VwGH 90/17/0122

VwGH90/17/012228.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Feber 1990, Zl. II/1-BE-123-9/1-89, betreffend Vorschreibung einer Wasserbezugsgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4 idF 1000-3;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5 idF 1000-3;
VwGG §41 Abs1;
AVG §37;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4 idF 1000-3;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5 idF 1000-3;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit "Bescheid" des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. Oktober 1987 wurde dem Beschwerdeführer eine Wasserbezugsgebühr von S 109.428,-- für einen Wasserbezug von 8.353 m3 (Differenzbetrag zwischen 8.587 m3 laut Ablesung vom 28. Juli 1987 und dem Zählerstand des Vorjahres von 234 m3) in der Zeit vom 25. Juni 1986 bis 28. Juli 1987 zur Zahlung vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 12. Dezember 1987 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde diese Berufung gemäß § 213 Abs. 2 der NÖ Abgabenordnung 1977 als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides habe ein Gemeindebeauftragter den Wasserzähler am 16. Juni 1987 abgelesen und in der Wasserzählerkartei einen Stand von 580 m3 eingetragen. Der Wassermesser sei auf Grund einer telefonischen Rückfrage des Beschwerdeführers - der darauf hingewiesen habe, es hätte sich für die Ablesungsperiode 1986/1987 ein höherer Verbrauchswert ergeben, als dem bisherigen Jahresverbrauch entspräche - am 28. Juli 1987 nochmals abgelesen und es sei dabei ein Zählerstand von "8.597 m3" festgestellt worden. In der Folge habe das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen den ausgebauten Wasserzähler überprüft und im Prüfschein (vom 4. September 1987) ausgeführt, daß die Fehler des untersuchten Wassermessers innerhalb der Verkehrsfehlergrenzen lägen; sein Grundstift sei stark abgenützt, was darauf schließen lasse, daß eine sehr große Wassermenge durch den Wasserzähler geflossen sei.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung und focht diesen Bescheid "wegen formeller und inhaltlicher Rechtswidrigkeit zur Gänze" an.

1.3. Mit Bescheid vom 28. Juni 1988 gab die Niederösterreichische Landesregierung dieser Vorstellung Folge, hob den genannten Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. In der Begründung dieses Bescheides heißt es auszugsweise:

"...

Hiezu hat die Aufsichtsbehörde in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Gemäß § 61 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-5, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches (der Gemeinde) in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben.

Gemäß § 61 Abs. 4 leg. cit. hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden.

... Es ist davon auszugehen, daß diese Erledigung des

Bürgermeisters vom 5. Oktober 1987 (Wasserabrechnung) die Urschrift und zugleich "Ausfertigung" im Sinne des § 73 1. Satz NÖ AO 1977 darstellt, ohne daß sie mit der Unterschrift des Bürgermeisters (als des die bescheidmäßige Erledigung Genehmigenden) versehen wäre, was auch eine durchgeführte

Anfrage bei der Gemeinde am 7. März 1988 ergab. ... Das

Unterschriftserfordernis auf der Urschrift ist sohin für die Qualifikation einer behördlichen Erledigung (hier eines Bescheides) essentiell. Wenn nun im § 73 Abs. 2 leg. cit. davon die Rede ist, daß ..., so bezieht sich diese Regelung nur auf das Unterschriftserfordernis auf den Ausfertigungen, dispensiert aber nicht von jenem auf der Urschrift des Bescheides.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die Berufung gegen die erstinstanzliche Erledigung mangels eines tauglichen Berufungsgegenstandes zurückzuweisen gewesen wäre. Stattdessen hat die Berufungsbehörde die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung im Berufungsbescheid bestätigt und dadurch ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit

belastet (...).

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen schon aus

diesem Grund gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-5, aufzuheben.

In der Sache selbst ist auszuführen:

...

Es wäre in einem weiteren Ermittlungsverfahren der Gemeinde auch zu überprüfen, ob der im fraglichen Zeitraum verwendete Wasserzähler im Sinne der Bestimmung des § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. a Maß- und Eichgesetz, BGBl. 152/1950 in der Fassung

BGBl. 174/1973, noch eine gültige Eichung aufgewiesen hat. ...

Es wäre daher im weiteren Ermittlungsverfahren festzustellen, ob für den gegenständlichen Wasserzähler A 802747 ein Anwendungsfall des § 48 Abs. 1 lit. a leg. cit. vorlag.

