VwGH 92/12/0151

VwGH92/12/015126.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des J in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juli 1992, Zl. 126.153/6-II/2/92, betreffend Fahrtkostenzuschuß nach § 20b des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs1;
GehG 1956 §20b Abs6 Z2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs1;
GehG 1956 §20b Abs6 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Auwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Bundespolizeidirektion Graz.

Mit Eingabe vom 31. Oktober 1991 suchte der Beschwerdeführer um Fahrtkostenzuschuß für die Fahrten zwischen dem Dienstort Graz und seinem Wohnort M an. Er habe, da er zum Zeitpunkt seiner Versetzung nach Graz (1. Oktober 1990) keine Wohnung in der Steiermark gehabt habe, kurze Zeit bei seinen Eltern in K Unterkunft genommen und sich in mehreren Gemeinden bemüht, eine Wohnung zu erlangen. Der Sohn des Beschwerdeführers leide seit der Geburt am Apnoe Syndrom (plötzlicher Kindestod), eine Krankheit die vor allem in Städten auftrete, wo die Umweltbelastung sehr hoch sei. Da dem Beschwerdeführer eine "BUWOG-Wohnung" außerhalb von Graz nicht in Aussicht gestellt worden sei, sei er gezwungen gewesen, ein Wohnungsangebot der Gemeinde M anzunehmen, wo er seit Jänner 1991 gemeinsam mit seiner Gattin und seinem Sohn wohne. Er habe diese Wohnsitzwahl nicht selbst zu vertreten, weil ihm aus familiären und gesundheitlichen Gründen das Wohnen in der Stadt nicht zugemutet werden könne.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 1991 gab die Bundespolizeidirektion Graz dem Ansuchen des Beschwerdeführers nicht statt, da er aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, mehr als 20 Kilometer außerhalb des Dienstortes wohne. In der Bescheidbegründung wird dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte sich um eine BUWOG-Wohnung bemüht, entgegengehalten, er habe nun angegeben, infolge der Krankheit seines Sohnes keine weiteren Bemühungen zur Erlangung einer Wohnung am Dienstort oder in der näheren Umgebung unternommen zu haben. Die Dienstbehörde sehe das Wohnungsansuchen deshalb nur als Alibihandlung an, zumal das Kind des Beschwerdeführers laut ärztlicher Bestätigung schon seit dessen Geburt am 10. November 1989 - also schon vor der Versetzung des Beschwerdeführers nach Graz - krank gewesen sei. Obwohl beim Beschwerdeführer soziale und familiäre Gründe sowie die Krankheit des Kindes für die Wahl des Wohnsitzes in M ausschlaggebend gewesen seien, habe er diese Gründe selbst zu vertreten. Der Beschwerdeführer habe nach Bekanntgabe dieser Auffassung der Dienstbehörde keine Einwendungen vorgebracht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er im wesentlichen damit begründete, er habe sich nach seiner Versetzung in Gemeinden, die den Anforderungen bezüglich Luftqualität entsprächen, die die Erkrankung seines Sohnes erforderlich gemacht hätte, um eine Wohnung bemüht. Auf Grund der geographischen Gegebenheiten des Großraumes Grazer Becken und der damit im Zusammenhang stehenden vorherrschenden Wetterlage, die an überdurchschnittlich vielen Tagen Nebel bzw. Smoggefahr (Inversionswetterlage) mit sich bringe, sei dieser Raum nur sehr eingeschränkt zur Begründung eines Wohnsitzes geeignet. Dennoch habe er diesbezüglich um eine BUWOG-Wohnung angesucht und hätte im Falle eines Anbotes geprüft, ob diese geeignet gewesen wäre, doch sei ihm eine solche Wohnung bis jetzt noch nicht angeboten worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und begründete diesen Bescheid nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Wiedergabe der angewendeten Bestimmung im wesentlichen damit, Gründe, die der Beamte im Sinne des § 20b Abs. 6 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 nicht selbst zu vertreten habe, lägen insbesondere dann vor, wenn ihm die Beschaffung einer Wohnung innerhalb von 20 km seines Dienstortes aus wirtschaftlichen, sozialen, familiären oder gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden könne. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müßten diese Gründe von unabweislich zwingend notwendiger Natur sein, um die Begründung eines Wohnsitzes durch den Beamten in einem mehr als 20 km von seinem Dienstort entfernten Ort als von ihm selbst nicht zu vertreten zu qualifizieren. Für die Unanwendbarkeit des Ausschlußtatbestandes genüge also nicht, daß ein Wohnen mehr als 20 km außerhalb des Dienstortes für den Beamten oder seine Familie vorteilhaft oder zweckmäßig sei, es müßten hiefür vielmehr unabweislich notwendige Gründe vorliegen. Ob dies zutreffe, könne die Behörde im Regelfall (sofern keine offenkundigen Tatsachen im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG gegeben seien) nur auf Grund eines entsprechend konkreten Vorbringens des Beamten beurteilen (Hinweis auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1989, Zl. 87/12/0083). Im Bechwerdefall sei unbestritten, daß der Wohnsitz des Beschwerdeführers in M mehr als 20 km vom Dienstort Graz entfernt gelegen sei. Strittig sei ob die Gründe, welche den Beschwerdeführer dazu bewogen hätten, einen Wohnsitz zu wählen, der mehr als 20 km von seinem Dienstort entfernt liege, selbst zu vertreten habe oder nicht. Dies hänge davon ab, ob es dem Beschwerdeführer tatsächlich unzumutbar oder unmöglich gewesen sei, sich in Graz oder innerhalb des Umkreises von 20 km davon eine erschwingliche Wohnmöglichkeit zu beschaffen (Hinweis auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1987, Zl. 87/12/0090). Die Begründung für die Beibehaltung des derzeitigen Wohnsitzes des Beschwerdeführers, sein Sohn leide an einer Atemwegserkrankung, weshalb jede Belastung mit Rauch, Staub, Abgasen, Smog und Ähnlichem vermieden werden müsse, könne die belangte Behörde nicht teilen. Es liege zwar auf der Hand, daß bei einer derartigen Erkrankung der Aufenthalt in guter Luft zur Vermeidung einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes erforderlich sei. Dies allein bedinge aber noch nicht die Verlegung des Wohnsitzes in einen Bereich, der mehr als 20 km außerhalb von Graz liege. Wohngegenden mit guter Luft fänden sich auch im näheren Umkreis von Graz. Dies sei vom Beschwerdeführer nicht zur Gänze verneint worden, weil er in der Berufung angeführt habe, das Grazer Becken sei "eingeschränkt" zur Begründung eines Wohnsitzes geeignet und er - im Falle der Zuweisung einer BUWOG-Wohnung - eine solche in Erwägung ziehen würde. Zu prüfen sei, ob es dem Beschwerdeführer tatsächlich unmöglich oder unzumutbar gewesen sei, sich innerhalb des Umkreises von 20 km vom Dienstort eine erschwingliche Wohnmöglichkeit zu beschaffen. Dabei komme es insbesondere darauf an, wie ernsthaft der Beschwerdeführer sich um die Erlangung einer Wohnung, die für seine besondere familiäre Situation geeignet sei, bemüht habe (Hinweis auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1985, Zl. 84/12/0091). Dazu werde festgestellt, die vom Beschwerdeführer dargelegten Versuche, eine Wohnung zu erlangen, hätten die belangte Behörde nicht davon überzeugt, daß der Beschwerdeführer sich tatsächlich ernsthaft genug um die Beschaffung einer Wohnung im genannten Bereich bemüht habe, da seine diesbezüglichen Dispositionen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht nicht geeignet gewesen seien, das Vorliegen ernstlicher Bemühungen zu belegen. Er habe nur vorgebracht, daß er sich nach seiner Versetzung zur Bundespolizeidirektion Graz (1. Oktober 1990) bei der BUWOG sowie bei einigen Gemeinden (die allerdings nicht in der näheren Umgebung des Dienstortes lägen) um die Erlangung einer Wohnung bemüht habe. Er habe sich bei der Wohnungssuche im Stadtgebiet von Graz und in einer Entfernung von 20 km um den Dienstort demnach auf seine Anfrage bei der BUWOG beschränkt, was die Schlußfolgerung nahe lege, daß kein wirklich ernsthaftes Bemühen um die Erlangung einer zumutbaren, erschwinglichen Wohnung in dem vom Gesetz genannten Bereich vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, mehrere seriöse Immobilienfirmen zu kontaktieren, wodurch seine Chance, eine geeignete Wohnung zu finden, vergrößert worden wäre. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer seit Verlegung seines Wohnsitzes nach M im Jänner 1991 offensichtlich keine Aktivitäten zur Erlangung einer Wohnmöglichkeit innerhalb von 20 km seines Dienstortes gesetzt habe. Die belangte Behörde gelange in Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers zur Auffassung, daß die von ihm getroffene Wohnsitzwahl die naheliegendste, zweckmäßigste und vorteilhafteste Lösung seines Wohnungsproblemes darstelle. Die von ihm angeführten Gründe für die Beibehaltung seines Wohnsitzes seien jedoch nicht als unabweislich zwingend notwendige, sondern vielmehr als solche zu qualifizieren, die der Beschwerdeführer im Sinne des Gesetzes selbst zu vertreten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Strittig ist im Beschwerdefall nur die Frage, ob die belangte Behörde das Vorliegen des den Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß ausschließenden Tatbestandes nach § 20b Abs. 6 Z. 2 des Gehaltsgesetzes annehmen durfte oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beamte ein Wohnen außerhalb der 20 km-Zone (gerechnet von der Gemeindegrenze des Dienstortes) dann nicht selbst zu vertreten, wenn - unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles - hiefür unabweislich notwendige Gründe vorliegen (vgl. zuletzt Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 89/12/0047 mit weiteren Judikaturhinweisen). Dies ist dann der Fall, wenn dem Beamten zu der von ihm gewählten Möglichkeit zur Begründung eines Wohnsitzes außerhalb der 20 km-Zone keine zumutbare Handlungsalternative offen steht. Ob dies der Fall ist, kann jeweils nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, die unter Mitwirkung des Beamten von der Dienstbehörde zu erheben und einer sorgfältigen (Gesamt)Würdigung durch die Dienstbehörde zu unterziehen sind.

