Normen
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 20. September 1991 wurde der Beschwerdeführer zahlreicher Übertretungen der §§ 9 und 12 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz und des § 4 Arbeitsruhegesetz schuldig erkannt, weil er es als zur Vertretung nach außen Berufener einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. zu verantworten habe, daß von den in der beiliegenen Aufstellung angeführten Arbeitnehmern (mit Ausnahme eines namentlich genannten) die zulässige Tagesarbeitszeit und die zulässige Wochenarbeitszeit überschritten worden seien, daß die ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden und am Wochenende eine durchgehende Ruhezeit von 36 Stunden nicht gewährt worden seien. Über den Beschwerdeführer wurden wegen dieser ingesamt 57 Übertretungen Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung, in der er unter anderem geltend machte, daß "eigentlich" keine Aufstellung dem Straferkenntnis beiliege. Die im Akt erliegende Aufstellung sei, wie sich aus dem Deckblatt der Aufstellung ergebe, der Strafanzeige beigelegt worden.
3. Im Amtsvermerk vom 17. Oktober 1991 trat die Erstbehörde dieser Behauptung entgegen mit dem Hinweis, ihre Unrichtigkeit sei anläßlich einer Strafverhandlung am 17. Oktober 1991, bei der der Vertreter des Beschwerdeführers anwesend gewesen sei, festgestellt worden. Dem Rechtsanwalt, der die Berufung verfaßt habe, sei eine Kopie des Straferkenntnisses übersandt worden. Falls dieser Kopie keine Aufstellung beigelegt worden sei, könne dieses Versehen nicht zu Lasten der Behörde gehen.
4.1. Der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (der belangten Behörde) vom 4. November 1991 enthält folgenden Spruch:
"Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 20.9.1991, 15.1-91/609, wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG 1950, BGBl. Nr. 172, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 357/1990 in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz - VStG 1950, BGBl. Nr. 172, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 358/1990 aus dem Grunde des § 44a lit. a VStG 1950 aufgehoben und die dagegen erhobene Berufung als unzulässig zurückgewiesen."
4.2. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, das erstinstanzliche Straferkenntnis entspreche nicht dem § 44a VStG. Da das Straferkenntnis die im Spruch erwähnte beiliegende Aufstellung nicht enthalte (was sowohl für das im Akt befindliche Konzept als auch für das an den Beschwerdeführer ergangene Original gelte), liege "kein dem Gesetz entsprechender Bescheid bzw. ein Nichtbescheid vor, weshalb wie im Spruch ersichtlich vorzugehen" gewesen sei.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II.
1.1. Gemäß § 24 VStG 1950 in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 358/1990 (1. Jänner 1991) gilt § 66 AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren.
1.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Die Aufhebung eines Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG setzt eine Begründung dafür voraus, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht im Zuge des Berufungsverfahrens, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Unterbehörde vorgenommen werden kann (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, unter E.Nr. 2b zu § 66 Abs. 2 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Dies gilt auch für solche aufhebenden Bescheide, die sich zwar im Spruch auf § 66 Abs. 4 AVG stützen, die Angelegenheit jedoch keiner endgültigen meritorischen Erledigung zuführen und ihrem Wesen nach daher eine Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG darstellen (siehe die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., unter E.Nr. 31 zu § 66 Abs. 2 AVG zitierte Entscheidung).
1.3. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
2. Die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides durch die belangte Behörde stellt - trotz der Berufung auf § 66 Abs. 4 AVG - keine Sachentscheidung dar, weil in ihm nur zum Ausdruck kommt, daß der erstinstanzliche Bescheid gegen § 44a VStG 1950 verstößt, nicht aber die Einstellung des gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens verfügt wird. Die Aufhebung ist ihrem Inhalt nach als Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG anzusehen - sie wurde nach dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von der Erstbehörde auch in dieser Richtung verstanden -, für die aber keine Begründung im oben beschriebenen Sinne gegeben wird. Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
3. Unerfindlich ist, aus welchem Grund die belangte Behörde, die im Spruch ihres Bescheides § 66 Abs. 4 AVG zitiert und im ersten Teil des Spruches eine - wenn auch unzutreffende - Entscheidung über den bei ihr angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid getroffen hat, im zweiten Teil ihres Spruches die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen hat. Sollte dieser Zurückweisung der Gedanke zugrunde gelegen sein, es liege ein Nichtbescheid vor - ob die belangte Behörde von einem fehlerhaften Bescheid oder einem Nichtbescheid ausgeht, ist im Hinblick auf die oben unter I.4.2. wörtlich wiedergegebene Formulierung nicht erkennbar -, ist damit nicht in Einklang zu bringen, daß sich die belangte Behörde bemüßigt gesehen hat, im ersten Teil ihres Spruches den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufzuheben.
In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß selbst dann, wenn die nicht näher begründete Annahme der belangten Behörde, die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannte Aufstellung sei dem Bescheid nicht beigelegen, zuträfe - was nach dem Aktenvermerk der erstinstanzlichen Behörde vom 17. Oktober 1991 und den Ausführungen in der vorliegenden Beschwerde nicht der Fall sein dürfte -, der rechtliche Schluß, das erstinstanzliche Straferkenntnis sei ein "Nichtbescheid", verfehlt wäre, weil eine unvollständige Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch des Straferkenntnisses nichts daran ändert, daß über den Beschuldigten Strafen verhängt wurden, die - bleibt das Straferkenntnis unbekämpft - vollstreckbar werden.
4. Aus dem unter Punkt II.2. genannten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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