Sollte der gegenständliche Wasserzähler infolge einer durchgeführten Nacheichung und des damit verbundenen Wechsels des gesamten Innenlebens nicht mehr in dem zum streitgegenständlichen Zeitraum interessierenden Zustand sein und auch die Überprüfung der ausgewechselten Teile nicht mehr möglich sein, wobei im gegenständlichen Fall die Wahrscheinlichkeit, daß der ursprüngliche Zustand des Wasserzählers zum streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt noch rekonstruierbar ist, sehr gering ist, so kann es dem Vorstellungswerber nicht zum Nachteil gereichen, daß der streitgegenständliche Wasserzähler nicht wie ursprünglich in der Niederschrift vom 28. Juli 1987 richtig festgestellt wurde, dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zur Prüfung übermittelt (ergänze: wurde), sondern primär der Erzeugerfirma E, wenn nicht zweifelsfrei durch andere taugliche Beweismittel nachgewiesen ist, daß der angezeigte Wasserverbrauch tatsächlich stattgefunden hat. Diesen Beweis hat jedoch die Marktgemeinde S im Laufe des Verwaltungsverfahrens nicht erbracht, da insbesondere auch das Sachverständigengutachten aussagt, daß ein derart hoher Wasserverbrauch auch innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten nur möglich ist bei einer Wasserentnahme von 0,8 l pro Sekunde, wenn entweder in der Verbindung zwischen Hauswasserleitung und öffentlicher Wasserleitung der Schieber offen war oder das Rückschlagventil in seiner Funktion behindert war. Es wären insbesondere die Einwendungen des Vorstellungswerbers zu prüfen gewesen, daß zwei Rückschlagventile vorhanden seien und daß diese in ihrer Funktion nicht behindert gewesen seien.

...

Es wird daher in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren insbesondere auch auf das Vorbringen des nunmehrigen Vorstellungswerbers einzugehen sein. Hingewiesen wird auch auf den Widerspruch in den vorgelegten Akten hinsichtlich des Zählerstandes vom 28. Juli 1987, wobei in der Wasserzählerkartei 8.587 m3 als Wasserverbrauch aufscheinen und im angefochtenen Bescheid sowie in der Stellungnahme der Gemeinde an die Aufsichtsbehörde 8.597 m3. Auf dem Prüfschein des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen ist ein Wasserzählerstand von 8.588 m3 ersichtlich. Es war somit auf Grund der Aktenlage auch nicht ein allfälliger Zählerrücklauf auszuschließen. Weiters wäre die Abgabenbehörde verpflichtet gewesen, den ausgebauten Wasserzähler zuerst dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zur Prüfung zu übersenden und nicht zuerst an die Herstellerfirma, da durch diese Vorgangsweise die Bestimmung des § 10 Abs. 8 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 verletzt wurde. Sollte daher der Sachverhalt nicht mehr rekonstruierbar sein, was auf Grund der gegebenen Aktenlage nicht auszuschließen ist, so ist § 11 Abs. 5

NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl. 6930-0, sinngemäß anzuwenden, was bedeutet, daß die Wasserbezugsgebühr einvernehmlich mit dem Abgabenschuldner festzusetzen ist. Kommt eine Einvernahme nicht zustande, so ist die Wassermenge zu schätzen, wobei das Schätzungsergebnis die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben muß und auf Grund eines einwandfreien Ermittlungsverfahrens zustandegekommen sein muß. Bei einer bescheidmäßigen Schätzung des Wasserverbrauches nach § 11 Abs. 5 leg. cit. ist auch der durchschnittliche Jahresverbrauch in den Vorjahren zu berücksichtigen.

...

Auf Grund der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wurden Rechte des Vorstellungswerbers verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen war.

..."

1.4. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 1. Dezember 1988 wurde dem Beschwerdeführer "gemäß § 10 und § 11 des N.Ö. Wasserleitungsgesetzes 1978, LGBl. 6930-0, auf Grund des festgestellten Wasserbezuges von

