VwGH 92/06/0017

VwGH92/06/001730.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des WH,

2. der EH, 3. der ES, 4. des PS, 5. der HE, alle in Graz, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Graz, und 6. der R-Gesellschaft m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 28. November 1991, Zl. A 17-K-2.350/1987-6, A-17-K-2.351/1987-6, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei:

P-Gesellschaft m.b.H. KG in Graz, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Graz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §41 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §74;
BauONov Stmk 1988 Art2 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art139 Abs1;
ROG Stmk 1974 §22 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
AVG §41 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §74;
BauONov Stmk 1988 Art2 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art139 Abs1;
ROG Stmk 1974 §22 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Erst- bis Fünftbeschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.210,-- und der Sechstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund eines Ansuchens des Rechtsvorgängers der mitbeteiligten Partei vom 11. Juli 1972 um Erteilung der Baubewilligung zwecks Umbau eines Weinkellers in ein Tanzcafe auf den Grundstücken Nr. 1849/1, 1850, 1851/3 und 1852/3 der KG X wurde diesem mit Bescheid vom 14. November 1972 die beantragte Baubewilligung erteilt. Mit einem Ansuchen vom 3. Dezember 1980 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung für den Umbau des bestehenden Tanzcafes im Hause Graz, N-Straße 8. Die bantragte Bewilligung wurde der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 4. März 1981 erteilt.

Aufgrund mehrerer Beschwerden der Anrainer, darunter der nunmehrigen Beschwerdeführer, wurde eine Prüfung der Verfahrensakten durchgeführt, die ergab, daß die Nachbarn den Bauverfahren nicht beigezogen und ihnen auch die Baubewilligungsbescheide vom 14. November 1972 und 4. März 1981 nicht zugestellt wurden. Mit einer Mitteilung des Magistrates der Landeshauptstadt Graz vom 19. Oktober 1987 wurden die beiden Baubewilligungsbescheide den Beschwerdeführern zugestellt. In der Folge brachten ua. die nunmehrigen Beschwerdeführer Berufungen gegen die Baubewilligungsbescheide ein.

Aufgrund der Berufungen der Beschwerdeführer und anderer Anrainer hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit Bescheid vom 6. Juli 1989 die Bescheide des Stadtsenates vom 14. November 1972 und vom 4. März 1981 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Die Aufhebung wurde damit begründet, daß die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung der Nachbarn und technischen und medizinischen Sachverständigen unumgänglich sei. Weiters wurde ausgeführt, daß eine Widmungsbewilligung nicht erforderlich sei. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern im Juli 1989 zugestellt, der mitbeteiligten Partei z. Hd. ihres ausgewiesenen Vertreters am 7. August 1989. Dieser Bescheid blieb unangefochten. Mit dem am 13. Februar 1990 bei der belangten Behörde eingelangten Antrag beantragte die mitbeteiligte Partei den Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit der Begründung, daß seit Zustellung des Bescheides des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 6. Juli 1989 am 7. August 1989 mehr als sechs Monate vergangen seien, ohne daß über die, den behobenen Bescheiden vom 14. November 1972 und 4. März 1981 zugrundeliegenden Anträge bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Mit Ladung vom 6. November 1991 wurden die Parteien des Verfahrens unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG zur Verhandlung für den 15. November 1991 geladen, gleichzeitig wurde eine weitere Verhandlung betreffend eine Bewilligung nach dem Veranstaltungsgesetz anberaumt.In der Ladung wurde darauf hingewiesen, daß die Pläne, sonstige Behelfe und Gutachten, insbesondere ein lärmtechnisches Gutachten des D. I. Dr. W. Pf bis zum Verhandlungstag während der Amtsstunden (Dienstag und Freitag von 8.00 Uhr - 12.00 Uhr) zur Einsicht der Beteiligten aufgelegt seien. Die Ladungen wurden den Erst- bis Fünftbeschwerdeführern durch Hinterlegung mit Beginn der jeweiligen Abholfrist am 8. November 1991, der Sechstbeschwerdeführerin ebenfalls am 8. November 1991 (Übernahme durch einen Postbevollmächtigten für RSb-Briefe) zugestellt. WH und ein Vertreter der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer nahmen am 12. November 1991 Akteneinsicht. In der Verhandlung vom 15. November 1991 stellten sowohl die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer als auch die Sechstbeschwerdeführerin einen Vertagungsantrag und begründeten diesen damit, daß ihnen außer dem Vormittag des Verhandlungstages lediglich der Dienstag, 12. November 1991, zur Akteneinsicht zur Verfügung gestanden sei. Angesichts der gleichzeitigen Anberaumung zweier Verhandlungen sei eine angemessene Vorbereitungszeit nicht gegeben. In der Verhandlung brachten die Erst- und Zweitbeschwerdeführer vor, der Betrieb der Diskothek sei einfach zu laut. Die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer brachten zusammengefaßt vor, unbeschadet des Umstandes, daß infolge der zu knappen Verhandlungsausschreibung ein genaues Aktenstudium, insbesondere auch des umfangreichen lärmtechnischen Gutachtens, nicht möglich gewesen sei und somit keine konkreten diesbezüglichen Ausführungen gemacht werden könnten, würden Einwände gemäß § 61 Abs. 2 lit. a, b, f und k der Bauordnung erhoben. § 58 Abs. 2 der Bauordnung sei im gegenständlichen Fall nicht anwendbar, es sei daher zunächst eine Widmungsbewilligung erforderlich. Das beabsichtigte Vorhaben stehe dem Flächenwidmungs-, dem Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien entgegen. Ortsübliche Belastungen durch Immissionen dürfen nicht überschritten werden, zur Feststellung der ortsüblichen Belastungen müßten unbedingt lärmtechnische Messungen zur Nachtzeit (zwischen 22.00 Uhr und 4.00 Uhr) und auch an Sonn- und Feiertagen erfolgen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. November 1991 wurden der mitbeteiligten Partei gemäß § 73 Abs. 2 AVG in Verbindung mit den §§ 57 und 62 der Steiermärkischen Bauordung 1968 idF LGBl. Nr. 42/1991 die Baubewilligung zum Umbau des bestehenden Weinkellers in ein Tanzlokal und zum Umbau des bestehenden Tanzlokales in eine Diskothek bestehend aus einer Tanzfläche, fünf Gasträumen, Vorräumen, Fluren, Lager- und Abstellräumen, Service- , Kleinküchen- Personalräumen, Heizungs- und Lüftungsräumen und Toilettenräumen im Hof der Liegenschaft sowie zum Einbau einer Umspannstation in der bestehenden Garage erteilt. Die Einwendungen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, wonach die Diskothek zu laut sei, der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer sowie der Sechstbeschwerdeführerin, wonach