VwGH 93/02/0069

VwGH93/02/006929.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des W in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 9. Februar 1993, Zl. Senat-WU-92-032, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
VStG §51c;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §53 Abs1;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
VStG §51c;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, am 15. März 1991 gegen 18.40 im Ortsgebiet von Purkersdorf einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der B 1 in Richtung Wien gelenkt zu haben, wobei er 1. sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, 2. es nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden auf Höhe des Hauses X-Straße, mit dem er in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und bei dem ein Alleebaum beschädigt worden sei, unterlassen zu haben, ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen, und 3. es nach diesem Verkehrsunfall unterlassen zu haben, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, da er die Unfallstelle sofort verlassen habe. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu

1. nach § 5 Abs. 1 StVO 1960, zu 2. nach § 99 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 4 Abs. 5 leg. cit. und zu 3. nach § 99 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. begangen, weshalb über ihn zu 1. eine Geldstrafe von S 9.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) und zu 2. und 3. eine solche von je S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 2 Tage) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51c VStG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß im vorliegenden Fall nicht ein Senat der belangten Behörde, sondern eines ihrer Mitglieder entschieden hat, obwohl im erstbehördlichen Bescheid eine Geldstrafe von insgesamt mehr als S 10.000,-- verhängt wurde.

Dieser Rechtsauffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.

Gemäß § 22 Abs. 1 VStG sind dann, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, oder wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen.

Wird somit ein Beschuldigter wegen mehrerer selbständiger Verwaltungsübertretungen verfolgt, so handelt es sich um jeweils selbständige Verwaltungsstrafverfahren, die durch jeweils selbständigen Bescheid abzuschließen sind. Daran vermag der Umstand, daß die Verfahren aus prozeßökonomischen Gründen in einen Akt zusammengefaßt und die Entscheidung in einer gemeinsamen Bescheidausfertigung getroffen wird, nichts zu ändern. Werden somit in einem Bescheid mehrere Strafen gegen einen Beschuldigten wegen mehrerer Delikte verhängt, die jede für sich S 10.000,-- nicht, zusammen aber diese Grenze übersteigen, ist dennoch das Einzelmitglied des unabhängigen Verwaltungssenates zuständig (vgl. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, S. 182, und Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 5. Auflage, S. 372, Rz 931).

Da im vorliegenden Fall im erstbehördlichen Straferkenntnis gegen den Beschwerdeführer wegen keiner der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, liegt somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor.

Der Beschwerdeführer verkennt auch die Rechtslage, wenn er meint, es reiche für eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung nicht hin, einem Beschuldigten einen Akteninhalt mit der Aufforderung zur Stellungnahme zur Kenntnis zu bringen, ohne die Tathandlungen im einzelnen zu bezeichnen, auf die sich das Verfahren beziehen solle. Zur Begründung genügt es, unter Anwendung der Bestimmung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11.525/A, zu verweisen.

Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, der Tatbestand des § 4 Abs. 5 StVO 1960 sei von ihm deshalb nicht verwirklicht worden, weil die Gendarmerie ohnedies von dritter Seite verständigt worden sei und zu einem Zeitpunkt, zu dem er frühestens die Möglichkeit gehabt hätte, eine Verständigung vorzunehmen, bereits zum Unfallsort unterwegs gewesen sei. Es trifft zwar zu, daß die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 nicht durch den Beschädiger persönlich erfolgen muß, sondern auch durch Dritte erfüllt werden kann. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil die Verständigung der Gendarmerie im vorliegenden Fall nicht über Auftrag des Beschwerdeführers, sondern von einem Unfallszeugen aus selbständigem Antrieb erfolgte. Dessen Tätigwerden kann daher dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1987, Zl. 86/03/0165). Eine einem Unfallbeteiligten nicht zurechenbare Verständigung ändert nichts an der Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer auch nichts von der Initiative des in Rede stehenden Unfallbeteiligten gewußt. Es bildet daher auch keinen Verfahrensverstoß, daß die belangte Behörde Feststellungen über den Zeitpunkt, wann die Gendarmerie vom Verkehrsunfall verständigt wurde, nicht getroffen hat.

