VwGH 93/04/0144

VwGH93/04/014423.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Mai 1993, Zl. 309.779/3-III/5/93, betreffend Konzessionsentziehung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
GewO 1973 §13 Abs3;
GewO 1973 §13 Abs4;
GewO 1973 §13 Abs5;
GewO 1973 §87 Abs1 Z1;
GewO 1973 §87 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
GewO 1973 §13 Abs3;
GewO 1973 §13 Abs4;
GewO 1973 §13 Abs5;
GewO 1973 §87 Abs1 Z1;
GewO 1973 §87 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich des Verwaltungsgeschehens wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1989, Zl. 88/04/0148, verwiesen. Mit dem zitierten Erkenntnis wurde der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. April 1988 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies (unter Hinweis auf die hg. Vorjudikatur) im wesentlichen mit der Begründung, § 87 Abs. 2 GewO 1973 enthalte hinsichtlich des Absehens von der Entziehung der Gewerbeberechtigung eine abschließende Regelung. Auch eine allenfalls von der Nachsichtsbehörde im Zuge der Anhängigkeit des Entziehungsverfahrens gemäß § 26 GewO 1973 erteilte Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung stelle demnach keine bindende Entscheidung für die Entziehungsbehörde bei der Beurteilung der Frage dar, ob die Voraussetzungen für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 gegeben seien. Die für die Entziehung der Gewerbeberechtigung zuständige Behörde habe unabhängig von der für die Erteilung der Nachsicht zuständigen Behörde und unabhängig davon, ob eine Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung erteilt worden sei, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung zu prüfen. Wenn daher die belangte Behörde im (damaligen) Beschwerdefall die ihr nach § 87 Abs. 2 GewO 1973 obliegende Beurteilung abweichend vom vordargestellten Normeninhalt dieser Bestimmung auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 2 GewO 1973 abgestellt habe und ausgehend davon zur Annahme gelangt sei, daß die Frage der wirtschaftlichen Lage der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht entscheidungsrelevant sei, fehle hiefür eine gesetzliche Deckung. Auch der in den Darlegungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/04/0072, und der dort angeführten Vorjudikatur enthaltene Hinweis, "... wie dies im übrigen auch in den Nachsichtsvoraussetzungen des § 26 Abs. 1 GewO 1973 zum Ausdruck kommt", sei unabhängig vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 3 und 4 bzw. 5 GewO 1973 ausschließlich in dem Zusammenhang erfolgt, daß nach § 87 Abs. 2 GewO 1973 von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen sei, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage von der natürlichen Person erwartet werden könne, daß sie auf den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde.

Im fortgesetzten Verfahren erging sodann der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Mai 1992, mit welchem er der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Dezember 1986 (der den Abspruch zum Inhalt hat, daß der Beschwerdeführerin ihre Konzession für ein Gastgewerbe in der Betriebsart eines Cafe-Restaurants im näher bezeichneten Standort entzogen worden ist) keine Folge gab und den bekämpften Bescheid gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 und 5 GewO 1973 bestätigte.

Dieser Ausspruch wurde damit begründet, nach der Erteilung der bezeichneten Konzession sei mit Beschluß des Kreisgerichtes vom Juli 1983 über das Vermögen der J-GmbH, W, ein Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden. Der Beschwerdeführerin sei, da sie sowohl handelrechtliche Geschäftsführerin der in Rede stehenden Gesellschaft, als auch deren Gesellschafterin gewesen sei, im Hinblick darauf ein maßgeblicher Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte dieser Gesellschaft zugestanden. Daher liege auf Grund der Eröffnung des Konkursverfahrens hinsichtlich der Beschwerdeführerin ein Gewerbeausschließungsgrund gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1973 i.V.m.

§ 13 Abs. 5 GewO 1973 vor. Nach der Aktenlage seien in den Jahren 1983 bis 1992 laufend Exekutionsverfahren durchgeführt worden, und zwar 1983 2 Exekutionsverfahren,

1984 30 Exekutionsverfahren, 1985 27 Exekutionsverfahren, 1986 15 Exekutionsverfahren, 1987 7 Exekutionsverfahren, 1988 11 Exekutionsverfahren, 1989 7 Exekutionsverfahren, 1990 2 Exekutionsverfahren, 1991 3 Exekutionsverfahren und 1992 2 Exekutionsverfahren. Dem Bezirksgericht W sei hierauf vom Bundesministerium eine Aufstellung von Exekutionen gegen die Beschwerdeführerin übermittelt worden. Die Exekutionsabteilung des Bezirksgerichtes W habe daraufhin am 12. Februar 1993 mitgeteilt: "Die angeschlossene Aufstellung wurde überprüft. Bei den mit 0 oder § 200/3 EO bezeichneten Exekutionen hat sich keine Änderung ergeben. Ob die Forderungen bezahlt wurden oder ob auf die Forderungen verzichtet wurde, kann nicht gesagt werden, da sich die Parteien auch außergerichtlich geeinigt haben können. Die Verfahren wurden jedenfalls bis jetzt nicht weiterbetrieben bzw. fortgesetzt. Seit der Exekution E 439/92 seien keine Exekutionen anhängig, die nicht durch Bezahlung oder Verzicht auf die Forderung erledigt worden seien." Bei den mit 0 oder § 200/3 EO bezeichneten Exekutionen handle es sich um die Forderungen folgender Gläubiger

" 1 9 8 4

Betreibender Gläubiger:

15/84 Dr. K S 77.145,58

134/84 Fa. E S 23.289,60

691/84 Fa. S S 4.129,03

779/84 M S 20.531,88

1393/84 Fa. E S 3.533,40

1433/84 F S 10.928,22

1434/84 SVA d. gewerbl. Wirtschaft S 3.294,82

1501/84 X-Versicherung S 3.806,--

1510/84 Marktgemeinde W S 46.582,34

1556/84 Ge S 2.401,30

1 9 8 5

Betreibender Gläubiger:

53/85 Fa. As S 14.239,92

86/85 B S 1.937,20

259/85 Fa. D S 1.596,42

410/85 Einbringungsstelle S 92.716,--

453/85 A S 1.707,--

470/85 Einbringungsstelle S 1.220,--

502/85 Diözese Linz S 7.059,--

831/85 Mag. Ro S 26.100,--

849/85 X-Versicherung S 5.039,--

904/85 I S 5.919,56

950/85 Fa. S S 5.834,--

1004/85 Fa. R (restl.) S 2.046,--

1012/85 L S 37.760,--

1 9 8 6

Betreibender Gläubiger:

306/86 Fa. A = 1298/89 S 5.085,63

523/86 P S 15.990,--

591/86 Fa. R S 5.941,41

620/86 V S 200.000,--

845/86 Fa. R S 1.930,34

878/86 A S 1.759,20

906/86 I S 7.149,--

929/86 I S 5.352,--

1016/86 Dr. B S 13.559,40

1101/86 Fa. T = E 1145/90 S 8.161,96

1191/86 Fa. S S 131.305,34

1 9 8 7

Betreibender Gläubiger:

1296/87 H (restl.) S 7.850,12

1 9 8 8

Betreibender Gläubiger:

93/88 Fa. I S 3.297,15

159/88 Kammer d. gewerbl. Wirtschaft S 1.062,--

253/88 SVA d. gewerbl. Wirtschaft S 3.430,30

707/88 Einbringungsstelle S 2.660,--

1182/88 Fa. A S 4.815,--

1228/88 Fr S 10.257,74

1 9 8 9

Betreibender Gläubiger:

303/89 Dr. K = E 1283/91 S 60.299,35".

Am 15. März 1993 sei vom Bezirksgericht W an die

Beschwerdeführerin folgende Bestätigung übersandt worden:

" B e s t ä t i g u n g :

E - Zahl Betreibende Partei wegen

E 27/83 Ra S 3,691.411,16 s.A

E 3001/84 G S 182.745,13 s.A

E 3011/84 Finanzamt S 2,274.615,97 s.A

E 3021/84 Einbringungsstelle S 93.336,-- s.A

Obige Exekutionen betreffen alle Exekutionsanträge auf Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 7, KG W. E 27/83 war führender Akt. E 3001/84, E 3011/84 und E 3021/84 sind diesem Verfahren beigetreten.

Am 14.12.1984 wurde die Liegenschaft öffentlich versteigert. Die Exekutionsverfahren sind durch den Meistbotsverteilungsbeschluß vom 4.2.1985 (rechtskräftig am 25.2.1985) beendet."

Diese Bestätigung sei vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin dem Bundesministerium mit dem Hinweis vorgelegt worden, daß die in dieser Bestätigung angeführten Exekutionen durch den Meistbotverteilungsbeschluß beendet seien. Die Fachgruppe Gastronomie in der Sektion Fremdenverkehr der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich und die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich hätten sich nicht gegen eine Konzessionsentziehung ausgesprochen.

Nach Wiedergabe maßgebender Rechtsvorschriften heißt es sodann weiters, die Gewerbeausübung sei jedenfalls dann vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen und daher gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 von der im Abs. 1 dieses Paragraphen in Verbindung mit § 13 Abs. 3 und 5 GewO 1973 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden könne, daß den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachgekommen werde, wie dies im übrigen in den Nachsichtsvoraussetzungen des § 26 Abs. 1 GewO 1973 zum Ausdruck komme, was voraussetze, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden seien. Die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin sei dadurch charakterisiert, daß von 1984 bis 1992 zahlreiche Exekutionsverfahren gegen sie anhängig geworden seien, die nur zum Teil durch Zahlung erledigt worden seien. Die Erledigung der vollstreckbaren Forderungen in der oben bezeichneten Größenordnung sei von der Beschwerdeführerin bisher nicht nachgewiesen worden. Bei der gegebenen Sachlage seien die Voraussetzungen für eine Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 13 Abs. 3 GewO 1973 gegeben, was der Gewerbebehörde die Verfügung der Entziehung zur Pflicht mache, wenn nicht § 87 Abs. 2 GewO 1973 zur Anwendung gelange. Ein Gläubigerinteresse im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1973 liege nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens aber nicht vor, weil im Hinblick auf die zahlreichen Exekutionsverfahren, die gegen die Beschwerdeführerin anhängig seien, nicht angenommen werden könne, daß sie in Hinkunft den mit der Ausübung des gegenständlichen Gastgewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde; selbst dann nicht, wenn in letzter Zeit keine neuen Exekutionsverfahren hinzugekommen sein sollten. Daran vermöge auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß sämtliche oben angeführten Exekutionen nicht mehr betrieben würden, nichts zu ändern. Daß die betreibenden Gläubiger, insbesondere auf Grund des verstrichenen Zeitraumes seit 1984 von der Fortsetzung dieser Exekutionen für immer Abstand genommen hätten, könne nicht zwingend angenommen werden, weil die Exekutionstitel nach wie vor aufrecht und entsprechende Verzichtserklärungen nicht beigebracht worden seien. Es könne auch auf die Vernehmung der Beschwerdeführerin bzw. deren Gatten verzichtet werden, weil auf Grund der Aktenlage der Sachverhalt soweit klargestellt sei, daß eine Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 87 Abs. 2 GewO 1973 im gegenständlichen Fall nicht in Betracht komme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichtentziehung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die Gewerbeausübung einer natürlichen Person sei jedenfalls dann vorwiegend im Interesse der Gläubiger, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage von der natürlichen Person erwartet werden könne, daß sie den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen werde, was jedenfalls voraussetze, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden seien. Die belangte Behörde, die an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden sei, stelle bei ihrer Entscheidung jedoch nicht auf die nunmehrige wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin ab. Vielmehr stütze sie ihre Entscheidung auf die im Zeitraum von 1984 bis 1992 anhängigen Exekutionsverfahren, die nach Ansicht der Berufungsbehörde nur zum Teil durch Zahlung erledigt worden seien. Es stehe zwar außer Zweifel, daß im angegebenen Zeitraum diverse Exekutionsverfahren gegen die Beschwerdeführerin anhängig gewesen seien, doch lasse die belangte Behörde völlig außer acht, daß diese Verfahren bereits erledigt worden seien, sei es durch Zahlung der ausstehenden Forderungen, sei es durch Erlaß von Forderungen in Einigung mit den Gläubigern. Diese Maßnahmen wirkten völlig schuldbefreiend, sodaß die von der belangten Behörde für ihre Entscheidung herangezogenen Exekutionsverfahren der Beschwerdeführerin nicht mehr angelastet werden könnten, sohin auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage, auf die alleine abzustellen sei, durchaus erwartet werden könne, daß sie den mit der Ausübung des Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde. Auch die am 9. Dezember 1992 vom Bezirksgericht W abgegebene Bestätigung, wonach gegen die Beschwerdeführerin keine offenen Exekutionsverfahren anhängig seien, charakterisierte die nunmehrige wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin, die als Grundlage für eine inhaltlich rechtsrichtige Entscheidung heranzuziehen gewesen wäre. Die belangte Behörde habe neuerlich zu Unrecht nicht die nunmehrige wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin zur Beurteilung herangezogen und aus unverständlichen Gründen die Bestätigung des Bezirksgerichtes W vom 9. Dezember 1992 bei dieser Beurteilung nicht berücksichtigt. Die Behörde habe in ihrem Bescheid ein Nichtvorliegen des Gläubigerinteresses anläßlich der zahlreichen Exekutionsverfahren, die gegen die Beschwerdeführerin anhängig seien, angenommen. Offensichtlich habe die Behörde, die zwar vorgebe, auf Grund eines durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu diesem Ergebnis gelangt zu sein, den Sachverhalt aktenwidrig angenommen. Diese aktenwidrige Annahme beziehe sich auf einen wesentlichen Punkt, da von der Frage der Exekutionsverfahren das Ergebnis der Entscheidung abhängig sei. So vermöge die belangte Behörde nicht einmal darzutun, welche konkreten Exekutionsverfahren gegen die Beschwerdeführerin etwa in den Jahren 1990 bis 1992 überhaupt noch betrieben und auf welche Weise diese zur Einstellung gebracht worden seien. Gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 wäre die Behörde von Amts wegen verpflichtet, die nunmehrige wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin zu durchleuchten. Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ermittlungsverfahrens hätte bereits die Bestätigung des Bezirksgerichtes W ausreichen müssen, zumal diese aktenkundig gewesen sei, um zu einem gänzlich anderen Verfahrenergebnis zu gelangen. Die Behörde habe es unterlassen, die im Hinblick auf die einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung in Betracht kommenden Tatsachen zu ermitteln, die eine rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes in Richtung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1973 ermöglicht hätte. Die Behörde argumentiere weiters dahingehend, daß die Beschwerdeführerin ihren Zahlungsverpflichtungen im Hinblick auf das gegenständliche Gastgewerbe selbst dann nicht nachkommen werde, wenn in letzter Zeit keine neuen Exekutionsverfahren hinzugekommen sein sollten. Daran würde auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß sämtliche angeführten Exekutionen nicht mehr betrieben würden, nichts ändern. Diese Begründung, die sich in rein hypothetischen Annahmen der belangten Behörde erschöpfe, sei unstatthaft und könne eine derartige Beweiswürdigung mit Sicherheit nicht der inhaltlichen Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes standhalten. Die Behörde habe es jedenfalls unterlassen, eine Differenzierung vorzunehmen, daß nur die nunmehrige Situation als entscheidungsrelevant herangezogen werde. Mangelhaft stelle sich das Verfahren auch insoweit dar, als der Beschwerdeführerin das subjektive Recht auf Gewährung des Parteiengehörs nicht eingeräumt worden sei. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG sei den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Tatsächlich sei auf die Vernehmung der Beschwerdeführerin verzichtet worden, da auf Grund der Aktenlage der Sachverhalt soweit klargestellt sei, daß eine Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 87 Abs. 2 GewO 1973 im gegenständlichen Fall nicht in Betracht käme. Die Behörde ignoriere damit auch die mit Schreiben vom 15. März 1993 beantragte Anhörung der Beschwerdeführerin vor der erkennenden Behörde, obwohl § 43 Abs. 4 AVG, der sich zwar nur auf die mündliche Verhandlung ausdrücklich beziehe, doch für das Verfahren allgemein gelte, die Stellung von Beweisanträgen vorsehe, wobei bloß offenbar unerhebliche Anträge zurückzuweisen seien. Offenbar unerheblich sei ein Beweisantrag nur dann, wenn der angebotene Beweis objektiv nicht geeignet sei, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern. Tatsächlich hätte die Anhörung der Beschwerdeführerin aber eine Klarstellung hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 87 Abs. 2 GewO 1973 gebracht, sodaß nicht nur das subjektive Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei, sondern auch die Verfahrensbestimmung des § 43 Abs. 4 AVG. Nicht zuletzt maße sich die belangte Behörde durch den Verzicht auf die Einvernahme der Beschwerdeführerin eine antizipierende Beweiswürdigung an, indem sie den Wert des Beweises abstrakt, d. h. im vorhinein beurteile. Eine solche vorgreifende Beweiswürdigung sei jedoch unzulässig und belaste den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Durch diesen Verstoß gegen qualifizierte Verfahrensvorschriften (§ 42 Abs. 4 AVG, § 45 Abs. 3 AVG) sei es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, die durch die Behörde aktenwidrig erfolgte Annahme von Tatsachen klarzustellen.

