VwGH 93/09/0326

VwGH93/09/032617.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Tirol vom 18. Mai 1993, Zl. III b 6702 B/1013475/I, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 lita idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;
AuslBG §4b Abs1 Z3 lita;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 lita idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;
AuslBG §4b Abs1 Z3 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte mit Schreiben vom 1. April 1993 beim Arbeitsamt Innsbruck den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen S.T. für die Tätigkeit als "Abwäscher".

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 13. April 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 leg. cit. vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung machte die beschwerdeführende Partei geltend, der Vater des S.T. sei bereits seit 1987 in Österreich wohnhaft und beschäftigt und besitze auch einen Befreiungsschein. Die Brüder A.T. und M.T. seien der beschwerdeführenden Partei im Jahr 1989 vom Arbeitsamt vermittelt worden und die beschwerdeführende Partei sei mit der Arbeitsleistung dieser beiden "bestens zufrieden". A.T. habe inzwischen seine Kochausbildung beendet und bereits in der Wintersaison 1992/93 als Koch im Betrieb gearbeitet. Mit A.T. sei eine Hilfskraft aus dem "Kontingent" ausgeschieden und somit ein dringender Ersatz für die Besetzung eines - durch Ausscheiden eines Ausländers freigewordenen Arbeitsplatzes - gegeben. Damit seien die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 (gemein wohl: Abs. 6) Z. 2 lit. c AuslBG erfüllt. Die Beschäftigung von S.T. diene auch zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer. Da weiters § 4 (Abs. 6) AuslBG die besonders wichtigen Gründe nicht taxativ anführe, solle insbesondere die "Familienzusammenführung" als besonders wichtiger Grund gewürdigt werden.

In einer der beschwerdeführenden Partei am 7. Mai 1993 zugestellten "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsverfahren zu den Berufungsausführungen fest, A.T., der früher als Hilfskraft bei der beschwerdeführenden Partei gearbeitet habe, sei nach seiner Kochausbildung seit der Wintersaison 1992/93 als Koch tätig. Aus den Angaben in der Berufung ergebe sich damit schlüssig, daß A.T. irgendwann vor der Wintersaison 1992/93 aufgehört habe, als Hilfskraft bei der beschwerdeführenden Partei zu arbeiten. In der Folge gab die belangte Behörde die Gesetzesbestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG wieder und stellte dazu die 1993 bereits erfolgte Überschreitung der mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales für das Bundesland Tirol festgesetzten Landeshöchstzahl dar. Damit müßten zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 1 oder Z. 2 bis 4 leg. cit. erfüllt sein. Da der Vermittlungsausschuß den Antrag auf Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet habe, liege die Anspruchsvoraussetzung des § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG nicht vor. Die beschwerdeführende Partei stütze ihre Berufung auf die Bestimmung des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG. Der Ausländer A.T. habe nach den Berufungsangaben bis vor Beginn der Wintersaison (also ca. bis Herbst 1992) als Hilfsarbeiter bei der beschwerdeführenden Partei gearbeitet. Dann habe er den Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes gewechselt und sei seither Koch. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse zur Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang bei der Nachbesetzung des frei gewordenen Arbeitsplatzes bestehen. Ein solcher sei nach Ansicht der belangten Behörde nur dann gegeben, wenn die Antragstellung auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den ersatzweise einzustellenden Ausländer unmittelbar nach dem Freiwerden des Arbeitsplatzes erfolge. Im Beschwerdefall sei der Arbeitsplatz im Herbst 1992 frei geworden. Der Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für den beantragten Ausländer sei erst am 5. April 1993, sohin etwa ein halbes Jahr nach Freiwerden dieses Arbeitsplatzes, beim Arbeitsamt eingebracht worden. Wegen dieses zeitlichen Abstandes könne nicht von einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang gesprochen werden. Damit sei auch die Anspruchsvoraussetzung des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG nicht erfüllt. Schließlich vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die Aufzählung der im § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d leg. cit. angeführten Gründe sei taxativ, sodaß auch die weiteren in der Berufung angeführten Gründe nicht ausschlaggebend sein könnten. Diese reichten daher insgesamt nicht aus, die dargelegten Anspruchsvoraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG zu erfüllen.

