VwGH 93/11/0138

VwGH93/11/013816.12.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 2. Juni 1993, Zl. I/7-St-S-9217, betreffend Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Mai 1992 auf Erteilung einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe E abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und C gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 bis 19.März 1994 befristet wird.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die sich lediglich gegen den erstgenannten Auspruch betreffend Versagung der beantragten Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe E richtet, macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung dieses Auspruches. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete die bekämpfte Versagung der Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe E mit der mangelnden geistigen und körperlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken solcher Kraftfahrzeuge. Sie stützte sich dabei auf das Gutachten ihres ärztlichen Amtssachverständigen vom 19. März 1993, der seinerseits ein "Hilfsgutachten" der Psychiatrischen Klinik der Universität Wien vom 2. Februar 1993 verwertete. Der Sachverständige verneinte die geistige und körperliche Eignung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die von der Universitätsklinik konstatierte leistungsmäßige Reduktion der Daueraufmerksamkeit und der Aufmerksamkeit über kurze Zeit. Im Rigiditätstest seien unter Speed - Bedingungen vor allem für die linke Hand Beharrungstendenzen faßbar. Im Rorschachversuch wären u.a. die Variabilität im Denken leicht eingeschränkt, die Brems-, Steuerungs- und Kontrollmechanismen noch ausreichend gewesen. Insgesamt habe der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang neurotisch imponiert. Unter Bezugnahme auf das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen der Erstbehörde, der Bundespolizeidirektion Schwechat, wurde ferner betont, daß ein Alkoholmißbrauch nicht ausgeschlossen werden könne; ferner wurde auf den im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten verkehrspsychologischen Befund verwiesen, in dem von einer herabgesetzten Reaktionsgeschwindigkeit und -sicherheit, von einer verminderten Auskunftsbereitschaft bei Verdeckungstendenzen, von einer eher dominanten und aggressiven Haltung und einer Überschätzung des eigenen Fahrkönnens die Rede gewesen sei. Diesem Gutachten schloß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid an.

Vorauszuschicken ist, daß die belangte Behörde die Versagung der Lenkerberechtigung nicht auf den Verdacht des Alkoholmißbrauchs stützte. Dieser Verdacht wird im amtsärztlichen Gutachten nur am Rande erwähnt und ist offensichtlich für die gezogene sachverständige Schlußfolgerung nicht tragend. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen gehen daher ins Leere.

Gleiches gilt für die Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit dem Ergebnis des verkehrspsychologischen Befundes. Dieser wurde - wie bereits ausgeführt - im erstinstanzlichen Verfahren erstellt. Im Gutachten des Amtssachverständigen der belangten Behörde wird darauf ebenfalls nur am Rande eingegangen, und zwar zur Bestätigung des Ergebnisses der Untersuchung des Beschwerdeführers durch die Psychiatrische Universitätsklinik.

Der Beschwerdeführer hat aber im Berufungsverfahren der belangten Behörde ein neuropsychiatrisches Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 4. Mai 1993 vorgelegt. Darin kommt der Privatsachverständige zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer sei "vom neuropsychiatrischen Standpunkt aus uneingeschränkt in der Lage Führerscheine der Klassen A, B, C, D, E, F und G zu erwerben und die entsprechenden Kraftfahrzeuge zu bedienen". Der Sachverständige kommt zu diesem Schluß sowohl aufgrund eigener Untersuchungen als auch in Auseinandersetzung mit dem "Hilfsgutachten" der Universitätsklinik vom 2. Februar 1993. Die belangte Behörde erwähnt in der Begründung des angefochtenen Bescheides dieses Gegengutachten wohl, sie setzt sich mit seinem Inhalt aber nicht auseinander. Sie beschränkt sich darauf, das Amtssachverständigengutachten für klar, eindeutig und schlüssig zu erklären. Es sei darin in nachvollziehbarer Weise dargestellt, von welchen Voraussetzungen es ausgehe und es sei schlüssig und verständlich. Das private Gegengutachten sei daher keinesfalls geeignet, das amtsärztliche Gutachten zu widerlegen. Die Erklärungen des Beschwerdeführers selbst seien hingegen lediglich "einfache Behauptungen".

Die belangte Behörde hat damit ihre Beweiswürdigung, nach welcher sie dem Privatgutachten nicht gefolgt ist, in Wahrheit nicht begründet. Sie hat die beiden einander widersprechenden Gutachten nicht zueinander in Beziehung gesetzt und ausgeführt, warum sie dem Amtssachverständigengutachten den Vorzug gegeben hat. Der Verwaltungsgerichtshof seinerseits vermag keinen Umstand zu erkennen, aus welchen Gründen das Privatgutachten unschlüssig oder unverständlich sein sollte. Die belangte Behörde hätte in nachvollziehbarer Weise darzulegen gehabt, wieso sie das Privatgutachten für weniger aussagekräftig als das Amtssachverständigengutachten erachtet hat; in diesem Zusammenhang wäre es offenkundig auch angezeigt gewesen, das Privatgutachten dem Amtssachverständigen zur Stellungnahme zu übermitteln.

Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z.3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte