Normen
AVG §8;
FlVfLG Tir 1935 §77;
FlVfLG Tir 1935 §80;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §32 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs3;
ForstG 1975 §37 Abs4;
StGB §6 Abs1;
StGB §6 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WWSGG §35 Abs2 idF 1976/301;
WWSLG Tir 1952 §18;
WWSLG Tir 1952 §2;
WWSLG Tir 1952 §3;
WWSLG Tir 1952 §4;
WWSLG Tir 1952 §8;
WWSLG Tir 1952 §9;
AVG §8;
FlVfLG Tir 1935 §77;
FlVfLG Tir 1935 §80;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z15;
ForstG 1975 §32 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs3;
ForstG 1975 §37 Abs4;
StGB §6 Abs1;
StGB §6 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WWSGG §35 Abs2 idF 1976/301;
WWSLG Tir 1952 §18;
WWSLG Tir 1952 §2;
WWSLG Tir 1952 §3;
WWSLG Tir 1952 §4;
WWSLG Tir 1952 §8;
WWSLG Tir 1952 §9;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juli 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Zeit vom 18. Juni bis 25. Juni 1990 entgegen § 37 Abs. 3 Forstgesetz 1975 (ForstG) zwei Kälber nicht von den Schonungsflächen der Abteilung 10 (D) des Waldes der Agrargemeinschaft S, Gp. Nr. 46/1, ferngehalten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt. Begründend führte die belangte Behörde nach Zitat der angewendeten Vorschriften unter anderem aus, der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, daß zwei seiner Kälber in der Zeit vom 18. bis 25. Juni 1990 auf Schonungsflächen des oben bezeichneten Grundstückes geweidet hätten. Zu seiner Verantwortung, daß dieses Verhalten auf Grund eines Weiderechtes gerechtfertigt sei, habe die Agrarbehörde folgende Stellungnahme abgegeben: Gegenstand eines Kaufvertrages aus dem Jahre 1896, abgeschlossen zwischen H, Bauer zu G, als Verkäufer und S als Käufer sei unter anderem eine "Aste oder Galtmahd von 2.544 Klafter nebst dem Rechte 24 Rinder aufzutreiben". Im Regulierungsplan für die Agrargemeinschaft S vom 24. April 1937 scheine als Eigentümer der Stammsitzliegenschaft mit dem Gutsnamen "T oder G" F, der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers, auf. Weiters scheine im Regulierungsplan die Aste "D" auf (Stammsitzliegenschaft ebenfalls EZ 90056). Es sei daher davon auszugehen, daß die dem Kaufvertrag von 1896 zugrundeliegende Liegenschaft wenigstens weitgehend mit der heutigen Stammsitzliegenschaft EZ 90056 identisch sei. Das im Kaufvertrag erwähnte Auftriebsrecht sei also offenbar den damaligen Eigentümern dieser Stammsitzliegenschaft aus dem Titel der Gemeindegutsnutzung zugestanden und entspreche heute dem im Regulierungsplan aufscheinenden Mitgliedschaftsrecht an der Agrargemeinschaft S.
Der Beschwerdeführer könne sich somit auf ein Weiderecht "im Bereich D" nur insoweit berufen, als ihm dies als Rechtsnachfolger und derzeitigem Miteigentümer der Stammsitzliegenschaft EZ 90056 nach Maßgabe des Regulierungsplanes der Agrargemeinschaft S zukäme. Für Einforstungsrechte im Sinne des WWSG fänden sich keine Anhaltspunkte.
Die belangte Behörde führte weiters aus, der Beschwerdeführer habe nicht dafür Sorge getragen, daß es zu keinem Einweiden von Vieh (in die Schonungsflächen) käme. Er habe seine Aufsichtspflicht vernachlässigt. Sämtliche Aufforstungen seien auf Waldparzellen durchgeführt worden; die Waldinteressentschaft S bemühe sich, die degenerierten und überalterten Waldbestände im Rahmen eines genehmigten Schutzwaldprojektes umzuwandeln.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 25. Februar 1992, Zl. B 1075/91, ab. Mit Beschluß vom 29. April 1992, B 1075/91, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, nicht wegen der ihm zur Last gelegten Übertretung bestraft zu werden, verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 37 Abs. 1 ForstG darf durch die Waldweide die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen (§ 6 Abs. 2) nicht gefährdet werden.
