VwGH 83/07/0369

VwGH83/07/036918.12.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesforste in Wien, vertreten durch Dr. RB, jur. adm. Delegierter der Österreichischen Bundesforste in Innsbruck, Blasius-HueberStraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21. November 1983, Zl. IIIa2-960/1, betreffend Waldweide, Schutzmaßnahmen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §32 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs3;
ForstG 1975 §37 Abs4;
ForstG 1975 §88 Abs1;
ForstG 1975 §88 Abs4;
ForstG 1975 §94 Abs1;
ForstG 1975 §94;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §32 Abs1;
ForstG 1975 §37 Abs3;
ForstG 1975 §37 Abs4;
ForstG 1975 §88 Abs1;
ForstG 1975 §88 Abs4;
ForstG 1975 §94 Abs1;
ForstG 1975 §94;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Oktober 1983 genehmigte die Bezirkshauptmannschaft Kufstein gemäß § 94 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (FG), den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Fällungsplan für den Försterbezirk n Wildschönau für das Jahrzehnt 1982 bis 1991 unter verschiedenen Auflagen, darunter folgender:

"8.) in Waldweidegebieten sind die Kulturen durch geeignete Maßnahmen vor dem Weidevieh zu schützen."

Diese Auflage bekämpfte die beschwerdeführende Partei mit Berufung, welche jedoch der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 21. November 1983 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abwies. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde unter Hinweis auf die §§ 37 Abs. 3 und 32 Abs. 1 FG ausgeführt, der Gesetzgeber sehe einen Schutz zu Gunsten der seit alters bestehenden Weidenutzungsrechte vor; § 37 Abs. 3 FG sei in dieser Beziehung eine einschränkende Bestimmung; § 94 Abs. 1 FG verweise auf § 88 Abs. 4 FG, wonach eine Bewilligung erforderlichenfalls unter Bedingungen und Auflagen im Interesse einer entsprechenden Waldbehandlung zu erteilen sei. Aus § 32 Abs. 1 FG ergebe sich, dass die widerstreitenden Interessen der Grundeigentümer und der Einforstungsberechtigten im Weg möglichster wechselseitiger Rücksichtnahme gelöst werden sollten. Die beschwerdeführende Partei trage den Nutzen aus der Bewirtschaftung, die Weideberechtigten - von denen der Fällungsplan nicht stamme - seien im forstrechtlichen Verfahren nur mittelbar betroffen. Wenn sie möglicherweise einen wirtschaftlichen Nachteil aus der Inanspruchnahme des Fällungsplanes durch den Grundeigentümer hätten, könne ihnen nicht die zusätzliche Last einer Abzäunung usw. auferlegt werden. Im übrigen wäre im Einzelfall durch ein Verfahren vor der Agrarbehörde nach dem Wald- und Weideservitutengesetz klarzustellen, ob die jeweiligen Servitutenregulierungsurkunden bestimmte Bewirtschaftungsmaßnahmen und eine bestimmte Lastenverteilung vorsähen. Die in Rede stehende Auflage sei erforderlich, um der Waldbewirtschaftung nach dem Gesetz im Einzelfall unter Abwägung der Interessen zu entsprechen; sie sei im übrigen so formuliert, dass eine Regelung in einer Servitutenregulierungsurkunde davon unberührt bleibe.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bekämpft, wobei sich die beschwerdeführende Partei nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Unterlassung der bezeichneten Vorschreibung verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde meint in ihrer Gegenschrift, in der Beschwerde fehle die Bezeichnung des Beschwerdepunktes. Dem Erfordernis des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist aber auch dann entsprochen, wenn der Inhalt der Beschwerde insgesamt (einschließlich der Sachverhaltsdarstellung) klar erkennen lässt, in welchem Recht sich die beschwerdeführende Partei verletzt erachtet (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11.525/A), dies trifft auch im vorliegenden Fall zu.

In der Hauptsache muss davon ausgegangen werden, dass gemäß § 94 Abs. 1 in Verbindung mit § 88 Abs. 4 FG die forstbehördliche Genehmigung eines Fällungsplanes erforderlichenfalls unter Bedingungen und Auflagen zu erteilen ist, die eine dem Gesetz entsprechende Waldbehandlung zu gewährleisten geeignet sind. Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt es daher zu prüfen, ob die von der beschwerdeführenden Partei bekämpfte Auflage diese und darüber hinaus die an Auflagen überhaupt zu stellenden Voraussetzungen erfüllt.

Zutreffend wird in der Gegenschrift darauf verwiesen, dass bei Realisierung eines Fällungsplanes die wiederaufzuforstenden Flächen vorübergehend zu Schonungsflächen werden. In solchen zur Verjüngung bestimmten Waldteilen, in denen Weidevieh die bereits bestehende oder erst heranzuziehende Verjüngung schädigen könnte, darf gemäß § 37 Abs. 3 FG die Waldweide nicht ausgeübt werden, die "Weidtiere von den Schonungsflächen fernzuhalten". Einer Auflage, mit welcher lediglich diese allgemeine Vorschrift in Erinnerung gerufen würde, bedarf es freilich nicht; sie könnte in solcher Form auch nicht rechtswirksam werden, weil sie inhaltlich nicht hinreichend bestimmt (§ 59 Abs. 1 AVG 1950) und deshalb nicht vollstreckbar wäre. Die erforderliche Bestimmtheit fehlt einer Vorschreibung, wenn sie nur einen Schutz "durch geeignete Maßnahmen" anordnet.

Wenn im angefochtenen Bescheid die Ansicht vertreten wird, der Gesetzgeber habe den Interessengegensatz von Grundeigentümern und Einforstungsberechtigten durch wechselseitige Rücksichtnahme lösen wollen, ist dem beizupflichten; dies ergibt sich einerseits aus § 32 Abs. 1 FG - wonach die Waldeigentümer die Bewirtschaftung so zu führen haben, "dass die Ausübung der Einforstungsrechte gewährleistet ist" -, andererseits aus § 37 Abs. 1 FG - wonach durch die Waldweide "die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen (§ 1 Abs. 1) nicht gefährdet werden" darf (vgl. auch § 172 Abs. 6 FG, wo Waldeigentümer und Einforstungsberechtigte einer gleichartigen Forstaufsicht unterliegen). Nun werden aber gemäß § 37 Abs. 4 FG die für Weiderechte in Einforstungswäldern geltenden Bestimmungen der Regulierungsurkunden durch die Regelungen der Absätze 1 und 3 dieses Paragraphen nicht berührt.

Eine einseitige Verpflichtung der beschwerdeführenden Partei wäre daher nur zulässig gewesen, wenn sich eine solche aus der Regulierungsurkunde ergeben hätte; aus dem Forstgesetz, insbesondere auch § 37 Abs. 3 zweiter Satz, lässt sie sich nicht ableiten.

Die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Auflage Punkt

8.) richtete sich somit gegen die beschwerdeführende Partei ohne Prüfung der maßgebenden Regulierungsurkunde, wem welche Lasten zuzuordnen sind; sie entbehrte auch der erforderlichen Bestimmtheit.

Der angefochtene Bescheid, der die bekämpfte Auflage aufrecht erhielt, war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die erteilte Fällungsbewilligung wird hievon im übrigen nicht berührt.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 18. Dezember 1986

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