VwGH 92/10/0080

VwGH92/10/008026.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Jänner 1992, Zl. N-101276/-I/Mö-1992, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
NatSchG OÖ 1982 §5 Abs1;
AVG §13a;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
NatSchG OÖ 1982 §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 9. September 1991 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung, daß durch die Errichtung eines Autoabstellplatzes auf dem Grundstück Nr. 788/9, solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden, gemäß § 5 Abs. 1 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982, LGBl. Nr. 80 (O.ö. NSchG 1982), abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auf ihr Interesse an der gegenständlichen Abstellmöglichkeit für ihren Pkw hingewiesen, da im Bereich der Bundesstraße während der Sommermonate keine Parkmöglichkeit bestehe. Der konkret geplante Abstellplatz solle mit Holz verkleidet und mit Pflanzen begrünt werden. Zu diesem Vorbringen habe die belangte Behörde ein Gutachten des Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz eingeholt, das folgenden Inhalt aufweise:

"Lage:

Die im Gegenstand angeführte Parzelle ist Teilfläche eines schmalen, sich zwischen dem Wasserkörper des Sees und der Bundesstraße erstreckenden Uferstreifens im nördlichen Ortsrandbereich von S und liegt auf Höhe von Bundesstraßenkilometer 13,0.

Vorhaben:

Geplant ist die Errichtung eines Autoabstellplatzes im Bereich der straßenseitigen Grundstücksgrenze mit einer Grundfläche von 6,5 x 3,5 m, der aufgrund der Höhendifferenz zwischen Bundesstraßenniveau und Grundstücksniveau von ca. 2,5 m als auskragende, an den Gehsteig anschließende Plattform, die auf 4 Betonpfeilern ruht, errichtet werden soll. Zum Zwecke der Gestaltung der auf dem Grundstück fundierten Betonpfeiler ist eine Holzverkleidung vorgesehen. Die Stellplattform soll mit einem Geländer, dessen Höhe der des Gehsteiggeländers entspricht, umgeben werden.

Befund:

Das Grundstück Nr. 788/9 ist Teilfläche eines ebenen, nur wenige Meter breiten Grünland-Uferstreifens zwischen Bundesstraße und See, der landseitig von der ca. 2,5 m höher gelegenen Bundesstraßen-Ausbautrasse begrenzt wird und von dieser aus über mehrere Stiegenabgänge erschlossen wird. Die Parzelle 788/9 sowie das nördlich angrenzende Grundstück 788/8 liegen im Übergangsbereich zwischen einem zum Zwecke der Erholungsnutzung intensiv umgestalteten Uferabschnitt im Süden und einem völlig naturbelassenen Uferabschnitt im Norden. So wurden zum Zwecke der Erholungsnutzung auf den südlich anschließenden Parzellen Rasenflächen angelegt, Ufersicherungsmaßnahmen durchgeführt, Badehütten bzw. Umkleidekabinen errichtet und Stege in den Wasserkörper eingebaut. Dem gegenüber stellt sich der nördlich an die genannten Parzellen anschließende Abschnitt als weitgehend ungenutzte, in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Steiluferzone dar, die durchgehend bewaldet ist. Im Gegensatz zu den südlich anschließenden Grundstücken weisen die Parzellen 788/8 und 788/9 keinerlei Baulichkeiten auf. An Seeinbauten findet sich je 1 den Grundstücken vorgelagerter Steg.

Während aufgrund der dichten Bestockung im Bereich des Naturuferabschnittes eine Sichtbeziehung zwischen Seefläche und Bundesstraße nur von wenigen Punkten aus gegeben ist, und überdies ein kontinuierlicher Übergang zwischen Straßentrasse und Gewässerrandlinie besteht, werden die im Zuge der Neutrassierung der Bundesstraße errichteten Stützmauern im Verlauf des zu Badezwecken ausgestalteten Uferabschnittes infolge der Geländeeinebnung und des nur lichten Bewuchses als harte Zäsur in der Landschaft wirksam. In Verbindung mit der Hangbebauung der nördlichen Ortsrandzone von S ergibt sich somit aus seeseitiger Betrachtungsrichtung, den Blick von Süden nach Norden schwenkend, das Erscheinungsbild einer anthropogen stark geprägten, überformten Uferlandschaft, die mit abnehmender Intensität der nutzungsbedingten Eingriffe in einen weitgehend unberührten Naturuferabschnitt übergeht.