Gemäß § 37 Abs. 3 ForstG darf in zur Verjüngung bestimmten Waldteilen, in denen das Weidevieh die bereits bestehende oder erst heranzuziehende Verjüngung schädigen könnte (Schonungsflächen), die Waldweide nicht ausgeübt werden. Die Weidetiere sind von den Schonungsflächen fernzuhalten. Auf Antrag des Waldeigentümers oder des Weideberechtigten hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die im § 12 festgelegten Grundsätze den Umfang, die Dauer und die Kennzeichnung der Schonungsflächen durch Bescheid festzulegen.
Nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer die Waldweide entgegen § 37 Abs. 3 auf Schonungsflächen betreibt oder die Weidetiere von solchen Flächen nicht fernhält.
Die Beschwerde vertritt zunächst die Auffassung, mangels Festlegung durch Bescheid handle es sich bei den beweideten Flächen nicht um Schonungsflächen im Sinne des § 37 Abs. 3 ForstG. Deren rechtliche Existenz setze ein Verfahren voraus; ein solches sei im Beschwerdefall nicht durchgeführt worden. Das "praktische Pflanzen von Setzlingen" führe nicht zur rechtlichen Qualifikation als Schonungsfläche.
Mit dieser Auffassung ist die Beschwerde nicht im Recht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB. die Erkenntnisse vom 27. September 1988, Zl. 87/10/0205, vom 13. Juni 1989, Zl. 89/10/0074, und vom 15. November 1993, Zlen. 93/10/0086, 0089, 0090) ist für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 37 Abs. 3 ForstG das Vorliegen eines Bescheides nach dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle nicht erforderlich. Das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Schonungsfläche im Sinne des § 37 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 8 ForstG (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 22. Februar 1993, Zl. 91/10/0084, und nochmals das Erkenntnis vom 15. November 1993,
Zlen. 93/10/0086, 0089, 0090) wurde vom Beschwerdeführer, der auch in der Beschwerde auf das "Pflanzen von Setzlingen" verweist, nicht bestritten. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Auffassung der belangten Behörde, bei den beweideten Flächen handle es sich um Schonungsflächen im Sinne des § 37 Abs. 3 ForstG, ist daher nicht rechtswidrig.
Nach § 37 Abs. 4 leg. cit. werden die für Weiderechte in Einforstungswäldern geltenden Bestimmungen der Regulierungsurkunden durch die Regelungen der Abs. 1 und 3 nicht berührt.
Unter Berufung auf diese Vorschrift vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er sei berechtigt gewesen, sein Vieh auf den strittigen Flächen weiden zu lassen. Es sei nicht gerechtfertigt, Weiderechte von Mitgliedern einer Agrargemeinschaft schlechter zu stellen.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37 Abs. 4 ForstG genießen die für Weiderechte in Einforstungswäldern geltenden Bestimmungen der Regulierungsurkunden Vorrang vor dem Weideverbot des § 37 Abs. 3 leg. cit. (vgl. die Erkenntnisse vom 18. Dezember 1986, Zl. 83/07/0369, und vom 22. Februar 1993, Zl. 91/10/0084). Dieser Vorrang läßt - sofern das Weiderecht ohne Beschränkung, insbesondere ohne Bedachtnahme auf forstpolizeiliche Vorschriften eingeräumt wurde (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 21. September 1982, Zl. 82/07/0027, und vom 13. Juni 1989, Zl. 89/10/0074) - das Verbot der Waldweide nach § 37 Abs. 3 ForstG zurücktreten.
Die Waldweide auf den strittigen Flächen unterläge somit dann nicht dem Verbot des § 37 Abs. 3 ForstG, wenn ihre Ausübung - insbesondere ohne Beschränkung im Sinne der soeben dargelegten Rechtsprechung - durch "für Weiderechte in Einforstungswäldern geltende Bestimmungen der Regulierungsurkunde" gestattet wäre. Es ist daher zu untersuchen, ob im Beschwerdefall die soeben dargelegten Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 4 ForstG zutreffen; zunächst ist zu erörtern, ob im Beschwerdefall ein "Einforstungswald" vorliegt.
Eine Definition des Begriffes "Einforstungswälder" findet sich in § 32 Abs. 1 ForstG. Danach sind Einforstungswälder Wälder, auf denen Nutzungsrechte (Einforstungsrechte) im Sinne des § 1 Abs. 1 des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, lasten. Zu den Nutzungsrechten im Sinne des § 1 Abs. 1 des eben erwähnten Grundsatzgesetzes 1951 sowie des § 1 Abs. 1 des in Ausführung dieses Gesetzes beschlossenen Gesetzes über die Behandlung von Wald- und Weidenutzungsrechten sowie besonderer Felddienstbarkeiten (Wald- und Weideservitutengesetz, WWSG), Tiroler LGBl. 1952 Nr. 21, zählen die Weiderechte auf fremdem Grund und Boden.