Im Beschwerdefall ist bei der im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes durchzuführenden nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung des dargestellten Beschwerdevorbringens entscheidend, ob die belangte Behörde die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1973 anzunehmen gehabt hätte.

Gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 1 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder zweimaliger Eröffnung des Ausgleichsverfahrens oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 von der im Abs. 1 Z. 1 dieses Paragraphen - i.V.m. § 13 Abs. 3 und 4 GewO 1973 - vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage von der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das entzogene Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden. Die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen, weshalb auch allfällige Erklärungen von Gläubigern, wegen ihrer offenen Forderungen ein Interesse an der Weiterführung des betroffenen Gewerbes zu haben, allein für eine derartige Annahme noch nicht als ausreichend anzusehen sind. Dies insbesondere auch deshalb, weil, abgesehen von den bereits bestehenden Gläubigerforderungen, im Sinne der obigen Darlegungen auch zu berücksichtigen ist, daß im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartende Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/04/0047, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang weiters in seinem Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 90/04/0208, dargetan hat, geht es darum, daß die Zahlungspflichten bei Fälligkeit erfüllt werden. Eine vom Kriterium der Leistung aller fälligen Zahlungen losgelöste Vor- und Nachteilsabwägung ist nicht vorzunehmen. Solange nicht die Erwartung der Zahlung bei Fälligkeit besteht, kommt auch einer einen Abbau von Schulden in sich schließenden Unternehmensentwicklung keine Relevanz zu (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/04/0047).

