfolgt - überhaupt erst ermöglichen.
Soweit sich die belangte Behörde erstmals in ihrer Gegenschrift auf einen Aktenvermerk vom 20. April 1993 beruft (danach sei mit dem Beschwerdevertreter Akteneinsicht vereinbart und ihm "anläßlich seiner Vorsprache die Stellungnahme und die Namenslisten sowie die von ihm gewünschten Aktenteile zur Einsicht überlassen" worden), ist sie auf § 41 Abs. 1 VwGG zu verweisen. Abgesehen davon könnte sich die belangte Behörde nur dann auf die Verletzung der Verpflichtung der Beschwerdeführerin, an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken, berufen, wenn über die erheblichen Beweisthemen Beweise aufgenommen worden wären, die alle jene Sachverhaltselemente darlegten, deren Kenntnis zur Lösung der Rechtsfrage erforderlich gewesen wäre (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1970, Zl. 651/70). Davon kann aber angesichts der Unbestimmtheit der bisherigen Unterlagen (insbesondere des Fehlens jeder Angabe, auf Grund welcher Beweismittel der Verdacht einer Urkundenfälschung besteht) nicht die Rede sein.
Da der Sachverhalt von der belangten Behörde in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2und 3 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Das Mehrbegehren betrifft geltend gemachte Stempelgebühren, soweit sie über die für drei Beschwerdeausfertigungen (Ergänzungen) und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entrichtenden Stempelgebühren hinausgehen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)