Ein "Einforstungswald" im Sinne des § 37 Abs. 4 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 ForstG läge im Beschwerdefall somit dann vor, wenn an der strittigen Fläche Weiderechte im Sinne des WWSG bestünden; hingegen könnte nicht von einem "Einforstungswald" gesprochen werden, wenn es sich bei den in Betracht kommenden Weiderechten um solche handelte, die nicht dem WWSG zu unterstellen sind.
Zum Begriff der Nutzungsrechte nach dem WWSG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. November 1988, Zl. 86/07/0080, dargelegt, es folge aus einer Reihe von Vorschriften des WWSG (vgl. etwa die §§ 2, 3, 4, 8, 9, 18) zwingend, daß die in diesem Gesetz geregelten Nutzungsrechte mit Liegenschaften verbunden seien; sie bestünden zugunsten einer (berechtigten) Liegenschaft, deren jeweiliger Eigentümer sie zu Lasten einer anderen Liegenschaft (der verpflichteten) ausübe. Demnach könne einer (physischen oder juristischen) Person ein solches Nutzungsrecht nur kraft ihres Eigentums an der berechtigten Liegenschaft zustehen.
Für einen solchen Sachverhalt liegt im Beschwerdefall kein Anhaltspunkt vor. Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren auf den (auszugsweise bei den Akten befindlichen) "Regelungsplan für den S
Interessentschaftswald ... gemäß § 77 FLG vom 6. Juni 1935,
LGBl. Nr. 42", der Landeshauptmannschaft für Tirol vom 24. April 1937 berufen. Dabei handelt es sich nach der ausdrücklichen Bezeichnung der Urkunde und deren Inhalt um den Regelungsplan der darin bezeichneten Agrargemeinschaft nach § 77 des Tiroler Flurverfassungsgesetzes, LGBl. Nr. 42/1935. Dieser hat nach § 80 leg. cit. unter anderem nähere Regelungen betreffend die agrargemeinschaftliche Weidenutzung zu enthalten; demgemäß sind der Urkunde nähere Vorschriften über die Weideausübung im Regelungsgebiet durch die Mitglieder der Agrargemeinschaft zu entnehmen. Es handelt sich dabei somit um eine Regelung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte, die nicht Nutzungsrechte im Sinne des WWSG sind (vgl. Lang, Tiroler Agrarrecht II, 49). Es kann daher auch nicht von einem "Einforstungswald" im Sinne des § 37 Abs. 4 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 ForstG gesprochen werden. Der Beschwerdeführer kann sich somit nicht mit Erfolg darauf berufen, daß dem Verbot des § 37 Abs. 3 ForstG im Hinblick auf Abs. 4 der zitierten Vorschrift im Beschwerdefall keine Bedeutung zukäme. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, es sei nicht gerechtfertigt, Weiderechte von Mitgliedern einer Agrargemeinschaft auf Gemeinschaftsgrund schlechter zu stellen (offenbar: als durch Regulierungsurkunden eingeräumte Weiderechte in Einforstungswäldern), ist er darauf zu verweisen, daß der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zu den Zielen des Forstrechtes (vgl. zB. VfSlg. 2192/1951, 10.765/1986) diese Beschwerde wegen Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts bzw. in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als nicht hinreichend erfolgversprechend angesehen hat.
Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer zur Auffassung gelangte, er sei zur Beaufsichtigung der Rinder nicht verpflichtet, kann der Beschwerde nicht entnommen werden. Es muß daher der Hinweis genügen, daß im Falle der Verwaltungsübertretung nach § 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt (vgl. zB. das Erkenntnis vom 18. Dezember 1993, Zlen. 93/10/0030, 0031). Nach § 6 Abs. 1 StGB, auf welche Vorschrift zur Auslegung des Begriffes "Fahrlässigkeit" zurückgegriffen werden kann, handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Nach § 6 Abs. 2 leg. cit. handelt fahrlässig auch, wer es für möglich hält, daß er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, irgendwelche Vorkehrungen getroffen zu haben, um dem Verbot des § 37 Abs. 3 ForstG bzw. dem Gebot, die Weidetiere von den Schonungsflächen fernzuhalten (§§ 37 Abs. 3, 174 Abs. 1 lit. a Z. 15 ForstG) zu entsprechen. Bei dieser Sachlage war es nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde angesichts der Feststellung, daß zwei Kälber des Beschwerdeführers in der Zeit vom 18. bis 25. Juni 1990 auf (nicht eingezäunten) Schonungsflächen weideten, fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers annahm.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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