die angestrebte Baubewilligung einer vorherigen Widmungsbewilligung bedürfe, der Betrieb der Diskothek im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan stehe, wurden als unbegründet abgewiesen, die Einwendungen der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer und der Sechstbeschwerdeführerin, wonach (auch) durch den von Lokalbesuchern verursachten "nächtlichen" Straßenlärm erhebliche Immissionen entstünden, wurden als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde einleitend aus, daß lediglich die Erst- und Zweitbeschwerdeführer unmittelbare Anrainer des verfahrensgegenständlichen Umbauprojektes seien. Die übrigen Beschwerdeführer seien Eigentümer bzw. Miteigentümer von Gebäuden, die jenseits der vor dem gegenständlichen Objekt vorbeiführenden N-Straße lägen. Dies habe keinen Einfluß auf die rechtliche Stellung der Parteien als Nachbarn, wohl aber auf deren "Betroffenheit" durch mögliche Lärmeinwirkungen. Die verfahrensgegenständliche Diskothek befinde sich auf einer Liegenschaft, die nach dem Flächenwidmungsplan 1982 und auch gemäß dem aufgelegten, durch die Bausperre 1990 verbindlichen Flächenwidmungsplan - Entwurf - in einem Gebiet liege, das als Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet, ab dem ersten Obergeschoß überlagert mit allgemeinem Wohngebiet, ausgewiesen sei. Hinter der Parzellentiefe sei nur mehr allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Die verfahrensgegenständliche Diskothek erstrecke sich nach den im Akt erliegenden Plänen mit ihren lärmrelevanten Räumen (Tanzfläche, Gasträume), ausschließlich im Bereich dieser Parzellentiefe, lediglich die Nebenräume (Service, Küchen- Personalräume) etc. befänden sich außerhalb der Parzellentiefe, in dem bereits als "allgemeines Wohngebiet"ausgewiesenen Teil der Liegenschaft. Der Verwendungszweck der Diskothek finde sowohl in der einen, als auch in der anderen Nutzungskategorie seine (rechtliche) Deckung, wobei die Baubehörde, anders als die Gewerbehörde, nicht von einem konkreten Betrieb auszugehen habe, sondern von einem "Betriebstypus". Folge man den schlüssigen und nachvollziehbaren gutachtlichen Aussagen des Privatsachverständigen, welchen der in der Verhandlung beigezogene Amtssachverständige vorbehaltslos beigetreten sei, und die von Nachbarseite im wesentlichen unbekämpft geblieben seien, ergebe sich, daß bei den Erst- und Zweitbeschwerdeführern keine Lärmbelastung, geschweige denn eine Lärmbelästigung zu erwarten sei. Wie sich an Ort und Stelle erwiesen habe, weise die im Keller des Hauses N-Straße 8 befindliche Diskothek keinerlei straßenseitige Öffnung auf. Das bedeute, wie auch der lärmimmissionstechnische Amtssachverständige deutlich gemacht habe, daß aus der Diskothek kein Betriebslärm auf die Straße bzw. zu den straßenjenseitigen Nachbarn gelangen könne. Der auf der Straße verursachte Lärm begründe keinen rechtlichen Schutzanspruch von Nachbarn. Die Rechtsmittelbehörde habe in ihrer Berufungsentscheidung vom 6. Juli 1989 in den tragenden Entscheidungsgründen und für das weitere Verfahren bindend das Erfordernis einer Widmungsbewilligung verneint. Ungeachtet der durch die Berufungsentscheidung eingetretenen Bindungswirkung vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß sämtliche im § 57 Abs. 1 lit. c der Steiermärkischen Bauordnung genannten Bewilligungstatbestände, sohin auch eine "bloße" Änderung des Verwendungszweckes, eines Nachweises der Widmungsbewilligung nicht bedürften. Die Verfahrensrüge der straßenjenseitigen Nachbarn, es hätte nur eine unzureichende Vorbereitungszeit für die mündliche Verhandlung zur Verfügung gestanden, sei unberechtigt. Der Bewilligungsgegenstand sei eine bereits bestehende Diskothek und seit dem Jahre 1987 verfahrensverfangen. Es seien sohin den Beschwerdeführern eine Woche an Vorbereitungszeit und zwei Parteienverkehrstage zur Akteneinsicht zur Verfügung gestanden, nämlich der 12. November und der Tag der für 13.30 Uhr anberaumten Verhandlung (der 15. November), dazu komme noch, daß das "umfangreiche lärmtechnische Gutachten", dessen Studium nach Ansicht der Nachbarn nicht möglich gewesen sei, schon bei flüchtiger Durchsicht ohne jeden Zweifel erkennen lasse, daß es sich mit der Lärmbelastungsituation der einwendungswerbenden Nachbarn überhaupt nicht auseinandersetze, sondern lediglich mit der der unmittelbaren Anrainer selbst. Der einzige im Gutachten befundmäßig festgehaltene, die Nachbarn betreffende Sachverhalt sei der den Nachbarn wohl bekannte Umstand, daß die Diskothek straßenseitig keine Öffnung aufweise.

Schließlich wurde noch ausgeführt, daß der Gemeinderat aufgrund des Devolutionsantrages der Bewilligungswerberin seine Zuständigkeit im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG in Anspruch zu nehmen hatte, weil die Unterbehörde innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung getroffen habe und die Bewilligungswerberin an diesem Umstand keinerlei Verschulden habe.

Gegen diesen Bescheid richten sich die Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in Gegenschriften, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, die von den Erst- und Zweitbeschwerdeführern zu Zl. 92/06/0017, von den Dritt- bis Fünftbeschwerdeführern zu Zl. 92/06/0018 und von der Sechstbeschwerdeführerin zu Zl. 92/06/0019 protokollierten Beschwerden wegen des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist festzustellen, daß die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen ist, daß aufgrund des am 13. Februar 1990 bei der Behörde eingelangten Antrages der mitbeteiligten Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Bauansuchen auf die belangte Behörde übergegangen ist, weil die Baubehörde erster Instanz nach Zustellung des Bescheides vom 6. Juli 1989 innerhalb von sechs Monaten über die Bauansuchen nicht entschieden hat und die Verzögerung nach der Aktenlage ausschließlich der Behörde zur Last fällt.

Die verfahrensgegenständlichen Bauansuchen wurden in den Jahren 1972 und 1980 eingebracht, die dagegen eingebrachten Berufungen langten im November 1987 bei der Baubehörde ein, eine Entscheidung über diese Berufungen erfolgte erst mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 6. Juli 1989. Die Steiermärkische Bauordnung 1968 wurde entscheidend durch die Steiermärkische Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, geändert. Unter anderem wurde mit dieser Bauordnungsnovelle die Bestimmung des § 58 Abs. 2 angefügt, wonach die Pflicht zum Nachweis der Widmung bei Bauführungen nach § 57 Abs. 1 lit. c bis h entfällt.

Nach der Übergangsbestimmung gemäß Artikel II Abs. 2 dieses Gesetzes ist für Berufungen gegen Bescheide, die bis zum Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. März 1989) erlassen worden sind, die bisherige Rechtslage maßgeblich. Diese Übergangsbestimmung kann insbesondere unter Berücksichtigung des § 74 BO nur so verstanden werden, daß für Verfahren, in denen bereits ein erstinstanzlicher Bescheid erlassen wurde und die aufgrund von Berufungen anhängig sind, die Rechtslage vor der Bauordnungsnovelle 1988 maßgeblich ist. Für das gesamte Verfahren ist daher die Rechtslage vor der Novelle

LGBl. Nr. 14/1989 maßgebend, woraus sich insbesondere ergibt, daß gemäß § 2 der Steiermärkischen Bauordnung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung eine Baubewilligung nicht erteilt werden durfte. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur zur Rechtslage der Steiermärkischen Bauordnung vor der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 ausgesprochen hat, dient das im § 2 Abs. 1 letzter Satz der Steiermärkischen Bauordnung 1968 enthaltene Verbot, wonach vor Rechtskraft einer Widmungsbewilligung eine Baubewilligung nicht erteilt werden darf, nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn (vgl. das h.g. Erkenntnis vom 27. Februar 1973, Zlen. 502/72 und 516/72).

Die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer haben bereits in ihrer Eingabe vom 12. November 1991, die während der Verhandlung vom 15. November 1991 verlesen wurde, darauf hingewiesen, daß keine Widmungsverhandlung stattgefunden und zunächst ein diesbezüglicher Bescheid zu ergehen habe. Diesem Vorbringen ist die belangten Behörde im angefochtenen Bescheid mit zwei Argumenten entgegengetreten: zum einen nahm sie an, daß die Rechtsmittelbehörde in ihrem Bescheid vom 6. Juli 1989 mit bindender Wirkung das Erfordernis einer solchen Widmungsbewilligung verneint habe, zum anderen vertrat sie die Ansicht, daß aufgrund des § 58 Abs. 2 BO für eine bloße Änderung des Verwendungszweckes ein Widmungsnachweis nicht erforderlich sei.

Beide Ansichten sind unzutreffend. Zunächst ist festzustellen, daß nur die die Aufhebung tragenden Entscheidungsgründe (falls, wie im vorliegenden Fall, der kassatorische Bescheid in Rechtskraft erwächst) für das weitere Verfahren bindend sind. Die auf § 66 Abs. 2 AVG gegründete Aufhebung der Baubewilligungsbescheide vom 14. November 1972 und vom 4. März 1981 wurde im Bescheid vom 6. Juli 1989 darauf gestützt, daß zu klären sei, ob die Verwendung der Kellerräumlichkeiten (als Diskothek) zu einer unzumutbaren Lärmbelästigung der beschwerdeführenden Nachbarn führe. Diese Frage könne nicht allein durch Einholung von Sachverständigengutachten geklärt werden. Unter Beiziehung von technischen und medizinischen Sachverständigen müsse das sogenannte Istmaß und das sogenannte Beurteilungsmaß festgestellt und mit den rechtsmittelführenden Nachbarn erörtert werden, was nur im Rahmen einer mündlichen Ortsaugenscheinsverhandlung möglich sei. Die die Aufhebung tragenden Gründe liegen daher in der von der Berufungsbehörde erachteten Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle, nicht jedoch in der Ansicht der Berufungsbehörde, wonach der Nachweis einer Widmungsbewilligung nicht erforderlich sei. Im zuletzt genannten Belang ist daher eine Bindung nicht eingetreten (vgl. das Erkenntnis vom 13. Juli 1982, Slg. NF. Nr. 10.796/A).

Aber auch das zweite, von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Argument verfängt nicht, weil, wie bereits oben ausgeführt, § 58 Abs. 2 BO in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989 in den Beschwerdefällen nicht anzuwenden ist. Die beantragten Baubewilligungen durften daher nicht ohne Widmungsbewilligung erteilt werden. Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hatte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Das Verfahren ist aber mit einer weiteren Rechtswidrigkeit belastet: die Zustellung der Ladung zur Verhandlung vom 15. November 1991 erfolgte an die Beschwerdeführer am 8. November 1991. Zur Einsicht in das Gutachten stand den Beschwerdeführern nur die Zeit von jeweils Dienstag und Freitag von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr zur Verfügung. Wenn auch den Beschwerdeführern das eingereichte Projekt zumindest seit 1987 bekannt war, so war ihnen doch nicht das Gutachten, das die mitbeteiligte Partei der Behörde nach Erlassen des aufhebenden Berufungsbescheides vom 6. Juli 1989 vorgelegt hatte, bekannt. Das von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Gutachten des D. I. Dr.W. Pf. vom 20. Dezember 1990 in der Ausfertigung vom 29. August 1991 umfaßt zwar nur 11 Textseiten, eine Tabelle und zwei Beilagen, bezieht sich jedoch auf zahlreiche Vorgutachten, sodaß, um dieses Gutachten einigermaßen nachvollziehen zu können, ein eingehendes Studium der Vorgutachten erforderlich ist. Für die sachliche Auseinandersetzung mit einem Gutachten, das sich seinerseits wieder auf mehrere Vorgutachten bezieht, erscheinen jedoch vier Amtsstunden am Dienstag und vier Amtsstunden unmittelbar vor der Verhandlung am Freitag dem 15. November 1991 sachverhaltsbezogen als nicht ausreichend, sodaß die belangte Behörde dem Vertagungsantrag der Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs entsprechen hätte müssen. Die Beschwerdeführer bringen in ihren Beschwerden auch zahlreiche sachbezogene Argumente gegen das Gutachten vor, von denen nicht auszuschließen ist, daß sie im Falle ihrer - bisher nicht erfolgten - den Vorschriften des Verwaltungsverfahrens entsprechender Erörterung ein anderes Ergebnis des Verfahrens zur Folge haben könnten.

Die Bedenken der Beschwerdeführer gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 bzw. gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes betreffend Überlagerung der Ausweisung als Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet im Erdgeschoß mit "allgemeinem Wohngebiet" vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Die Möglichkeit, im Ergeschoß eine andere Widmung als im Obergeschoß vorzusehen, kann nicht grundsätzlich als sachwidrig erkannt werden (vgl. auch das h.g. Erkenntnis vom 17. Dezember 1987, Zlen. 86/06/0049 und 86/06/0239, BauSlg. Nr. 1035). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, daß dann, wenn für ein bestimmtes Gebiet verschiedene Nutzungen für übereinanderliegende Flächen im Sinne des § 22 Abs. 4 ROG bestehen, dies zur Folge hat, daß für die Beurteilung, welche Verwendungzwecke in den einzelnen Ebenen zulässig sind, jeweils allein der Inhalt der Widmungskategorie maßgebend ist, die für die betreffende Ebene festgelegt ist. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, daß im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein wird, welche Widmungskategorie für das KELLERGESCHOß festgelegt ist, da sich die Umbauten und die Änderung des Verwendungszweckes ausschließlich auf das Kellergeschoss beziehen.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Mit der Erledigung der Beschwerden sind die Anträge, diesen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

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