VwGH 93/03/0272

VwGH93/03/027221.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der Jagdgenossenschaft B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 8. Juli 1993, Zl. VI/4-J-103, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Jagdrechtsangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Der Bund, vertreten durch den BM für Landesverteidigung in Wien I, Franz Josefs-Kai 7 - 9), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §8;
AVG §9;
GdO NÖ 1973 §10;
GdO NÖ 1973 §9;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs4 lita;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs4 litb;
JagdG NÖ 1974 §13 Abs4;
JagdG NÖ 1974 §18 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §18 Abs2;
JagdRallg;
AVG §56;
AVG §8;
AVG §9;
GdO NÖ 1973 §10;
GdO NÖ 1973 §9;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs4 lita;
JagdG NÖ 1974 §12 Abs4 litb;
JagdG NÖ 1974 §13 Abs4;
JagdG NÖ 1974 §18 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §18 Abs2;
JagdRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 8. Juli 1993 wies die NÖ Landesregierung die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 28. September 1992, betreffend die Feststellung der Jagdgebiete in der Gemeinde B für die Jagdperiode vom 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 2001 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 63 Abs. 5 AVG zurück. In der Begründung führte die Landesregierung aus, die Erstbehörde habe mit Bescheid vom 28. September 1992 die Jagdgebiete in der Gemeinde B für die Jagdperiode vom 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 2001 festgestellt. Unter Punkt A/a des Spruches sei festgestellt worden, hinsichtlich einer Fläche von 190,8435 ha komme die Eigenjagdbefugnis der Republik Österreich, Heeres-, Bau- und Vermessungsamt Wien zu. Weiters sei unter Punkt C die Abrundung einer Fläche im Ausmaß von 1,8808 ha zugunsten des Eigenjagdgebietes verfügt worden. Die NÖ Landesregierung habe am 24. November 1987 auf Grund der §§ 2 Abs. 2, 9 Abs. 1, 12 und 13 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-5, die Trennung der Marktgemeinde S in vier Gemeinden, darunter die Gemeinde B, verordnet. Hinsichtlich des Genossenschaftsjagdgebietes dieser Gemeinde finde die Bestimmung des § 13 Abs. 4 des NÖ Jagdgesetzes, LGBl. 6500 (im folgenden: JG), Anwendung, da das Gebiet dieser Gemeinde erst mit Beginn der Jagdperiode am 1. Jänner 1993 ein Genossenschaftsjagdgebiet bilde. Eine Jagdgenossenschaft B habe somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht bestanden. Der Bescheid sei an die Gemeinde B zu Handen des Bürgermeisters mit der Einladung zugestellt worden, diesen an der Amtstafel der Gemeinde über einen Zeitraum von zwei Wochen anzuschlagen. Der Bescheid sei der Gemeinde am 2. Oktober 1992 zugestellt worden und sei vom 5. Oktober 1992 bis 19. Oktober 1992 an der Amtstafel angeschlagen gewesen. Durch diesen Anschlag sei die Zustellung des Bescheides an die Grundeigentümer erfolgt. Innerhalb der Berufungsfrist sei keine Berufung eingebracht worden, sodaß der Jagdgebietsfeststellungsbescheid als rechtskräftig anzusehen sei. Die Rechtskraft dieses Jagdgebietsfeststellungsbescheides sei auch nach § 5 Abs. 1 der NÖ Jagdausschuß-Wahlordnung, LGBl. 6501-0, Voraussetzung dafür, daß die Wahl der Organe der Jagdgenossenschaft (Jagdausschuß, Obmann des Jagdausschusses sowie Obmannstellvertreter) habe stattfinden können. Da nach Ansicht der NÖ Landesregierung der angefochtene Bescheid durch die erfolgte Kundmachung und durch die Nichteinbringung eines fristgerechten Rechtsmittels rechtskräftig geworden sei, erweise sich die gegenständliche Berufung als verspätet, weshalb sie als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht Bescheidadressatin sein können. Durch die Übermittlung einer Bescheidausfertigung auf Grund des Schreibens des Jagdausschusses vom 15. März 1993 sei die Möglichkeit zur Einbringung einer Berufung nicht begründet worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 4. Oktober 1993, B 1449/93-3, die Behandlung dieser Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 4 JG wird durch Gebietsänderungen gemäß § 8 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000, der Umfang der Genossenschaftsjagdgebiete, unbeschadet der Bestimmungen des § 16, nicht berührt. Im Falle der Gebietsänderung gemäß §§ 9 und 10 der NÖ Gemeindeordnung 1973 bildet das Gebiet jeder solcherart entstandenen neuen Gemeinde, die bisher kein eigenes Genossenschaftsjagdgebiet besaß, mit Beginn der nächsten Jagdperiode ein selbständiges Genossenschaftsjagdgebiet.

Zufolge des mit "Verwaltung der Genossenschaftsjagd, Jagdgenossenschaft" umschriebenen § 18 JG bilden die Eigentümer jener Grundstücke, welche zu einem nach den Bestimmungen des § 12 Abs. 4 lit. b festgestellten Genossenschaftsjagdgebiet gehören, eine Jagdgenossenschaft. Diese ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zur Ausübung der Jagd auf dem Genossenschaftsjagdgebiet (Genossenschaftsjagd) befugt (Abs. 1). Der Jagdgenossenschaft kommt zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle Rechtspersönlichkeit zu. Die Organe der Jagdgenossenschaft sind der Jagdausschuß und der Obmann des Jagdausschusses.

