Normen
AsylG 1968 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung und Angehöriger des alevitischen Glaubens, ist am 17. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 19. November 1991 den Antrag gestellt, ihm Asyl zu gewähren. Bei seiner am 21. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer an, in seiner Heimatprovinz sei es ständig zu Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der kurdischen Befreiungsorganisation PKK und Angehörigen der türkischen Armee gekommen, wobei er die PKK-Kämpfer mit Lebensmitteln versorgt habe. Im Jahre 1988 habe der Dorfvorsteher ihn zum Dorfwächter bestellen wollen, er habe diese Funktion aber im Hinblick auf seine Abstammung abgelehnt, weil er nicht gegen die kurdischen Freischärler habe kämpfen wollen. Ab diesem Zeitpunkt habe er laufend Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden gehabt. Am 1. Jänner 1989 sei er im Dorf von Soldaten festgenommen und auf den Posten gebracht worden, wo er einen Tag lang in Haft geblieben sei. Er habe sich entkleiden, in kaltes Wasser steigen und anschließend stundenlang im Freien in der Kälte stehen müssen. Sein Vater sei 1987 von Soldaten festgenommen und 17 Tage lang inhaftiert worden.
Mit Bescheid vom 26. November 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Artikels 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 nicht erfülle.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe bereits bei seinem ersten Interview angegeben, daß er Kurde sei und aus dem Dorf D in der Provinz B stamme. Er habe kein islamisches Religionsbekenntnis, sondern sei Alevite. In seinem Dorf habe es seit langem regelmäßig Übergriffe des türkischen Militärs gegen die Bevölkerung. Sein Vater sei 1987 von der Polizei unter einem Vorwand verhaftet und 20 Tage in Polizeigewahrsam gehalten worden, wo er auch schwer gefoltert worden sei. Der Beschwerdeführer selbst sei im Jahr 1988 verhaftet und ebenfalls von den Militärs gefoltert worden. Mehreren Verwandten sei es ebenso ergangen. Er fürchte um sein Leben, daher sei er aus der Türkei geflüchtet und habe in Österreich den Asylantrag gestellt.
Mit Bescheid vom 6. November 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß dem Beschwerdeführer kein Asyl gewährt werde. Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers enthalte keinerlei Hinweise darauf, daß seine Unterstützung der PKK den Behörden seines Heimatlandes überhaupt bekanntgeworden wäre bzw. auf diese Aktivitäten behördlicherseits mißbilligend reagiert worden wäre. Vielmehr stelle das an ihn herangetragene Angebot, als Dorfwächter tätig zu werden, einen Vertrauensbeweis dar, der nur Personen unterbreitet werde, die sich zumindest unauffällig und regimekonform verhalten hätten. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers lasse sich darin nicht erkennen. Zwar habe er weiters dargetan, daß er die Bekleidung dieser Funktion abgelehnt habe und daß ihm daraus Schwierigkeiten mit den türkischen Behörden erwachsen seien, doch beinhalte dieses allgemeine Vorbringen wie Verfolgung, Schwierigkeiten, Diskriminierung und Ähnliches ohne diese pauschalen Behauptungen durch nähere Angaben untermauern zu können, keine derart "tiefgründige Indizwirkung", um dem im § 37 AVG normierten Grundsatz der materiellen Wahrheit zu genügen, sodaß es dem im Asylgesetz angesprochenen Sachverhalt nicht zugrundegelegt werden könne und daher im Verwaltungsverfahren als unmaßgeblich angesehen werden müßte. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer im Zuge seiner Festnahme und Vernehmung seitens der türkischen Sicherheitsbehörden Mißhandlungen ausgesetzt gewesen sei, vermöge eine Gewährung von Asyl nicht zu rechtfertigen, da "Polizeiübergriffe" allein aus objektiver Sicht betrachtet, einen weiteren Verbleib in seinem Heimatland noch nicht als unzumutbar erscheinen ließen. Dies inbesondere auch deshalb, da zwischen dem von ihm geschilderten Vorfall und seiner Ausreise aus der Türkei beinahe drei Jahre verstrichen seien und somit ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang dieser beiden Ereignisse nicht gegeben sei. Dies und der Umstand, daß dem Beschwerdeführer aus der einmaligen Festnahme offenbar keinerlei nachteilige Folgen erwachsen seien, lasse die von ihm behauptete wohlbegründete Furcht vor weiteren Verfolgungshandlungen durch die türkischen Sicherheitsbehörden wenig glaubhaft erscheinen. Aus der Verhaftung seines Vaters hätten sich für ihn keinerlei nachteilige Folgen ergeben, zumal das Angebot, als Dorfwächter tätig zu werden, nach diesem Vorfall an ihn herangetragen worden sei und er somit für die türkischen Behörden als vertrauenswürdig gegolten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Insoweit der Beschwerdeführer zunächst eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Entscheidung der Behörde erster Instanz geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nur der angefochtene letztinstanzliche Bescheid ist. Die vom Beschwerdeführer angestellten rechtspolitischen Erwägungen können mit einem Verweis auf § 20 Asylgesetz 1991, welches Gesetz von der belangten Behörde bereits gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. anzuwenden war, beantwortet werden, da das Verfahren bei der belangten Behörde bereits am 1. Juni 1992 anhängig war. Gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens (nur) dann anzuordnen, wenn es offenkundig mangelhaft war - die anderen im Gesetz genannten Anwendungsfälle liegen hier nicht vor. Auch eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ist dem Akteninhalt jedoch nicht zu entnehmen und wurde selbst in der Berufung nicht geltend gemacht. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 bestimmt, daß die Asylbehörden zwar in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet und die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen, wobei erforderlichenfalls auch Bescheinigungsmittel von Amts wegen beizuschaffen sind. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen darstellt, begründet jedoch keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen konkreten Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung dieser Angaben zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. u.a. hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0768 und die dort angegebene Judikatur). Da im Beschwerdefall hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde nicht verhalten, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. Von einer "Widersprüchlichkeit" der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegten Sachverhaltsgrundlage kann keine Rede sein. Dem Beschwerdeführer ist allerdings zuzugeben, daß die Annahme der belangten Behörde, das an den Beschwerdeführer herangetragene Angebot, als Dorfwächter tätig zu werden, stelle einen Vertrauensbeweis dar und werde nur Personen unterbreitet, die sich zumindest unauffällig und regimekonform verhalten hätten, nicht durch entsprechende Feststellungen gedeckt ist. Dem Beschwerdeführer ist auch weiters zuzugeben, daß angesichts der von ihm ganz konkret behaupteten Art der Mißhandlung anläßlich seiner Festnahme die Beurteilung der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers enthalte ausschließlich "pauschale Behauptungen", die er durch "nähere Angaben" nicht habe "untermauern" können, nicht nachvollziehbar ist und angesichts der Art der behaupteten Mißhandlung von asylrechtlich irrelevanten "Polizeiübergriffen" wohl nicht gesprochen werden kann. Dennoch ist dadurch für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, da - ausgehend von dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991, d.h. von den Angaben des Beschwerdeführers selbst - die belangte Behörde zu keinem anderen Ergebnis hätte kommen können, besteht doch angesichts der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Mißhandlungen anläßlich seiner Festnahme am 1. Jänner 1989 und seiner erst im November 1991, d.h. fast drei Jahre später erfolgten Flucht aus seinem Heimatland kein ausreichender zeitlicher Konnex mehr, der zur Glaubhaftmachung des Vorliegens AKTUELLER Verfolgungsgefahr geeignet wäre.
Da die Beschwerde sich daher als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
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