Normen
AVG §62 Abs4;
GewO 1973 §198 Abs2;
GewO 1973 §368 Z11;
MRK Art5;
SperrV Vlbg 1957 §1 Abs1;
SperrV Vlbg 1957 §2 Abs1;
VStG §44a litb;
AVG §62 Abs4;
GewO 1973 §198 Abs2;
GewO 1973 §368 Z11;
MRK Art5;
SperrV Vlbg 1957 §1 Abs1;
SperrV Vlbg 1957 §2 Abs1;
VStG §44a litb;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 20.220,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf das hg. Erkenntnis vom 19.Jänner 1988, Zlen. 86/04/0156 bis 0159, mit dem u. a. der Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 9. Oktober 1985 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden ist, wird hingewiesen.
Mit Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 6. Juni 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Verantwortlicher des Gastlokales A in X, Y-straße, die für diesen Betrieb mit 24.00 Uhr festgesetzte Sperrstunde nicht eingehalten, weil er am 2. April 1984
mehreren Gästen das Verweilen im Gasthaus bis 0.55 Uhr gestattet habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 368 Z. 11 in Verbindung mit § 198 "Z. 2" GewO 1973 und "§ 2 Abs. 1" der Sperrstundenverordnung 1957, LGBl. Nr. 23, in der Fassung LGBl. Nr. 40/1969, begangen. Gemäß § 368 Z. 11 GewO 1973 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt.
Dagegen richtet sich die vorliegende vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 18. Jänner 1989, B 1418/88, abgetretene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Mit auf § 41 Abs. 1, zweiter Satz, VwGG gegründetem Beschluß vom 19. September 1989 hat der Verwaltungsgerichtshof die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf einen bei Zitierung der Sperrstundenverordnung 1957 unterlaufenen Fehler hingewiesen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 31. Oktober 1989 wurde der Bescheid dieser Behörde vom 6. Juni 1988 gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 dahingehend berichtigt, daß der Beschwerdeführer eine Tat gemäß § 368 Z. 11 in Verbindung mit § 198 Abs. 2 GewO 1973 und § 1 Abs. 1 der Sperrstundenverordnung 1957, LGBl. Nr. 23, in der Fassung LGBl. Nr. 40/1969, begangen habe.
Dagegen richtet sich die unter der hg. Zl. 89/04/0237 protokollierte Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:
In Ansehung des Bescheides vom 31. Oktober 1989 erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Unterbleiben der Bescheidberichtigung verletzt.
Der Beschwerdeführer ist mit dieser Beschwerde gegen den Bescheid vom 31. Oktober 1989 im Recht.
Nach § 44 a lit. b VStG 1950 hat der Spruch eines Straferkenntnisses (d.h. auch ein im Berufungsverfahren getroffener Schuldspruch wegen einer Verwaltungsübertretung) die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten.
Gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.
Die Berichtigungsbefugnis eröffnet nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung des Spruchinhaltes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1986, Zl. 86/07/0011).
Im vorliegenden Fall war dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 6. Juni 1988 zur Last gelegt worden, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 368 Z. 11 in Verbindung mit § 198 Z. 2 GewO 1973 und § 2 Abs. 1 der Sperrstundenverordnung 1957, LGBl. Nr. 23, in der Fassung LGBl. Nr. 40/1969, begangen zu haben.
Damit, daß nach dem Spruch des Bescheides vom 31. Oktober 1989 das im Bescheid vom 6. Juni 1988 enthaltene Zitat des § 2 Abs. 1 der zitierten Sperrstundenverordnung durch das Zitat des § 1 Abs. 1 dieser Rechtsvorschrift ersetzt werden soll, wurde der Bescheid vom 6. Juni 1988 im Spruchteil nach § 44 a lit. b VStG 1950 inhaltlich geändert.
Der Beschwerdeführer wurde durch den Bescheid vom 31. Oktober 1989 somit in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht verletzt.
Der Bescheid vom 31. Oktober 1989 war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
In Ansehung des Bescheides vom 6. Juni 1988 erachtet sich der Beschwerdeführer "vorerst in jenen Rechten, die er bereits beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht hat", d. h. im Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK und im Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen, im Sinne des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK verletzt.
Den angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt der solcherart als eigene Beschwerdepunkte geltend gemachten, im Sinne des Art. 144 Abs. 1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte (Art. 6 EMRK in Verbindung mit Art. III Z. 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 4. März 1964, BGBl. Nr. 59) zu prüfen, ist dem Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf Art. 133 Z. 1 B-VG verwehrt.
Dem - zusammen mit dem Abtretungsantrag noch an den Verfassungsgerichtshof gerichteten - Ergänzungsschriftsatz vom 9. Dezember 1988 ist zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer weiters in dem Recht verletzt erachtet, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und dafür nicht bestraft zu werden.
In Ausführung dieses Beschwerdepunktes regt der Beschwerdeführer an, der Verwaltungsgerichtshof wolle gegebenenfalls - einer stattgebenden Entscheidung entgegenstehende - Normen "auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 6 EMRK überprüfen". Er stellt in diesem Zusammenhang den Antrag, den österreichischen Vorbehalt zu Art. 5 EMRK unter dem Gesichtspunkt des Art. 64 EMRK an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, mit dem Antrag auf Aufhebung dieses Vorbehaltes. Es könne kein Zweifel daran bestehen, daß der österreichische Vorbehalt zu Art. 5 EMRK nicht präziser sei als der schweizerische Vorbehalt zu Art. 6 Abs. 1 EMRK und daß er daher verfassungswidrig sei.