8.353 m3 aus dem öffentlichen Netz der Marktgemeinde S" für den Zeitraum vom 25. Juni 1986 bis 28. Juli 1987 eine Wasserbezugsgebühr im Betrag von insgesamt S 109.428,-- (Wasserbezugsgebühr S 100.236,-- abzüglich Teilzahlung von S 756,-- zuzüglich 10 % Umsatzsteuer) zur Zahlung vorgeschrieben. Begründend heißt es in diesem Bescheid im wesentlichen, die Grundgebühr für einen Kubikmeter Wasser exklusive Umsatzsteuer betrage S 12,--. Der am 16. Juni 1987 in der Wasserzählerkartei eingetragene Zählerstand von 580 m3 sei offensichtlich falsch gewesen; der Wassermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde habe am 28. Juli 1987 einen Zählerstand von 8.587 m3 festgestellt. Der Zählerstand des vom Wassermeister ausgebauten Wasserzählers habe sich bei dessen Testlauf bei der Firma E auf 8.588 m3 erhöht. Der Wassermesser habe auch laut Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen einen gültigen (unverletzten) amtlichen Plombenverschluß aufgewiesen; damit sei erwiesen, daß der Zähler innerhalb der gesetzlichen Eichfrist in Verwendung gestanden und seine Plombierung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Bei der Prüfung seien keinerlei Änderungen gegenüber dem ordnungsgemäßen Zustand festgestellt worden, weshalb im genannten Ablesungszeitraum ein Wasserverbrauch von 8.353 m3 erwiesen sei. Die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Möglichkeit eines Rücklaufes des Wasserzählers sei für die Gemeinde nicht nachvollziehbar und keinesfalls schlüssig nachgewiesen; eine mögliche Einspeisung vom Hausbrunnen in das Ortsnetz sei aus den Betriebsdaten des Wasserwerkes der mitbeteiligten Marktgemeinde nicht ersichtlich.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.5. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 18. April 1989 wurde der Berufung unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl 6930-0, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt. Die "Ausschöpfung aller theoretisch-technischen Möglichkeiten" sei nicht erforderlich, weil die Rechtsvorschriften ausdrückliche und eindeutige Anordnungen zur Feststellung des Wasserverbrauches getroffen hätten.

Der Beschwerdeführer erhob neuerlich Vorstellung.

1.6. Mit Bescheid vom 26. Februar 1990 wies die Niederösterreichische Landesregierung diese Vorstellung als unbegründet ab. Soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse, heißt es in der Begründung:

"Zum Vorbringen des Vorstellungswerbers, daß nicht sämtliche theoretischen Möglichkeiten wie es zu dem abgelesenen Wassermesserzählerstand gekommen sein könnte, erörtert wurden, ist auszuführen, daß die Abgabenbehörden zu diesen theoretischen Erörterungen nicht verpflichtet waren. ...

Die Vorstellungsbehörde ist auch der Auffassung, daß eine theoretische Auseinandersetzung sowohl mit der Möglichkeit eines Rückflusses, als auch mit der Möglichkeit der Speisung des Hausbrunnens von den Abgabenbehörden zu Recht unterlassen wurde. Vorweg sei festgehalten, daß den diesbezüglichen Ausführung(en) des aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 28. Juni 1988 keine Bindungswirkung zukommt. Wie sich nämlich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen ergibt, wurde vom Vorstellungswerber selbst ausgeführt, daß sowohl ein Rücklauf vom Hausbrunnen in die öffentliche Wasserleitung, als auch ein Zufließen aus der öffentlichen Wasserleitung in den Hausbrunnen, durch Absperrventile verhindert worden ist. Weder die eine noch die andere Möglichkeit läßt sich im nachhinein verifizieren. ..."

1.7. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.8. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Marktgemeinde eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 in der Fassung LGBl. 1000-3, hat die mit Vorstellung angerufene Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Nach § 61 Abs. 5 erster Satz leg. cit. ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Im Beschwerdefall hat die Gemeindeaufsichtsbehörde die Kassation des Bescheides des Gemeinderates vom 12. Dezember 1987 auf zwei Gründe gestützt: Sie erblickte eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes darin, daß die in Berufung gezogene Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz kein Bescheid war, und begründete darüberhinaus die Aufhebung auch mit Ergänzungsbedürftigkeit der Sachverhaltsfeststellungen und mit sonstigen Verfahrensmängeln. In einem SOLCHEN Fall der Zurückverweisung der Abgabenangelegenheit an die Gemeinde erschöpft sich die Bindungswirkung der Aufhebungsgründe für die Gemeindebehörde zweiter Instanz bei Erlassung des Ersatzbescheides (ein solcher, die Berufung zurückweisender Ersatzbescheid wurde hier nicht erlassen) nicht in der Qualifikation der erstinstanzlichen Erledigung als Nichtbescheid, sondern erstreckt sich (ungeachtet dieser Untätigkeit der Berufungsbehörde bei Erlassung des Ersatzbescheides) auch auf die Gemeindebehörde erster Instanz, denn auch ihre Entscheidung ist als eine neuerliche Entscheidung "der Gemeinde" (vgl. den nicht auf Gemeindebehörden, sondern auf die Gemeinde abstellenden Wortlaut des Art. 119a Abs. 5 B-VG und des oben wiedergegebenen § 61 Abs. 4 und 5 NÖ Gemeindeordnung 1973) in dieser Angelegenheit aufzufassen. Bemerkt wird, daß dem hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1983, Zl. 17/0600/79, insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, als damals die Berufungsbehörde unzuständigerweise eingeschritten war.

Die im Beschwerdefall auch für den Bürgermeister angenommene mögliche Bindungswirkung der Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde, soweit sie die Abgabenangelegenheit selbst und nicht nur die Bescheidqualifikation der erstinstanzlichen Erledigung betrifft, tritt freilich nur dann ein, wenn es sich tatsächlich um tragende Aufhebungsgründe und nicht etwa bloß um sogenannte obiter dicta handelt. Dies wird im folgenden zu prüfen sein.

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bindungswirkung einer aufhebenden Vorstellungsentscheidung an die ausdrücklich geäußerte Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde im Umfang der die Aufhebung TRAGENDEN BegründungsELEMENTE geknüpft. Jener Teil der Begründung eines aufhebenden Vorstellungsbescheides hingegen, der darlegt, in welchen Punkten nach Auffassung der Aufsichtsbehörde Rechte des Vorstellungswerbers nicht verletzt worden sind, der also aufzeigt, welche der in der Vorstellung geltend gemachten oder sonst in Betracht kommenden Rechtsverletzungsmöglichkeiten mangels tatsächlicher Rechtsverletzung keine Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides nach sich zu ziehen hätte, löst deshalb keine bindende Wirkung aus, weil er den aufhebenden Spruch nicht trägt. Die so zu verstehende Bindungswirkung der die Aufhebung tragenden Gründe des Vorstellungsbescheides für die Gemeindebehörden erstreckt sich in der Folge auch auf die VORSTELLUNGSBEHÖRDE selbst sowie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 1989, Zl. 87/17/0021, und vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0061). Innerhalb der tragenden Aufhebungsgründe besteht eine rechtliche Gleichwertigkeit. Dieser Gesichtspunkt kommt in der Rechtsprechung insbesondere in der Aussage zum Ausdruck, die Besonderheit der Bindungswirkung kassatorischer gemeindeaufsichtsbehördlicher Bescheide bringe es mit sich, daß nicht nur der Spruch an sich, sondern auch die maßgebende in der Begründung enthaltene Rechtsansicht - taugliches - Beschwerdeobjekt sein kann, der Verwaltungsgerichtshof somit gehalten ist, auch dann, wenn EINES der Begründungselemente die Gesetzmäßigkeit der Kassation trägt, die Stichhaltigkeit der ANDEREN zu überprüfen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 16. Juni 1980, Zlen. 3153, 3154/79, vom 27. April 1981, Zl. 17/2599/79, sowie vom 26. Februar 1988, Zl. 85/17/0037).

Die im § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 genannte Rechtsverletzung kann - analog zum Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - unter anderem in einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides der höchsten Gemeindeinstanz oder in einer relevanten Verletzung von Verfahrensvorschriften bestehen; ist etwa der Sachverhalt auf Gemeindeebene nicht hinreichend geklärt worden und führt die Vorstellungsbehörde kein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, so hat sie den Bescheid der obersten Gemeindeinstanz aufzuheben (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0061, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

2.3. Der Beschwerdeführer bringt hiezu in der Beschwerde sinngemäß vor, die belangte Behörde sehe die von ihr im (ersten) Vorstellungsbescheid vom 28. Juni 1988 ausdrücklich als erforderlich erklärte Prüfung der Frage der Rückflußmöglichkeit im zweiten Rechtsgang zu Unrecht als überflüssig an. Sie sei sich dieses Widerspruches bewußt und glaube ihn jedoch dadurch als unerheblich erscheinen zu lassen, daß sie eine Bindungswirkung ihres früheren

- entgegengesetzten - Standpunktes verneine. Die in § 61 Abs. 5 NÖ Gemeindeordnung 1973 statuierte Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung für die Gemeinde sei dahingehend zu verstehen, daß auch die Vorstellungsbehörde selbst sich weiterhin nach dem von ihr vorgegebenen Maßstab zu richten habe. Die belangte Behörde sei demnach nicht berechtigt, die Rückflußmöglichkeit nunmehr als gegenstandslos zu erklären, sondern sie sei - ebenso wie die Gemeinde - daran gebunden, daß gemäß ihren früheren Ausführungen im Falle der Unmöglichkeit einer eindeutigen Entscheidung zwischen Rückflußversion und Verbrauchsversion an die Stelle der Berechnung nach dem Meßergebnis die besondere Bemessung nach § 11

NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 zu treten hätte.

2.4. Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Hinblick auf die oben dargelegte Rechtslage zur Bindungswirkung einer Vorstellungsentscheidung im Recht.

Soweit in den Gegenschriften der belangten Behörde und der mitbeteiligten Marktgemeinde übereinstimmend die Meinung vertreten wird, die Gemeindebehörde sowie die Aufsichtsbehörde seien "an die ZUSÄTZLICH GEÄUßERTE ANSICHT (BEGRÜNDUNG)" im (ersten) Vorstellungsbescheid vom 28. Juni 1988 betreffend die im Abgabenverfahren unterlaufenen Verfahrensmängel und die weitere Vorgangsweise im fortgesetzten Verfahren nicht mehr gebunden, so ist auf folgendes hinzuweisen:

Dem oben unter Punkt 1.4. auszugsweise wörtlich

wiedergegebenen Vorstellungsbescheid vom 28. Juni 1988 läßt

sich eindeutig entnehmen, daß sich der Ausspruch über die

Kassation des Bescheides des Gemeinderates - entgegen der

Ansicht sowohl der belangten Behörde als auch der

mitbeteiligten Marktgemeinde in ihren Gegenschriften - auf ZWEI

TRAGENDE Gründe gestützt hat. Dem Bescheid des Gemeinderates

der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 12. Dezember 1987 lag

sowohl eine inhaltliche Rechtswidrigkeit (vgl. hiezu die

Seite 14 des Vorstellungsbescheides vom 28. Juni 1988: "... Der

angefochtene Bescheid war infolgedessen schon AUS DIESEM

GRUND ... aufzuheben.") als auch eine relevante Verletzung von

Verfahrensvorschriften zur Last. Hiezu heißt es nämlich gleichfalls auf Seite 14 des genannten Vorstellungsbescheides:

"In der SACHE SELBST ist auszuführen: ...". Sodann lautet es auf Seite 17: "Es wären insbesondere die Einwendungen des Vorstellungswerbers zu prüfen gewesen, daß zwei Rückschlagventile vorhanden seien und daß diese in ihrer Funktion nicht behindert gewesen seien." Auf Seite 19 heißt es u. a. weiter: "Es ist somit auf Grund der Aktenlage auch nicht ein allfälliger Zählerrücklauf auszuschließen. Weiters wäre die Abgabenbehörde verpflichtet gewesen, den ausgebauten Wasserzähler zuerst dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zur Prüfung zu übersenden und nicht zuerst an die Herstellerfirma, da durch diese Vorgangsweise die Bestimmung des § 10 Abs. 8 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 verletzt wurde. Sollte daher der Sachverhalt nicht mehr rekonstruierbar sein, was auf Grund der gegebenen Aktenlage nicht auszuschließen ist, so ist § 11 "Abs. 5"

NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl. 6930-0, sinngemäß anzuwenden, was bedeutet, daß die Wasserbezugsgebühr einvernehmlich mit dem Abgabenschuldner festzusetzen ist. ...". Schließlich werden auf Seite 20 beide Aufhebungsgründe nebeneinander gestellt: "Auf Grund der VERLETZUNG VON VERFAHRENSVORSCHRIFTEN SOWIE der inhaltlichen

Rechtswidrigkeit ... wurden RECHTE des Vorstellungswerbers

VERLETZT, weshalb ...".

Die von der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften ausgeführten Begründungselemente traten demnach sprachlich und inhaltlich keinesfalls als bloß unverbindliche Ausführungen zum weiteren Verfahrensgang, als bloße obiter dicta, in Erscheinung. BEIDE den Aufhebungsausspruch TRAGENDEN RECHTSANSICHTEN der belangten Vorstellungsbehörde im (ersten) Vorstellungsbescheid vom 28. Juni 1988 vermochten somit Bindungswirkung für die mitbeteiligte Marktgemeinde bei der neuerlichen von ihren Abgabenbehörden zu treffenden Entscheidung sowie für die Gemeindeaufsichtsbehörde und den Verwaltungsgerichtshof zu entfalten.

2.5. Da die belangte Behörde jedoch als Vorstellungsbehörde im zweiten Rechtsgang diese Bindungswirkung zu Unrecht verneinte und sich daher ausschließlich mit der Funktionstüchtigkeit des Wasserzählers, nicht aber mit den Einwänden des Beschwerdeführers, insbesondere hinsichtlich eines Wasserrückflusses (Zählerrücklaufes) auseinandersetzte, hat sie den angefochtenen Bescheid selbst mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der Vorstellungsbescheid vom 26. Feber 1990 mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden, ohne daß auf das (weitere) Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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