Die beschwerdeführende Partei gab zu diesem Vorhalt keine Stellungnahme ab; die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Die Begründung ist inhaltlich gleichlautend mit der der beschwerdeführenden Partei am 7. Mai 1993 zugestellten "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme". Da diesen "Ergebnissen des Beweisverfahrens" nicht widersprochen worden sei, gehe die belangte Behörde gemäß § 56 AVG von der dort "festgestellten Faktenlage" aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG dürfen über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§ 13 und 13a) Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 leg. cit. vorliegen und

"1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Die belangte Behörde ist - wie bereits das erstinstanzliche Arbeitsamt - vom Vorliegen einer Überschreitung der Landeshöchstzahlen ausgegangen und hat nach Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG den Antrag auf Beschäftigungsbewilligung abgelehnt. Die beschwerdeführende Partei hat die Landeshöchstzahlenüberschreitung ebensowenig bestritten wie die Nichtzustimmung des Vermittlungsausschusses zur Beschäftigungsbewilligung. Mit Rücksicht darauf wäre es an ihr gelegen gewesen, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG hätten maßgebend sein können (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, 92/09/0302, und die dort angeführte Judikatur).

Der beschwerdeführenden Partei ist zwar zuzugestehen, daß die belangte Behörde die Rechtslage insofern verkannt hat, als sie die im § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d enthaltene Aufzählung "besonders wichtiger Gründe" als taxativ beurteilte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1993, 93/09/0157), dennoch läßt sich aus ihrem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ableiten.

Zum Verständnis des unbestimmten Gesetzesbegriffes "besonders wichtiger Grund" hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß ein solcher nur dann gegeben ist, wenn an der Beschäftigung des beantragten Ausländers ein qualifiziertes Interesse besteht, das über das betriebsbezogene Interesse des Arbeitgebers an der Befriedigung eines dringenden Arbeitskräftebedarfes hinausgeht (vgl. dazu z. B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1988, Slg. Nr. 12.789/A, vom 18. März 1993, 92/09/0243, und vom 18. Mai 1994, 93/09/0262). Ein derart überbetriebliches Interesse hat die beschwerdeführende Partei weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde aufgezeigt. Der von der beschwerdeführenden Partei betonten "Familienzusammenführung" käme allenfalls bei Prüfung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 (im Zusammenhang mit der im § 4b Abs. 1 Z. 3 lit. a AulsBG enthaltenen Einstufung als vorrangig zu behandelnde Arbeitskraft) Bedeutung zu.

Daß der beantragte Ausländer nicht dem "Schlüsselkrafttatbestand" des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG und auch nicht dem Tatbestand des "dringenden Ersatzbedarfes" der lit. c leg. cit. zuzuordnen war, hat die belangte Behörde zutreffend beurteilt. Ein Arbeitnehmer wäre nur dann als Schlüsselkraft nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG anzusehen, wenn diesem aufgrund seiner besonderen Qualifikation und/oder der vorgesehenen Stellung im Betriebsgeschehen (z.B. Entscheidungsverantwortung) eine - besondere - arbeitsplatzerhaltende Position zukäme. Dafür ergibt sich hinsichtlich des als "Abwäscher" beantragten Ausländers kein Anhaltspunkt. Der Umstand allein, daß jeder Arbeitnehmer notwendigerweise in Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben zur Erreichung der Unternehmensziele und damit zur Sicherung des Bestandes des Unternehmens seinen Beitrag leistet, macht ihn noch nicht zur "Schlüsselkraft" im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, 94/09/0185). Die belangte Behörde hat mit Recht darauf hingewiesen, daß zur Erfüllung des dringenden Ersatzbedarfes nach § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG jedenfalls auch ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang bei der Nachbesetzung eines freigewordenen Arbeitsplatzes bestehen muß (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, 92/09/0387, und die dort angeführte Judikatur). Es kann keine Rechtswidrigkeit erkannt werden, wenn die belangte Behörde bei dem im Verwaltungsverfahren unbestritten gebliebenen Sachverhalt (Antragstellung erst rund ein halbes Jahr nach Freiwerden des - unbestritten nicht in einem Saisonbetrieb gelegenen - Arbeitsplatzes) diesen unmittelbaren Zusammenhang nicht als gegeben erachtet hat (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, 92/09/0386).

Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte