VwGH 93/09/0111

VwGH93/09/011121.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des NN in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 9. Februar 1993, Zl. IIId-6702B/ABB Nr. 929 501, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §42 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AuslBG §42 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 8. Dezember 1992 beim Arbeitsamt den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen M. als Nahrungs- und Genußmittelarbeiter (Hilfskraft).

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt offenbar (der gegenständliche Bescheid ist nicht aktenkundig) bescheidmäßig am 22. Dezember 1992 gemäß § 4 Abs. 6 mit der Begründung ab, daß keiner der wegen der überschrittenen Landeshöchstzahl erforderlichen wichtigen Gründe gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG vorliege und die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Bewilligung nicht zulasse (so die unbestrittene Sachverhaltsschilderung im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift).

Am 5. Jänner 1993 langte beim Arbeitsamt eine Anzeige der Bundespolizeidirektion ein. Als Angezeigte waren darin der Beschwerdeführer ("Betreiben einer gewerblichen Betriebsanlage ohne entsprechende Bewilligung, Beschäftigen eines Ausländers ohne erteilte Beschäftigungsbewilligung"), M. ("Ausübung einer Beschäftigung ohne erteilte Beschäftigungsbewilligung, Verrichten von Tätigkeiten in einem Nahrungs- und Genußmittelbetrieb ohne entsprechendes amtsärztliches Zeugnis") sowie ein weiterer Ausländer (S.; "Verrichten von Tätigkeiten in einem Nahrungs- und Genußmittelbetrieb ohne entsprechendes amtsärztliches Zeugnis") genannt.

In der Sachverhaltsschilderung dieser Anzeige wird ausgeführt, daß eine Funkstreifenbesatzung aufgrund eines anonymen Anrufes (Lärm- und Geruchsbelästigung bzw. bewilligungslose Beschäftigung von Ausländern) in den Abendstunden des 18. Dezember 1992 eine Überprüfung des Betriebes des Beschwerdeführers (Tofurei) durchgeführt habe. Dabei seien M. und S. angetroffen worden, die dort offensichtlich Arbeiten durchgeführt hätten. M. habe auf Befragung zum Sachverhalt bzw. zur Rechtfertigung sinngemäß angegeben, er habe seinem Freund S. nur kurz geholfen. Er besitze keine Beschäftigungsbewilligung, obwohl er schon öfters darum angesucht habe. Er wohne schon ca. seit einem Jahr hier und habe nur einmal im Herbst 1991 ein paar Wochen unerlaubt hier gearbeitet. S. und er hätten die Maschinen heute einige Male in Betrieb genommen. Der Firmeninhaber sei zur Zeit nicht erreichbar. Weiters wird in der Anzeige ausgeführt, daß weitere Überprüfungsmaßnahmen ergeben hätten, daß weder M. noch S. im Besitz eines amtsärztlichen Zeugnisses seien und M. darüber hinaus keine Beschäftigungsbewilligung vorweisen könne. Der Beschwerdeführer habe zum Tatzeitpunkt auch keine Betriebsanlagengenehmigung gehabt. Der Beschwerdeführer habe am 23. Dezember 1992 im Wachzimmer zur Rechtfertigung angegeben, da zur Zeit ein Berufungsverfahren im Gange sei, sei er der Meinung gewesen, die Tofurei betreiben zu dürfen. S. habe eine Arbeitsbewilligung. Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht gewußt, daß er zur Tatzeit in der Firma Arbeiten durchgeführt habe. M. wohne zwar bei ihm, er habe jedoch nie für ihn gearbeitet. M. sei auch keine entsprechende Arbeitsbewilligung erteilt worden. "Bei ihrer Amtshandlung hat er sich nur für den Eigenbedarf etwas genommen."

Am 8. Jänner 1993 brachte der Beschwerdeführer gegen den ablehnenden Bescheid des Arbeitsamtes vom 22. Dezember 1992 Berufung ein. Entgegen den Ausführungen der Behörde lägen wichtige Gründe für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung vor. Er habe für seinen Betrieb durch Kündigung eine österreichische Fachkraft verloren, für die er dringend Ersatz benötige. M. würde die an den Arbeitsplatz gestellten Anforderungen bestens erfüllen und sei im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des AuslBG als Schlüsselkraft für die offene Stelle anzusehen. Sollte die Beschäftigungsbwilligung nicht erteilt werden, sei die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes ernsthaft gefährdet.

Mit einer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 27. Jänner 1993 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, daß gemäß § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn die Beschäftigung nicht bereits begonnen habe. Bei einer Kontrolle durch die Bundespolizeidirektion sei der Ausländer in dem Betrieb des Beschwerdeführers bei der Arbeit angetroffen worden. Die Arbeit sei daher vorzeitig aufgenommen worden und die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung daher nicht zulässig. Nach § 4 Abs. 1 AuslBG dürfe eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn keine öffentlichen Interessen entgegenstünden. M. sei im Lebensmittelbetrieb ohne entsprechendes amtsärztliches Zeugnis beschäftigt gewesen, was dem öffentlichen Interesse widerspreche.

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 1993 teilte der Beschwerdeführer - im Wege seiner anwaltlichen Vertretung - mit, daß M. bisher beim Beschwerdeführer nicht gearbeitet habe. Eine unzulässige Beschäftigungsaufnahme liege daher nicht vor. Als Beweis dafür werde die zeugenschaftliche Einvernahme des Beschwerdeführers angeboten. Was das fehlende amtsärztliche Zeugnis betreffe, könne dieses unverzüglich beigebracht werden. M. sei als Ersatz für eine aus dem Betrieb ausgeschiedene Schlüsselkraft zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes unbedingt erforderlich, sodaß für die Erteilung der Beschäftigungsbwilligung wichtige Gründe im Sinne des § 4 AuslBG vorlägen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der geltenden Fassung, keine Folge.

Nach Zitierung der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 6 und 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG stützte die belangte Behörde ihre abweisende Erledigung (ausschließlich) auf die zuletzt genannte Bestimmung. Neuerlich wies die belangte Behörde darauf hin, daß der Ausländer bei der Kontrolle der Bundespolizeidirketion bei der Arbeit angetroffen worden sei. In der Stellungnahme zur "Verständigung" habe der Beschwerdeführer ausgeführt, M. hätte die Beschäftigung noch nicht begonnen. Dem stünden aber die Angaben der Erhebungsorgane eindeutig entgegen. Diese hätten aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmungen in der Anzeige angegeben, daß M. im Betriebsgebäude offensichtlich Arbeiten durchgeführt habe (im Bereich der Werkbank habe er Tofu portioniert). Es sei daher davon auszugehen, daß die Beschäftigung vorzeitig aufgenommen worden und die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung aus diesem Grund nicht zulässig sei. Bei dieser Sach- und Rechtslage hätten auch die Einwände in der Berufung keine andere Entscheidung herbeiführen können.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

§ 4 Abs. 3 AuslBG zählt weitere Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung auf. So darf gemäß § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG die Beschäftigungsbewilligung nicht erteilt werden, wenn die Beschäftigung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nicht bereits begonnen hat.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Ablehnung des Antrages des Beschwerdeführers auf die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Z. 11 AuslBG gestützt. Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß dieser Versagungsgrund für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gegeben ist. Damit erübrigen sich aber auch weitere Erwägungen zu der neuerlich in der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob die Beschäftigungsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG zu erteilen gewesen wäre.

Nach § 2 Abs. 2 AuslBG gilt u.a. als Beschäftigung die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird (lit. b).

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung iherer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen gemäß § 45 Abs. 1 AVG keines Beweises. Im übrigen hat die Behörde nach § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Als Beweismittel kommt gemäß § 46 AVG alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Die Behörde darf, um sich nicht der Gefahr einer unzulässigen vorgreifenden Beweiswürdigung auszusetzen, auf angebotene Beweise nur dann verzichten, wenn diese von vornherein unzweifelhaft unerheblich sind, weil die Art des Beweismittels oder der Erkenntnisstand eine andere Beurteilung des Verfahrensgegenstandes mit Bestimmtheit ausschließt, oder wenn diese nach der Art des Beweismittels der Beurteilung der erkennbaren und von vornherein unzweifelhaften Gegebenheiten zufolge mit Gewißheit zur weiteren Erkenntnis nichts beizutragen vermögen, sohin die Beweise für die Sachverhaltsfeststellung nicht wesentlich sein können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. August 1993, 93/14/0026).

Für den Standpunkt der belangten Behörde im Hinblick auf die Beschäftigungsaufnahme des M. im Betrieb des Beschwerdeführers kann die belangte Behörde zwar - wie in der Gegenschrift neuerlich dargelegt - die Erhebungsergebnisse der Bundespolizeibehörde ins Treffen führen. Zu beachten ist dabei allerdings, daß bereits M. bei der Einvernahme durch die Polizeibeamten die Beschäftigungsaufnahme grundsätzlich bestritten (er habe nur kurz seinem Freund geholfen) und auch der Beschwerdeführer gegenüber der Polizeibehörde erklärt hat, M. habe sich nur etwas für den Eigenbedarf genommen. Mag auch - wie in der Gegenschrift ausgeführt - die Lebenserfahrung gegen die Richtigkeit dieser Behauptungen sprechen, so können sie doch nicht von vornherein ohne weitere Beweisaufnahme und Würdigung von der Hand gewiesen werden. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zur "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" die Tatsache der Beschäftigungsaufnahme neuerlich bestritten und als Beweis dafür seine Einvernahme angeboten hat. Mit dem Unterbleiben dieser Beweisaufnahme (und einer allfälligen weiteren Einvernahme des M.) hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet, wobei nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochten Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. 1 A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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