Die belangte Behörde ging nun einerseits davon aus, "daß von 1984 bis 1992 zahlreiche Exekutionsverfahren ... anhängig wurden, die nur zum Teil durch Zahlung erledigt worden sind". Die Erledigung der vollstreckbaren Forderungen "in der oben bezeichneten Größenordnung" sei von der Beschwerdeführerin "bisher nicht nachgewiesen worden". Andererseits heißt es, daß "im Hinblick auf die zahlreichen Exekutionsverfahren, die gegen die Berufungswerberin anhängig sind, nicht angenommen werden kann, daß sie in Hinkunft den mit der Ausübung des mit dem gegenständlichen Gastgewerbe verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde".

Die Beschwerdeführerin ist mit ihrer Verfahrensrüge im Ergebnis insofern im Recht, als im angefochtenen Bescheid nicht in nachvollziehbarer Weise dargestellt wird, welche der "zahlreichen Exekutionsverfahren" noch anhängig sind. Insbesondere hat es die belangte Behörde in diesem Zusammenhang unterlassen darzutun, weshalb sie (offenkundig) der Annahme ist, der am 9. Dezember 1992 vom Bezirksgericht W abgegebenen Bestätigung, wonach gegen die Beschwerdeführerin "keine offenen Exekutionsverfahren anhängig sind", komme keine Entscheidungsrelevanz zu.

Derart ist der Verwaltungsgerichtshof aber daran gehindert, hinsichtlich der Annahme der belangten Behörde, auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage könne von der Beschwerdeführerin nicht erwartet werden, daß sie auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochene Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde, die inhaltliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes zu überprüfen.

Daran vermag auch nichts zu ändern, daß die Verfahrensrüge in der Beschwerde verfehlt ist, die Begründung, wonach das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, "daß sämtliche oben angeführten Exekutionen nicht mehr betrieben werden, nichts zu ändern" vermöchten, erschöpfe sich in rein hypothetischen Annahmen der belangten Behörde. Wird doch damit kein konkreter Hinweis dargetan, daß die Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren in diesem Zusammenhang ein Vorbringen erstattet hätte, das die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang schon behauptungsmäßig zur Annahme hätte veranlassen müssen, daß im Hinblick auf ERFOLGTE

SCHULDENTILGUNG, GETROFFENE GLÄUBIGERVEREINBARUNGEN UND DIE

NUNMEHRIGE WIRTSCHAFTLICHE LAGE der Beschwerdeführerin sowohl eine vereinbarungsgemäße Tilgung der bereits entstandenen Forderung als auch die Abdeckung der laufenden, mit einer weiteren Gewerbeausübung verbundenen Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin in ausreichender Weise GESICHERT wären (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/04/0157). Ausgehend von DIESER Behauptung vermag ein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel nicht erkannt zu werden, wenn es die belangte Behörde unterlassen hat, auf das mit dieser Behauptung im Zusammenhang stehende Bescheinigungsanbieten der Vernehmung der Beschwerdeführerin bzw. der Gatten einzugehen. Dies insbesondere im Hinblick darauf, daß mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes korrespondiert, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind, was auch auf die Bestimmung des § 87 Abs. 2 GewO 1973 insofern zutrifft, als damit im Zusammenhang stehende Feststellungen notwendigerweise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbieten der Partei voraussetzen (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 91/04/0045, und die dort zitierte weitere

hg. Rechtsprechung).

In diesem Zusammenhang ist auch die eine Verletzung des § 43 Abs. 4 AVG geltend machende Verfahrensrüge verfehlt. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, bezieht sich § 43 Abs. 4 AVG nur auf die mündliche Verhandlung und es ist eine solche in einem Verfahren der gegenständlichen Art weder vorgeschrieben noch hat eine solche stattgefunden. Eine Verletzung des Parteiengehörs im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG vermag aber der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten auch im Lichte des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen, zumal ein Recht auf mündliche Vernehmung nach der hier relevanten Rechtslage nicht besteht.

Aus den oben dargestellten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid jedoch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

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