VwGH 91/08/0082

VwGH91/08/008216.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des A in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 19. März 1991, Zl. 121.118/1-7/91, betreffend die Pflichtversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1031 Wien, Ghegastraße 1) zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1002;
ABGB §861;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
BSVG §2 Abs1 Z1;
ABGB §1002;
ABGB §861;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
BSVG §2 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Jänner 1990 stellte die mitbeteiligte Partei über Antrag des Beschwerdeführers fest, daß die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Kranken- (Betriebshilfe)versicherung, Pensionsversicherung und landwirtschaftlichen Unfallversicherung mit 31. August 1984 geendet habe. Nach Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen führte die mitbeteiligte Partei begründend aus, am 8. März 1984 sei vom Beschwerdeführer und seiner Gattin vor dem Notar Dr. B ein Bewirtschaftungs- und Fruchtnießungsvertrag errichtet worden, aus dem hervorgehe, daß der Beschwerdeführer seiner Gattin die Fruchtnießung bzw. die alleinige Bewirtschaftung an der Liegenschaft S einräume. Gemäß Punkt Drittens des erwähnten Vertrages werde dieser rechtswirksam mit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung und beginnend mit 1. September 1984; die selbstständige landwirtschaftliche Tätigkeit der rechtseinräumenden Vertragsseite (Beschwerdeführer) ende somit per

31. August 1984. Darüber hinaus werde ergänzend festgestellt, daß der Beschwerdeführer am 2. Juli 1983 einen Antrag auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension eingebracht habe, in welchem vermerkt gewesen sei, daß die selbständige Erwerbstätigkeit vom Beschwerdeführer weiterhin ausgeübt werde bzw. diese (erst) nach Bewilligung der Pension aufgegeben werde. Gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. August 1983 sei rechtzeitig Klage an das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich zu Aktenzahl 11 C 73/83 eingebracht worden. Im Zuge des Leistungsstreitverfahrens sei nach Vorliegen der entsprechenden Gutachten festgestellt worden, daß die medizinischen Voraussetzungen für eine Pension erfüllt gewesen seien. Es sei noch in der Verhandlung vom 31. Juli 1984 festgestellt worden, daß eine Betriebsaufgabe noch nicht erfolgt sei. Am 18. Oktober 1984 sei ein Vergleich dahingehend abgeschlossen worden, daß die mitbeteiligte Partei verpflichtet sei, dem Beschwerdeführer zum Stichtag 1. September 1984 die Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen. Mit Bescheid vom 20. November 1984 sei aufgrund der Ergebnisse des Leistungsstreitverfahrens die Zuerkennung der Pension aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit per 1. September 1984 bestätigt worden. Dennoch sei im Leistungsstreitverfahren niemals behauptet oder sonstwie bewiesen worden, daß die Betriebsaufgabe bereits mit 1. Jänner 1984 erfolgt sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gebenden Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. November 1990 ebenfalls keine Folge und bestätigte dessen Bescheid.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb werde auf Rechnung und Gefahr jener Person geführt, die aufgrund ihrer dinglichen oder obligatorischen Rechtsstellung aus den getätigten Geschäften (im Rahmen der Betriebsführung) im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet werde und vertrat dabei die Auffassung, daß der gegenständliche land(forst)wirtschaftliche Betrieb vor Übergabe mit Notariatsakt vom 3. August 1984 an die Ehegattin des Beschwerdeführers auf dessen Rechnung und Gefahr geführt worden sei. Das Ermittlungsverfahren habe nicht ergeben, daß bereits vor dem schriftlichen Bewirtschaftungs- und Fruchtnießungsvertrag vom 3. August 1984 ein dinglicher oder obligatorischer Rechtsakt erfolgt sei, der bewirkt hätte, daß im Außenverhältnis nicht der Beschwerdeführer, sondern seine Ehegattin aus der Führung des Betriebes (allein) berechtigt und verpflichtet worden sei. Die Übernahme der landwirtschaftlichen Arbeiten durch die Ehegattin des Beschwerdeführers erfülle diese Voraussetzung nicht. Insbesondere verwies die belangte Behörde auf die Punkte 3. und 4. des Vertrages vom 3. August 1984, wonach die selbständige landwirtschaftliche Tätigkeit des Beschwerdeführers mit 31. August 1984 ende, die Übergabe und Übernahme des zum Betrieb gehörenden Vermögens in den tatsächlichen Besitz und Genuß mit diesem Tage beginne und damit Gefahr und Zufall, Last und Vorteil, wie überhaupt alle Nutzungen und Rechte, übergehen sollten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, beantragte nur die Abweisung der Beschwerde als unbegründet und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 11. Oktober 1961, Slg. Nr. 5644/A, vom 27. März 1981, Zl. 08/0558/79, vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051, vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119, vom 3. Juli 1990, Zl. 89/08/164, vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0234, und vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197) kommt es bei der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb im Sinne des Sozialversicherungsrechtes der Bauern geführt wird, darauf an, ob jene Person, deren Versicherungs- und Beitragspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Dabei wird ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb ab jenem Zeitpunkt auf Rechnung und Gefahr einer Person geführt, ab dem sie auf Grund ihrer dinglichen oder obligatorischen Rechtsstellung aus den getätigten Geschäften (im Rahmen der Betriebsführung) im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 1961, Slg. 5644/A, vom 19. März 1969, Zl. 1516/68, vom 9. November 1979, Zl. 751, 752/78, und vom 19. September 1980, Zl. 2207/77). Wer aus der Betriebsführung berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die letztlich nur aufgrund rechtlicher Gegebenheiten beantwortet werden kann. Das Eigentum bzw. Miteigentum am Betrieb ist eine solche rechtliche Gegebenheit.

Allerdings muß nicht jede Person, die Eigentümer (Miteigentümer) eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes ist, allein schon aufgrund dieser Tatsache als diejenige Person angesehen werden, die diesen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr führt; rechtswirksame dingliche (z.B. durch Einräumung eines Fruchtgenußrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (z.B. durch Abschluß eines Pachtvertrages oder einer anderen, einem Pachtvertrag nahekommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern) mit der Wirkung, daß statt des Eigentümers (Miteigentümers) ein Nichteigentümer (bzw. einer der Miteigentümer) allein aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird ("Abtretung des Rechtes auf Wirtschaftsführung"), bedeuten eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung von Rechten und Pflichten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119, vom 3. Juli 1990, Zl. 88/08/0248, und vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0234).

Ob eine Person, auf deren Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, im Betrieb persönlich mitarbeitet oder die erforderlichen Arbeiten durch Bevollmächtigte, Familienmitglieder oder Dienstnehmer verrichten läßt, ist für die Versicherungspflicht irrelevant. Die bloße tatsächliche, mit keiner rechtlichen Verpflichtung oder Berechtigung im Außenverhältnis verbundene Betriebsführung genügt demnach nicht (vgl. unter anderem die bereits zitierten Erkenntnisse vom 20. Oktober 1988, Zl. 87/08/0119, und vom 16. April 1991, Zl. 89/08/0234). Gerade weil daher eine land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit durch einen anderen als den (Mit)Eigentümer als solche nicht erkennen läßt, auf wessen Rechnung und Gefahr sie erfolgt, wem sie also zugerechnet werden soll, obliegt dem(n) (Mit)Eigentümer(n) eine besondere Mitwirkungs- und Konkretisierungspflicht, dies insbesondere, wenn es sich um Rechtstatsachen aus den Kreisen naher Angehöriger handelt (vgl. hg. Erkenntnisse vom 19. September 1980, Zl. 1171/1977, vom 28. Februar 1985, Zl. 84/08/0120). Im Rahmen des von der Behörde grundsätzlich amtswegig durchzuführenden Ermittlungsverfahrens trifft aber die Partei wegen der bei einem nahen Angehörigkeitsverhältnis häufigen Mehrdeutigkeit von Sachverhalten eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Erbringung von nach außen in Erscheinung tretenden Berechtigungen und Verpflichtungen des Ehegatten im eigenen Namen und des völligen Ausschlusses der Zurechnung zum anderen (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 19. September 1980, Zl. 1171/77, sowie das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1985, Zl. 84/08/0120). Auch der Abschluß eines Geschäftes durch eine Person läßt für sich genommen nicht (jedenfalls nicht ohne Bedachtnahme darauf, ob Handeln im fremden Namen offengelegt wurde) erkennen, ob sie das Geschäft (auch) im fremden oder nur im eigenen Namen (auf fremde Rechnung oder ohne sie) abgeschlossen hat. Allerdings schadet es im allgemeinen nicht, wenn der tatsächliche Betriebsführer im Rahmen seiner Betriebsführung einzelne Geschäfte im eigenen Namen (aber intern auf Rechnung eines anderen) abschließt, wenn nur aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten das Risiko des Betriebes im Ganzen (auch) diesen anderen unmittelbar trifft (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197). Das faktische äußere Erscheinungsbild hat daher vor diesem Hintergrund entscheidungswesentliche Bedeutung nur für die Beurteilung der Ermittlungsergebnisse daraufhin, ob die Behauptung, es liege eine der genannten rechtlichen Gegebenheiten vor, aufgrund derer die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf Rechnung und Gefahr einer Person oder mehrerer Personen im dargestellten Sinn erfolge, als erwiesen zu erachten ist.

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Diese Bestimmung schließt eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen (dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut) entsprechen (vgl, unter anderem hg. Erkenntnis vom 19. September 1980, ZL. 1171/77).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG bedeutet, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies gilt auch für die Beurteilung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen. Die Grundsätze der Freiheit von Beweisregeln sowie der Gleichheit und Unbeschränktheit der Beweismittel sind auch für diese Fälle durch keine gesetzliche Anordnung eingeschränkt worden. Die Beweissituation gilt daher in gleicher Weise für die Frage des Zustandekommens eines Vertrages, von dessen Existenz die Parteien erst nachträglich Mitteilung machen, wie auch für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit eines Angehörigenvertrages (Scheingeschäft) bzw. - wie im Beschwerdefall - für die Frage des rechtswirksamen Zustandekommens eines Vertrages zu einem früheren Zeitpunkt als durch vorhandene Urkunden belegt (vgl. auch das bereits zitierte Erkenntnis vom 19. September 1980, Zl. 1171/77, mit der dort angegebenen Literatur).

Die belangte Behörde hat entgegen den Ausführungen in der Beschwerde diese Rechtslage nicht verkannt. Sie ist vielmehr unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens aufgrund der von ihr vorgenommenen Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, der behauptete (mündliche) Vertrag zwischen den Ehegatten A-W vom 1. Jänner 1984 habe in Wahrheit nicht bestanden. Sie hat ihre Erwägungen zur Beweiswürdigung auch schlüssig (die Richtigkeit ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen: vgl. das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) dargelegt, sodaß eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erkannt werden kann.

Dies insbesonders unter Berücksichtigung der Textierung des schriftlichen Vertrages, wonach alle Nutzungen und Rechte erst "mit dem Rechtsbeginn" (das ist der 1. September 1984) auf die Ehegattin des Beschwerdeführers übergehen und die "selbständige landwirtschaftliche Tätigkeit des Beschwerdeführers mit 31. 8. 1984" enden sollte.

Die bloße Überlassung der Bewirtschaftung bzw. der Arbeitsführung bewirkt nach der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch keine Änderung der rechtlichen Zurechnung der Führung des Betriebes auf Rechnung und Gefahr des (Mit)Eigentümers, weshalb es auf die Frage, ob der Beschwerdeführer am 2. Juli 1983 mit seiner Ehegattin eine derartige Vereinbarung geschlossen hat, nicht ankommt. Durch das bloße Auftreten nach außen wurde auch die Ehegattin des Beschwerdeführers - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen - auch nicht im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet. Die belangte Behörde hat daher einerseits dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers zu Recht keine maßgebende Bedeutung beigemessen, aber auch nicht dadurch Verfahrensvorschriften verletzt, daß sie auf näher bezeichnete Bankbelege und Maschinenringabrechnungen "überhaupt nicht eingegangen ist".

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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