Die Feststellungen der belangten Behörde über seine Alkoholisierung bekämpft der Beschwerdeführer mit der Behauptung, die belangte Behörde habe, obwohl sie dies ausdrücklich festgestellt habe, außer acht gelassen, daß er vor der "Alkomatprobe" Bier getrunken habe, sodaß das Meßergebnis durch den an der Mundschleimhaut haftenden Alkohol verfälscht worden sei. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang unbestritten festgestellt, zwischen dem letzten Alkoholkonsum und der Durchführung des Testes seien jedenfalls mehr als 15 Minuten verstrichen. Nach Ablauf eines solchen Zeitraumes ist aber, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zlen. 92/02/0006, 0007, und die dort zitierte Vorjudikatur), mit einer Verfälschung des Meßergebnisses durch Restalkohol im Mund nicht mehr zu rechnen.

Auch die von der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Feststellung des Alkoholisierungsgrades des Beschwerdeführers vertretene Rechtsansicht, als Gegenbeweis zur Entkräftung des Ergebnisses eine Untersuchung der Atemluft nach § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 sei ausschließlich die Blutabnahme mit anschließender Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zulässig, steht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Einklang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0067). Es bildet daher auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, wenn die belangte Behörde (andere) Beweisanträge des Beschwerdeführers zur Feststellung seines tatsächlichen Alkoholisierungsgrades nicht berücksichtigte.

Mit der weiteren Rüge, die belangte Behörde habe keine Feststellungen darüber getroffen, wann das Atemalkoholgerät zuletzt vor der gegenständlichen Untersuchung geeicht wurde, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil er selbst nicht behauptet, im in Rede stehenden Zeitpunkt sei die Eichfrist bereits abgelaufen gewesen. Es ist daher die Relevanz des in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensverstoßes im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich die auf das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen gegründete Feststellung der belangten Behörde mit dem Vorbringen bekämpft, dieses Gutachten sei unrichtig und hätte entsprechend den Anträgen des Beschwerdeführers durch einen gerichtsmedizinischen Sachverständigen des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien überprüft werden müssen, bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Es ist daher daran zu erinnern, daß diese der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur in die Richtung unterliegt, ob der Sachverhalt vollständig erhoben wurde und ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen schlüssig sind, d.h. mit dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut und mit den Denkgesetzen in Einklang stehen (vgl. das

hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Im Rahmen dieser eingeschränkten Prüfung erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als frei von Rechtsirrtum. Die belangte Behörde hat nämlich in schlüssiger Weise dargelegt, warum sie dem Gutachten des Amtssachverständigen gegenüber dem Gutachten des Privatsachverständigen den Vorzug gab. Diese schlüssige Begründung gibt keinen Raum für die Notwendigkeit der Beiziehung eines weiteren nichtamtlichen Sachverständigen im Sinne des § 52 Abs. 2 AVG. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Feststellung der belangten Behörde, Anhaltspunkte für eine Gehirnerschütterung lägen nicht vor, als aktenwidrig rügt, so läßt er erkennen, daß er das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen vom 13. Oktober 1992 mißverstanden hat. Dieser trifft darin nämlich ausgehend von den Zeugenaussagen die Feststellung, daß - wenn überhaupt - beim Beschwerdeführer eine Bewußtlosigkeit von maximal einer Minute bestanden haben kann, kommt aber in der Folge wegen des Fehlens äußerer Verletzungen zu dem Ergebnis, daß eine solche und damit auch eine Gehirnerschütterung tatsächlich gar nicht bestanden hat.

In Erwiderung eines diesbezüglichen Beschwerdevorbringens sei noch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach es keinen Verfahrensverstoß bildet, wenn ein Sachverständiger, der an dem Beweisverfahren in einer unteren Instanz teilgenommen hat, in dieser Eigenschaft auch in höherer Instanz gehört wird (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 92, unter Nr. 6 zitierte hg. Judikatur).

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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