Gemäß § 368 Z. 11 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer die Bestimmungen des § 198 Abs. 2 oder der gemäß § 198 Abs. 1 erlassenen Verordnungen über Sperrstunden und Aufsperrstunden nicht einhält. Nach § 198 Abs. 1 GewO 1973 hat der Landeshauptmann den Zeitpunkt, in dem die Gastgewerbebetriebe geschlossen werden müssen (Sperrstunde), und den Zeitpunkt, in dem sie geöffnet werden dürfen (Aufsperrstunde), für die einzelnen Betriebsarten der Gastgewerbe durch Verordnung festzulegen. Im Grunde des § 375 Abs. 1 Z. 70 GewO 1973 bleiben bis zur Erlassung der im § 198 Abs. 1 leg. cit. vorgesehenen Verordnungen die auf Grund des § 54a Abs. 1 GewO 1859 erlassenen Verordnungen über die Sperrzeiten im Gast- und Schankgewerbe (unbeschadet der Bestimmung des § 374 Abs. 2 GewO 1973 und soweit nicht durch die GewO 1973 eine diesbezügliche Regelung getroffen wird) als Bundesgesetz in Geltung. Die Sperrstundenverordnung 1957, LGBl. für Vorarlberg Nr. 23, in der Fassung LGBl. Nr. 40/1969, stellt eine solche als Bundesgesetz fortgeltende Rechtsvorschrift dar.
Gemäß § 198 Abs. 2 GewO 1973 hat der Gastgewerbetreibende die Betriebsräume und die allfälligen sonstigen Betriebsflächen, ausgenommen die der Beherbergung dienenden, während des Zeitraumes zwischen den nach Absatz 1 festgelegten Sperr- und Aufsperrstunden geschlossen zu halten. Während dieser Zeit darf er Gästen weder den Zutritt zu diesen Räumen und zu diesen Flächen noch dort ein weiteres Verweilen gestatten und die Gäste auch nicht in anderen Räumen oder auf anderen sonstigen Flächen gegen Entgelt bewirten. Die Gäste sind rechtzeitig auf den Eintritt der Sperrstunde aufmerksam zu machen; sie haben den Betrieb spätestens zur Sperrstunde zu verlassen.
§ 368, Einleitung und Z. 11, der am 1. August 1974 in Kraft getretenen Gewerbeordnung 1973 entspricht der Strafbestimmung des § 131 in Verbindung mit dem am 1. November 1957 in Kraft getretenen § 54a der Gewerbeordnung von 1859 und sieht somit Strafmaßnahmen (nämlich das gegenüber einer Freiheitsstrafe mildere Strafmittel der Geldstrafe und in Verbindung mit § 16 VStG 1950 das Strafmittel der Ersatzfreiheitsstrafe) vor, die durch den - "die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen, BGBl. Nr. 172/1950, vorgesehenen Maßnahmen des Freiheitsentzuges" (und somit auch die Maßnahmen der Auferlegung des der Art nach geringeren Übels einer Geldstrafe) "unter der in der österreichischen Bundesverfassung vorgesehenen nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof" betreffenden - Vorbehalt zu Art. 5 EMRK (der in Ansehung der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen der zitierten Verwaltungsverfahrensgesetze und in Ansehung der behördlichen Entscheidungszuständigkeit auch die Anwendung des Art. 6 EMRK ausschließt; vgl. hiezu u. a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, G 181/86) gedeckt sind. Dieser Vorbehalt ist normativer Bestandteil der für die Republik Österreich am 3. September 1958 in Kraft getretenen Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, welche mit Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 59/1964 zum Bundesverfassungsgesetz erklärt wurde. Da der Vorbehalt somit auf der Rechtserzeugungsstufe eines Bundesverfassungsgesetzes steht, ist es zunächst ausgeschlossen, daß er im Verhältnis zu gleichrangigem Verfassungsrecht verfassungswidrig sein könnte. Darüberhinaus hat der Verwaltungsgerichtshof unter dem Blickwinkel höherrangigen Verfassungsrechtes, etwa unter dem Blickwinkel des rechtsstaatlichen Prinzips oder unter dem Blickwinkel des grundlegenden Organisationsgefüges der Bundesverfassung, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Vorbehalt.
Im übrigen ist der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde gegen den Bescheid vom 6. Juni 1988 schon im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof mit dem vorliegenden Erkenntnis ausgesprochene Aufhebung des Bescheides vom 31. Oktober 1989 im Recht.
Der Bescheid vom 6. Juni 1988 bezieht sich in seinem Spruchteil nach § 44 a lit. a VStG 1950 auf eine für ein Gasthaus mit 24.00 Uhr festgesetzte Sperrstunde. Im Spruchteil nach § 44 a lit. b VStG 1950 hingegen wurde u.a. § 2 Abs. 1 der Sperrstundenverordnung 1957, LGBl. Nr. 23, zitiert, der sich nicht auf Gasthäuser, sondern nur auf Gastgewerbebetriebe in der Betriebsart Bar, und zwar auch dies nur unter bestimmten Voraussetzungen, bezieht und der ferner keine Sperrstunde mit 24.00 Uhr, sondern eine solche um 02.00 Uhr nachts vorsieht. Solcherart wurde die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift nicht dem Gesetz entsprechend bezeichnet und es wurde der Beschwerdeführer sohin auch durch den Bescheid vom 6. Juni 1988 in dem in der Beschwerde gegen diesen Bescheid als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht verletzt.
Aus den dargelegten Gründen waren somit beide angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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