Eine zumutbare Handlungsalternative fehlt nicht nur in jenem Fall, in dem der Beamte mit seiner Wohnungswahl einer Rechtspflicht nachkommt. Familiäre Umstände (wie z.B. die Erkrankung der Ehegattin des Beamten) wurden in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Motiv für einen nicht vom Beamten zu vertretenden Wohnsitzwechsel angesehen, sodaß die festgestellte Krankheit des Sohnes des Beschwerdeführers an sich als Grund für die Wohnsitznahme außerhalb der 20 km-Zone in Frage kommen kann. Dies setzt allerdings voraus, daß die festgestellte Krankheit des Sohnes des Beschwerdeführers eine Wohnsitznahme in Graz oder innerhalb der 20-km Zone zwingend ausschließt. Daß dies der Fall wäre, hat der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren nie ausdrücklich behauptet, sondern vielmehr - worauf die belangte Behörde hingewiesen hat - in seinem Vorbringen zugestanden "dieser Raum sei nur sehr eingeschränkt zur Begründung eines Wohnsitzes geeignet". Seinem weiteren Berufungsvorbringen er hätte im Falle des Anbotes einer BUWOG-Wohnung (offenbar innerhalb der 20 km-Zone) im Einzelfall geprüft, ob diese geeignet wäre, zeigt deutlich, daß der Beschwerdeführer selbst die Möglichkeit nicht ausgeschlossen hat, innerhalb dieses Bereiches eine geeignete Wohnung finden zu können.

Schon aus diesem Grund war die belangte Behörde nicht gehalten durch Sachverständige Erhebungen über die Luftqualität innerhalb der Zone durchführen zu lassen, um Feststellungen darüber treffen zu können, ob dort eine nicht gesundheitsgefährdende Wohnmöglichkeit hätte gefunden werden können.

Die belangte Behörde hat auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend dargelegt, warum sie in der alleinigen Anfrage des Beschwerdeführers um eine BUWOG-Wohnung kein ausreichendes, ernsthaftes Bemühen des Beschwerdeführers zur Erlangung einer den gesundheitlich bedingten Anforderungen entsprechenden Wohnung innerhalb der 20 km-Zone anerkannt hat.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe, als sich ihm die Gelegenheit in M geboten habe, vernünftigerweise nicht anders handeln können, als sie anzunehmen, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, hat doch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegt, daß diese Wohnungswahl zwar die für den Beschwerdeführer naheliegendste, zweckmäßigste und vorteilhafteste Lösung seines Wohnungsproblems dargestellt hat, jedoch im Sinne des § 20b Abs. 6 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 vom Beschwerdeführer selbst zu vertreten ist, weil die Gründe für die Wohnungsnahme nicht von unabweislich zwingend notwendiger Natur waren. Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der Dienstgeber nicht in der Lage sei, für den Beschwerdeführer eine solche Dienststelle zu finden, die den außerordentlichen Gegebenheiten seines Falles Rechnung trage, ist für die Beurteilung seines Anspruches ohne rechtliche Bedeutung. Ebensowenig der von ihm eingewendete Umstand, durch die Erkrankung seines Kindes sei eine Berufstätigkeit seiner Gattin ausgeschlossen, wenn auch diesen Gesichtspunkten im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten unter Berücksichtigung der den Dienstgeber treffenden Fürsorgepflicht Rechnung getragen werden könnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte