VwGH 92/12/0073

VwGH92/12/007316.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des K in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht 1. Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Oktober 1990, betreffend seinen Antrag vom 13. März 1990 "Einsichtnahme und Abschrift" von Gutachten; 2. über den Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Oktober 1990, betreffend den "Einspruch" vom 1. Februar 1990 in Sachen Journaldienstleistung, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §17 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
AVG §17 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 6070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberstleutnant im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Eingabe vom 13. März 1990 beantragte der Beschwerdeführer bei seiner letzten Dienstbehörde, dem Landesgendarmeriekommando für Kärnten,

1. die Anordnung und Durchführung der Inventur der Lagerbestände des Ref. V/d und Übergabe

2. die Aufhebung und Zurücknahme der unbegründeten Ermahnung ("LGK-Befehl vom 22. Februar 1990")

3. die Prüfung der aufgezeigten Sachverhalte auf Gesetzwidrigkeit.

Weiters beantragte er die Aufhebung der Ermahnung gemäß LGK-Befehl vom 1. März 1990, erhob Einspruch und Vorstellung "gegen die Entbindung von der Scheckzeichnung und behauptete im Bericht zur Leistungsfeststellung vom 22. Jänner 1990 liege ein schwerer Gesetzesverstoß vor, der Konsequenzen erfordere.

Schließlich beantragte er Einsichtnahme und Abschrift des Gutachtens über die am 2. Februar 1990 angeordnete gendarmerieärztliche Untersuchung, die Veranlassung einer weiteren Untersuchung durch einen Neurologen, Einsichtnahme und Abschrift des Gutachtens des Facharztes für Neurologie Dr. O., unabhängig von dem gegen diese Untersuchungsanordnung vom Beschwerdeführer am 20. Februar 1990 erhobenen Einspruch. (Punkt VI der Eingabe des Beschwerdeführers).

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Punkt VI der genannten Eingabe (Antrag auf Einsichtnahme und Abschrift dieser Gutachten) richtete der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1990 eine als "Säumnisbeschwerde" bezeichnete Eingabe an die belangte Behörde, die am 16. Oktober 1990 zur Post gegeben wurde. Diese vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG (§ 27 VwGG) als Devolutionsantrag bezeichnete Eingabe vom 13. Oktober 1990 wurde von der belangten Behörde innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG nicht erledigt.

Mit der am 1. April 1992 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Verletzung der Entscheidungspflicht über seinen Devolutionsantrag vom 13. Oktober 1990 geltend und beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge "zur Frage der Einsichtnahme bzw. Herstellung einer Fotokopie des ärztlichen Gutachtens selbst entscheiden".

Über diese zu Zl. 91/12/0073 protokollierte Säumnisbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof am 10. April 1992 das Vorverfahren eingeleitet. Die belangte Behörde hat innerhalb der gesetzten Frist eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, allenfalls als unbegründet abzuweisen und dem Beschwerdeführer den Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Am 1. Februar 1990 brachte der Beschwerdeführer eine als "Aufsichtsbeschwerde" bezeichnete an die belangte Behörde gerichtete Eingabe im Dienstwege ein. Darin führte er aus, er sei aus Dienstesrücksichten bis auf weiteres von der Journaldienstleistung entbunden worden. Er erhebe gegen diese Maßnahme Einspruch und beantrage die dezidierte Darstellung der Gründe, die eine derartige Handlungsweise rechtfertigten.

Mit einer weiteren Eingabe vom 13. Oktober 1990, die an die belangte Behörde gerichtet ist, erhob er "Säumnisbeschwerde" wegen der Nichterledigung seiner Eingabe vom 1. Februar 1990 durch die Dienstbehörde.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG (§ 27 VwGG) beantragt der Beschwerdeführer, über seinen "Devolutionsantrag vom 13. Oktober 1990 zur Frage der Journaldiensteinteilung selbst zu entscheiden".

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch über diese zu Zl. 92/12/0074 protokollierte Beschwerde am 10. April 1992 das Vorverfahren eingeleitet. Die belangte Behörde hat in ihrer fristgerecht eingebrachten Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerde, allenfalls deren Abweisung als unbegründet und Ersatz der Verfahrenskosten beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden und die von der belangten Behörde eingebrachten Gegenschriften das Verfahren verbunden und erwogen:

Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, bzw. der Unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

1. Zur Säumnisbeschwerde Zl. 92/12/0073:

Der Antrag des Beschwerdeführers an das Landesgendarmeriekommando für Kärnten im Punkt VI seiner Eingabe vom 13. März 1990 auf Einsichtnahme und Abschrift des Gutachtens bezog sich auf das Ergebnis der mit Befehl des Landesgendarmeriekommandos vom 29. Jänner 1990 angeordneten ärztlichen Untersuchung durch Konsultierung des Facharztes für Neurologie Dr. O. am 2. März 1990. Wie sich aus den vorangehenden Ausführungen in dieser Eingabe ergibt, bezog sich diese Untersuchung auf die Feststellung der geistigen und körperlichen Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers.

Gemäß § 17 Abs. 4 AVG ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht kein Rechtsmittel zulässig. Dies bedeutet, daß in einem anhängigen Verfahren es sich um eine Anordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG handelt, deren Rechtswidrigkeit erst und nur in dem Rechtsmittel gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid geltend gemacht werden kann. Über das Akteneinsichtsbegehren einer Person, der im laufenden Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht zukommt oder deren Parteistellung sich auf ein bereits abgeschlossenes Verfahren bezogen hat, muß dagegen durch - verfahrensrechtlichen - Bescheid förmlich abgesprochen werden (vgl. Erkenntnis der Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 1952, Slg. N.F. Nr. 2.743/A). Über die Verweigerung der Akteneinsicht ist demnach, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um eine Verfahrensanordnung handelt, nicht bescheidmäßig abzusprechen.

Die vom Beschwerdeführer als "Säumnisbeschwerde" bezeichnete Eingabe vom 13. Oktober 1990 entspricht nicht den formalen Voraussetzungen eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung geht die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nur unter der Voraussetzung über, daß die Partei nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ein dementsprechendes schriftliches Verlangen stellt. Ein diesbezüglicher Antrag ist aber in der Eingabe nicht enthalten. Vielmehr wird nur vorgebracht, die Behörde erster Instanz habe dem Antrag des Beschwerdeführers auf Einsichtnahme und Abschrift von Gutachten nicht entsprochen. Die Dienstbehörde habe keine Gründe geltend gemacht, die eine Erledigung unmöglich gemacht hätten. Die Verzögerung der Erledigung durch die Dienstbehörde sei keinesfalls auf das Verschulden des Antragstellers zurückzuführen. Die unter Bezugnahme auf das Dienstrechtsverfahrensgesetz und das AVG erhobene "Säumnisbeschwerde" ist daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes bloß als Aufsichtsbeschwerde wegen einer behaupteten Säumigkeit der Dienstbehörde erster Instanz zu verstehen, keineswegs aber als Devolutionsantrag im Sinn des § 73 AVG zu werten.

Dies umso mehr, als eine Entscheidungspflicht der Behörde erster Instanz, wie bereits dargestellt, schon deshalb nicht bestanden hat, weil über den Antrag des Beschwerdeführers ein Bescheid gemäß § 17 Abs. 4 AVG nicht zu erlassen war.

Es besteht jedoch keine gesetzliche Vorschrift, wonach eine Partei Anspruch auf Erlassung eines Bescheides über die Erledigung der von ihr erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerde hätte; bei Unterbleiben eines derartigen Bescheides ist daher eine Säumnisbeschwerde nicht zulässig (vgl. Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1967, Zl. 235/67).

2. Zur Säumnisbeschwerde Zl. 92/12/0074:

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Februar 1990 wird ausdrücklich als "Aufsichtsbeschwerde" bezeichnet und wurde von ihm im Dienstwege an die belangte Behörde gerichtet. Der von ihm am 13. Oktober 1990 eingebrachte Schriftsatz "Säumnisbeschwerde", der neuerlich an die belangte Behörde gerichtet ist, kann - wie schon zu Punkt 1 dargestellt - weder als Devolutionsantrag verstanden werden, noch zu einer Säumnis der belangten Behörde führen, die mit Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG (§ 27 VwGG) geltend gemacht werden könnte.

Auch in diesem Fall einer schon ursprünglich ausdrücklich als Aufsichtsbeschwerde an die belangte Behörde gerichteten Eingabe, liegt ein Antrag vom 13. Oktober 1990 vor, der - wie im Fall der zuerst behandelten Beschwerde - nicht als Devolutionsantrag zu werten ist, sondern nur als Aufsichtsbeschwerde, die nicht zum Entstehen einer Entscheidungspflicht der belangten Behörde führen konnte.

Da in beiden Fällen dem Beschwerdeführer die Legitimation zur Erhebung der Beschwerde gemäß § 27 VwGG mangels Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde mangelt, mußte die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen werden.

Voraussetzung für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshof ist bei Beschwerden nach Art. 132 B-VG (§ 27 VwGG) nämlich, daß keine der in § 34 Abs. 1 angeführten Zurückweisungsgründe entgegenstehen, das heißt, daß bei einer solchen Beschwerde die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes sowie die Beschwerdeberechtigung gegeben sind und entschiedene Sache nicht vorliegt.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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