Gutachten:

Aus dem im Befund dargelegten Sachverhalt ist zu entnehmen, daß das gegenständliche Grundstück in einer Übergangszone von intensiv genutzten Badegrundstücken mit dementsprechender Dichte der nutzungsbedingten Eingriffe und einem naturnahen Uferstreifen zu liegen kommt. Wenngleich durch die auf den südlich anschließenden Grundstücken bestehenden Hütten, die zahlreichen Gewässereinbauten und die Kunstbauwerke im Verlauf der Bundesstraßentrasse eine maßgebliche Vorbelastung der Uferlandschaft besteht, ist die durch die beantragte Stellplattform zu erwartende Zusatzwirkung auf das Landschaftsbild dennoch keineswegs als vernachlässigbar zu bezeichnen. Vielmehr ist das Vorhaben als Verlagerung der Verkehrsfläche in den unmittelbaren Gewässerrandbereich und als zusätzliches künstliches Raumelement in der Übergangszone zu einem naturnahen Uferraum zu bewerten. Aufgrund der Hochlage der Plattform entsprechend dem Niveau des Gehsteiges würde diese sowohl aus straßenseitiger Blickrichtung als auch aus seeseitiger Blickrichtung, wenngleich hier in Abhängigkeit vom Betrachtungsstandort mit unterschiedlicher Intensität, als landschaftsbelastender Fremdkörper in Erscheinung treten. Vom Niveau der Verkehrsfläche aus würde die Stellfläche gleichsam als asphaltierte Uferfläche, die den Übergang zwischen Wasserfläche, Grünland-Uferstreifen und Verkehrsfläche unterbricht, wirksam. Von der Wasserfläche aus würde die mit einem Geländer umgebene Plattform trotz der offenen Konstruktion auf Stützpfeiler als geometrischer Körper, der in seiner Wirkung einem Bauwerk sehr nahe kommt, wahrgenommen.

Ziel des Landschaftsschutzes in der Uferzone der heimischen Seen muß es sein, auch in jenen Räumen, die entsprechend dem starken Erholungsdruck für die Zwecke dieser Nutzung umgestaltet wurden, jede übermäßige Nutzungsverdichtung, insbesondere in den Außenzonen, hintan zu halten. Nur dadurch ist es langfristig möglich, eine sukzessiv fortschreitende, die Gewässerrandzone letztlich geschlossen erfassende Denaturierung zu verhindern und die Charakteristik der Uferlandschaft einigermaßen zu bewahren. Das Vorhaben ist zweifellos als deutliche Nutzungsverdichtung in der Randzone eines intensiv umgestalteten Uferabschnittes zu bewerten und widerspricht daher den genannten Zielsetzungen grundlegend. Neben der von der Stellplattform unmittelbar ausgehenden Störwirkung auf das Landschaftsbild des Umfeldes ist in einer Gesamtbetrachtung auch auf die im Falle einer positiven Feststellung zu erwartenden Beispielsfolgen im unmittelbaren Nahbereich hinzuweisen, zumal in einem Abschnitt von mehreren Hunderten von Metern nördlich und südlich hinsichtlich der Verfügbarkeit von Parkplätzen im öffentlichen Straßenraum die selbe Problematik besteht. Unter Annahme einer Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte wäre letztlich mit einer Vielzahl derartiger Konstruktionen zu rechnen, die in ihrer Wirkung einem abermaligen Ausbau der Bundesstraße in Form einer 3,5 m breiten Parkspur in Hochlage gleichkäme. Dadurch würde die Dominanz dieses Straßenbauwerkes im Landschaftsbild in unzumutbarer Weise verstärkt. Das Vorhaben ist aus den genannten Gründen aus fachlicher Sicht sowohl aufgrund der konkreten Auswirkungen im Landschaftsbild des unmittelbaren Umfeldes sowie aus grundsätzlichen Erwägungen entschieden abzulehnen."

