VwGH 92/04/0003

VwGH92/04/000331.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jaksuch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des M in D, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol, vom 26. September 1990, Zl. IIa-90.056/6-90, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §7 Abs1;
GewO 1973 §367 Z26;
GewO 1973 §77 Abs1;
EMRK Art5;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;
AVG §38;
AVG §7 Abs1;
GewO 1973 §367 Z26;
GewO 1973 §77 Abs1;
EMRK Art5;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 26. September 1990 schuldig erkannt, als gewerberechtlicher Geschäftsführer der "X-Gesellschaft mbH und Co. KG" im Sinne des § 370 Abs. 2 GewO 1973 dafür verantwortlich zu sein, daß der auf näher umschriebenen Grundstücken liegende X-Einkaufsmarkt in W, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 16. Jänner 1985 gemäß § 77 GewO 1973 gewerbebehördlich genehmigt worden sei, zumindest vom 13. Mai 1986 bis 30. September 1988 in Betrieb gewesen sei, obwohl entgegen der Auflage Punkt 21 des zitierten Bescheides - "Verkaufsgeschäft und Mietgeschäft müssen einen eigenen Brandabschnitt bilden" - das im eingereichten Projekt geplante Schuhgeschäft nicht ausgeführt und die dafür vorgesehene Grundfläche von ca. 400 m2 dem Lebensmittelmarkt angegliedert worden sei, wodurch die im Bescheid geforderte Brandabschnittsbildung zwischen diesen beiden Geschäftslokalen nicht erreicht worden sei und die gesamte Brandabschnittsfläche für das Lebensmittelgeschäft ca. 800 m2 betragen habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 26 GewO 1973 in Verbindung mit der Auflage Punkt 21 des gemäß § 77 GewO 1973 erlassenen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 16. Jänner 1985 begangen, weshalb gemäß § 367 GewO 1973 über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt wurde. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges aus, es sei unbestritten, daß der Brandabschnitt der beiden Räume (Lebensmittelmarkt, Schuhgeschäft) nicht hergestellt worden sei, indem diese Räume zu einem einzigen großen Raum zusammengefaßt worden seien. Es sei aktenkundig, daß es sich um eine wesentliche brandschutztechnische Auflage handle. Da diese Auflage nicht eingehalten worden sei, habe die Landesstelle für Brandverhütung zusätzliche Auflagen vorschreiben müssen. Schutzzweck der Auflage sei es, entstandene Brände möglichst gering zu halten bzw. eine Weiterverbreitung eines Brandes zu hemmen. Könne sich ein Brand ungehemmt ausbreiten, sei mit der Benützung des Lebensmittelmarktes eine potentiell größere Gefahr für Kunden verbunden. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sei daher schwerwiegend. Es folgen sodann weitere Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgeblichen Erwägungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. September 1991 abgelehnte und mit Beschluß vom 2. Jänner 1992 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in den Rechten auf ein faires Verfahren, auf Parteiengehör, auf ordnungsgemäße Verfahrensführung und darauf, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestraft zu werden, verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, die Hauptstoßrichtung dieser Beschwerde richte sich dagegen, daß der Straftatbestand nur vorgeschoben sei. Es gehe der Behörde überhaupt nicht um die Einhaltung brandschutztechnischer Auflagen. Es sei anzumerken, die X-Gruppe betreibe seit vielen Jahren eine großen Zahl von Lebensmittelmärkten "quer durch Österreich", ohne daß es jemals zu einem Brandschutzproblem gekommen wäre. Schon aus Gründen der Feuerversicherung seien sämtliche Märkte brandschutztechnisch völlig unbedenklich. Tatsächlich gehe es wohl darum, zum Schutz der Nahversorgung sonstige gesetzliche Vorschriften heranzuziehen, da der landesrechtliche Schutz der Nahversorung verfassungswidrig wäre. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei im Verwaltungsstrafverfahren nach den Grundsätzen des gerichtlichen Strafrechts vorzugehen, weil eine eigene Verwaltungsstrafrechtswissenschaft eigentlich nicht bestehe. Im vorliegenden Fall liege nun kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der von der Behörde strapazierten Strafnorm und dem Schutzzweck vor, sondern es gehe der Behörde offenkundig allein darum, mit Mitteln des Brandschutzes politische (Nahversorgung) Interessen der Handelskammer zu verfolgen. Die Bestrafung des Beschwerdeführers sei daher mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges zu Unrecht erfolgt. Wegen des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhanges fehle es auch an der Strafwürdigkeit, denn die von der Strafnorm geschützten Interessen seien ja nicht verletzt worden. Der Beschwerdeführer hege auch Bedenken gegen den österreichischen Vorbehalt zu Art. 5 EMRK, der keiner der Voraussetzungen des Art. 64 EMRK entspreche und daher unzulässig sei. Selbst wenn der Vorbehalt noch zu Recht bestünde, würde er nicht das "Rechtsschutzdefizit des Beschwerdeführers" abdecken, das insbesondere darin bestehe, daß eine Vermengung zwischen Gewerbebehörde und Strafbehörde eingetreten sei, die derartige Mißbräuche von Strafnormen geradezu institutionalisiere. Selbst wenn der österreichische Vorbehalt zu Art. 5 EMRK gültig wäre, würde er nicht decken, daß die Gewerbebehörde und die Strafbehörde zusammenfallen, daß also die Gewerbebehörde quasi in eigener Sache entscheide. So gelte beispielsweise für § 68 StPO als selbstverständlich, daß nicht wiederum ein Richter in seiner Sache tätig werden könne. Die Entscheidungsträger des Verfahrens wären daher richtigerweise auch als befangen anzusehen gewesen, handle es sich doch beim Instanzenzug um denselben wie im gewerblichen

Betriebsanlagengenehmigungsverfahren und in den weiteren gewerblichen Verfahren überhaupt.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Vorschreibung der in Rede stehenden Auflage maßgeblichen Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, ist eine Betriebsanlage - erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen - zu genehmigen, wenn überhaupt oder bei Einhaltung der Auflagen zu erwarten ist, daß eine Gefährdung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 ausgeschlossen ist und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Zufolge § 367 Z. 26 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe oder mit einer Arreststrafe zu ahnden ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs. 1 und 2 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Der Tatbestand des § 367 Z. 26 leg. cit. ist somit - von hier nicht in Betracht kommenden Mißachtungen von Verordnungen abgesehen - erfüllt, wenn eine in einem über die Genehmigung einer Betriebsanlage oder deren Änderung ergehenden Bescheid vorgeschriebene Auflage nicht eingehalten wird. Ob die Auflage zur Erzielung des damit angestrebten Schutzzweckes notwendig war, ist dagegen vom Tatbestand nicht umfaßt. Es handelt sich um ein Ungehorsamsdelikt i.S.d. § 5 Abs. 1 VStG. Ob durch die Tat der mit der Auflage angestrebte Schutzweck vereitelt wurde, ist daher nicht Vorfrage in einem wegen des Vorwurfes einer Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 26 durchgeführten Verwaltungsstrafverfahren. Die Frage der Erforderlichkeit der Auflage wurde abschließend in dem der Bestrafung zu Grunde liegenden Betriebsanlagengenehmigungsbescheid, in welchem die fragliche Auflage vorgeschrieben wurde, entschieden. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.

Der von Österreich erklärte Vorbehalt zu Art. 5 EMRK ist normativer Bestandteil der für die Republik Österreich am 3. September 1958 in Kraft getretenen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, welche auf der Rechtserzeugungsstufe eines Bundesverfassungsgesetzes steht. Da somit auch der Vorbehalt auf der Rechtserzeugungsstufe eines Bundesverfassungsgesetzes steht, ist es zunächst ausgeschlossen, daß er im Verhältnis zu gleichrangigem Verfassungsrecht verfassungswidrig sein könnte. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof unter dem Blickwinkel höherrangigen Verfassungsrechtes, etwa unter dem Blickwinkel des rechtsstaatlichen Prinzips oder unter dem Blickwinkel des grundlegenden Organisationsgefüges der Bundesverfassung, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Vorbehalt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1990, Zl. 89/04/0010, 89/04/0237). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch unter Berücksichtigung des vorliegenden Beschwerdevorbringens nicht veranlaßt, von dieser Rechtsansicht abzugehen, weshalb auch eine entsprechende Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof unterbleibt.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch nicht zu erkennen, es liege, wie der Beschwerdeführer meint, eine durch den österreichischen Vorbehalt zu Art. 5 EMRK nicht gedeckte Befangenheit der belangten Behörde deshalb vor, weil sie gleichzeitig auch Gewerbebehörde sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1985, Zl. 83/04/0244).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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