Gemäß § 12 Abs. 1 JG hat die Bezirksverwaltungsbehörde sechs Monate vor Ende der laufenden Jagdperiode an ihrem Amtssitz und in den betroffenen Gemeinden eine Kundmachung zu erlassen, mit der die Grundeigentümer, die für die kommende, in der Kundmachung zu bezeichnende Jagdperiode die Befugnis zur Eigenjagd beanspruchen, aufgefordert werden, diesen Anspruch binnen sechs Wochen bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzumelden und in angemessener Weise zu begründen. Nach Abs. 2 hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Kundmachung auch jenen Grundeigentümern zuzustellen, die in der laufenden Jagdperiode die Befugnis zur Eigenjagd ausüben. Für diese Grundeigentümer endet die Frist zur Anmeldung des Anspruches jedenfalls erst sechs Wochen nach Zustellung der Kundmachung.

Zufolge Abs. 4 dieser Gesetzesstelle hat die Bezirksverwaltungsbehörde nach Ablauf der Fristen gemäß Abs. 1 und 2 auszusprechen,

a) welche Grundstücke als Eigenjagdgebiete anerkannt werden, welches Flächenausmaß die einzelnen Gebiete aufweisen und wem die Befugnis zur Eigenjagd darauf zusteht (Eigenjagdberechtigte),

b) daß die verbleibenden Grundstücke mit der ziffernmäßig anzugebenden Gesamtfläche das Genossenschaftsjagdgebiet bilden.

Die mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Existenz der Jagdgenossenschaft tritt, wie sich aus § 18 JG ergibt, uno actu mit der Schaffung des Genossenschaftsjagdgebietes ins Leben und setzt daher in der Regel eine bescheidmäßige Feststellung des Genossenschaftsjagdgebietes im Sinne des § 12 Abs. 4 lit. b leg. cit. voraus. Von dieser Regel normiert allerdings § 13 Abs. 4 JG insofern eine Ausnahme, als im Falle einer Gebietsänderung gemäß §§ 9 und 10 NÖ Gemeindeordnung 1973 das Genossenschaftsjagdgebiet der neu entstandenen Gemeinde - unabhängig von einer bescheidmäßigen Feststellung - bereits mit Beginn der nächsten Jagdperiode entsteht. Mit diesem Zeitpunkt erlangt damit auch die entsprechende Jagdgenossenschaft rechtliche Existenz.

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Beschwerdeführerin - unabhängig vom Inhalt und rechtlichen Schicksal des angefochtenen Bescheides - mit Beginn der neuen Jagdperiode, also mit 1. Jänner 1993 mit Rechtspersönlichkeit ausgestattete Existenz erlangte.

Im Verfahren zur Feststellung der Jagdgebiete haben jedenfalls Grundeigentümer, die die Befugnis zur Eigenjagd beanspruchen, sowie die betroffene Jagdgenossenschaft Parteistellung. Es handelt sich somit um ein Mehrparteienverfahren, das zwar, wie sich aus § 12 Abs. 4 JG i. V.m. den in dessen Abs. 1 und 2 normierten Fristen ergibt, vor Beginn der Jagdperiode einzuleiten ist und grundsätzlich auch vor deren Beginn durch Erlassung des entsprechenden Bescheides abgeschlossen werden kann. Anderes gilt allerdings in einem Fall wie dem vorliegenden, wo bereits im Zuge des Verfahrens zur Feststellung des Jagdgebietes abzusehen war, daß zu einem späteren Zeitpunkt eine Jagdgenossenschaft entstehen und ins Rechtsleben treten wird, die vom Ergebnis dieses Verwaltungsverfahrens unmittelbar in ihren Rechten betroffen sein wird. In einem solchen Fall ist das Verfahren zur Feststellung der Jagdgebiete erst mit Zustellung des in diesem Verfahren ergehenden abschließenden Bescheides auch an diese Jagdgenossenschaft beendet.

Hatte aber solcherart die Beschwerdeführerin im erstbehördlichen Verfahren Parteistellung, so war dieses im Zeitpunkt ihrer Entstehung, also am 1. Jänner 1993, noch nicht abgeschlossen. Es kam ihr daher insbesondere auch das Recht auf Erlassung des angefochtenen Bescheides auch ihr gegenüber und das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung zu erheben, zu.

Soweit das Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift dahin verstanden werden könnte, mit dem Anschlag des angefochtenen Bescheides an der Amtstafel der Gemeinde B im Oktober 1992 sei im Sinne des § 21 Abs. 2 lit. b JG eine Zustellung an die Beschwerdeführerin erfolgt und damit die in der Folge fruchtlos verstrichene Berufungsfrist in Lauf gesetzt worden, ist auf die obigen Ausführungen über den erst mit 1. Jänner 1993 anzusetzenden Beginn der Existenz der Beschwerdeführerin zu verweisen. Durch Vorgänge, die vor diesem Zeitpunkt lagen, konnte jedenfalls eine wirksame Zustellung an sie nicht bewirkt werden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere dessen Art. III Abs. 2.

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