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten darauf hingewiesen, daß nach Ausbau der Bundesstraße keine Park- und Zufahrtsmöglichkeit zu ihrem Grundstück bestünde. Die auf der Straße vorbeifahrenden Autos würden den Platz kaum wahrnehmen können. Was die Konstruktion aus der seeseitigen Blickrichtung anlange, so beabsichtige sie das Grundstück mit Bäumen und Sträuchern wieder zu begrünen. Außerdem sollten sämtliche Betonteile mit Holz verkleidet und mit Pflanzen begrünt werden. Ohne Zufahrts- und Parkmöglichkeit könnte die Beschwerdeführerin das gegenständliche Seegrundstück nicht mehr benützen.

Nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schloß sich die belangte Behörde den Ausführungen des Amtssachverständigen an. Sie vertrat dabei im wesentlichen die Auffassung, daß ein schlüssiges und in sich widerspruchsfreies Gutachten nur durch ein gleichwertiges Gutachten - und nicht durch bloß laienhafte Äußerungen - in seiner Beweiskraft erschüttert werden könne. Das verfahrensgegenständliche Objekt stelle daher einen Eingriff im Sinne des § 5 O.ö. NSchG 1982 dar. Dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes im Seeuferschutzbereich stünde lediglich das private Interesse der Beschwerdeführerin gegenüber, durch die Errichtung eines Autoabstellplatzes eine Möglichkeit zu schaffen, ihren Pkw im unmittelbaren Bereich ihres Badeplatzes abstellen zu können. Auch wenn die Bundesstraßenverwaltung als Straßenerhalter die Meinung vertrete, es sei im öffentlichen Interesse gelegen, wenn Anrainer von sich aus Einrichtungen schaffen würden, die das Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb der Fahrbahn ermöglichten, so werde damit lediglich das öffentliche Interesse des Straßenerhalters dokumentiert. Aufgrund der zu erwartenden Störwirkungen seien die dargelegten Interessen jedenfalls von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zum öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Landschaftsbildes. Erforderlichenfalls müßte die Beschwerdeführerin den 1 km entfernten öffentlichen Parkplatz in U benützen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 5 Abs. 1 O.ö. NSchG 1982 ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, daß solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.

§ 5 Abs. 1 leg. cit. verbietet nicht jede Veränderung der Natur im Seeuferbereich. Entscheidend ist, ob die Maßnahme zufolge ihres optischen Eindruckes das Landschaftsbild maßgebend verändert. Nur dann stellt sie einen Eingriff in das Landschaftsbild dar. Es kommt nicht darauf an, ob der Eingriff ein "störender" ist; auch ist nicht entscheidend, von welchem Punkt aus das den Eingriff darstellende Objekt einsehbar ist und ob es nur aus der Nähe oder auch aus weiterer Entfernung wahrgenommen werden kann (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1986, Slg. Nr. 12.069/A, und vom 9. Juli 1992, Zl. 91/10/0250).

Unter dem "Landschaftsbild" ist das Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu verstehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. März 1992, Zl. 91/10/0086).

Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage hat die belangte Behörde auf Grund der schlüssigen Sachverständigengutachten ausführlich und fehlerfrei begründet, inwiefern von dem gegenständlichen Projekt - in Gestalt einer Verstärkung der vorhandenen Eingriffswirkung - eine "maßgebende" Veränderung des Landschaftsbildes ausgeht.

Den eingeholten Sachverständigengutachten ist die Beschwerdeführerin nicht entsprechend entgegengetreten. Auch aus § 13a AVG, wonach die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren hat, kann nicht abgeleitet werden, daß die belangte Behörde - wie die Beschwerdeführerin meint - auf die Möglichkeit der Einholung eines "Gegengutachtens" gesondert hätte hinweisen müssen. Die in § 13a AVG normierte Manuduktionspflicht der Behörde geht nicht so weit, daß die Partei angeleitet werden müßte, Beweisanträge bestimmten Inhaltes zu stellen oder bestimmte Beweismittel beizubringen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1993, Zl. 93/10/0195, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie wegen der gesetzlich verankerten hohen Wertigkeit des Landschaftsbildes im Seeuferbereich das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieses Landschaftsbildes höher bewertete als das private Interesse der Beschwerdeführerin, durch die Errichtung eines Autoabstellplatzes eine Möglichkeit zu schaffen, ihren Pkw im unmittelbaren Bereich ihres Badeplatzes abstellen zu können.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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