VwGH 92/01/0459

VwGH92/01/04591.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Februar 1992, Zl. 4.290.600/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;
AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark hatte mit Bescheid vom 23. Mai 1990 festgestellt, daß der Beschwerdeführer, ein bulgarischer Staatsangehöriger, nicht Flüchtling sei.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Februar 1992 ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In der Bescheidbegründung ging die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage davon aus, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, Umstände glaubhaft zu machen, die die Annahme rechtfertigen würden, der Beschwerdeführer befinde sich aus objektiv wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention außerhalb seines Heimatlandes und sei daher nicht gewillt, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. So stellten insbesondere die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Probleme mit der Polizei im Anschluß an eine antikommunistische Demonstration keine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar. Dem Berufungsvorbringen, nach der Demonstration auf der Stelle entlassen worden zu sein, könne im Hinblick auf die Angaben bei der ersten Einvernahme, nur für den Fall einer abermaligen Teilnahme an einer Demonstration mit der Entlassung bedroht worden zu sein, kein Glaube geschenkt werden. Das Recht auf Arbeit stelle, wenn durch seine Verweigerung nicht die Lebensgrundlage entzogen werde, insbesondere dann kein durch die angeführte Konvention geschütztes Rechtsgut dar, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes nicht dem Heimatstaat zurechenbar sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner ersten, unter Beiziehung eines Dolmetschers vorgenommenen Befragung durch die Behörde erster Instanz am 17. Jänner 1990 angegeben, nie der kommunistischen Partei, wohl aber von 1984 bis 1989 der "DKMS" angehört zu haben und nie religiös verfolgt worden zu sein. Während einer gegen die Regierung und die "DKMS" gerichteten Demonstration am 14. Dezember 1989 sei der Beschwerdeführer von einer Zivilstreife der Polizei verhaftet und für eine Nacht eingesperrt worden.

Demgegenüber hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung den Vorfall vom 14. Dezember 1989 in der Weise dargestellt, daß er und seine Freunde von der Polizei "auf brutale Weise verhört, immer wieder geschlagen, beschimpft und mißhandelt" worden seien.

Bei der ersten Einvernahme hat der Beschwerdeführer als Folgen dieses Geschehens angegeben, es sei ihm seitens seines Chefs im Falle der nochmaligen Teilnahme an einer gegen die Regierung gerichteten Demonstration mit der Entlassung gedroht worden. Der Beschwerdeführer habe im Anschluß daran erfolglos versucht, eine andere Arbeitsstelle zu finden.

In der Berufung hingegen führte der Beschwerdeführer aus, am Tag nach der Demonstration offenbar wegen der Teilnahme an dieser sofort entlassen worden zu sein.

Aus dieser Gegenüberstellung ist ersichtlich, daß das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers in mehrfacher Hinsicht über seine ersten Angaben hinausgeht und diesem gegenüber Widersprüchlichkeiten aufweist. Der belangten Behörde kann daher, soweit sie die Abweisung der Berufung unter Hinweis auf diese Widersprüchlichkeiten damit begründet hat, daß das Berufungsvorbringen nicht glaubwürdig sei, nicht entgegengetreten werden, weil - wie der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen erkannt hat - es nicht unschlüssig ist, die von Asylwerbern bei der ersten Befragung gemachten Angaben als am ehesten der Wahrheit entsprechend zu werten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0259, und viele andere).

Die belangte Behörde hat sohin zu Recht ihrer Beurteilung jene Angaben zugrunde gelegt, die der Beschwerdeführer bei seiner ersten Befragung gemacht hat. Ausgehend von diesem Vorbringen - welches der Beschwerdeführer in der Beschwerde ausdrücklich als richtig bezeichnet hat - ist der belangten Behörde beizupflichten, daß die vom Beschwerdeführer als Fluchtgrund angeführte Teilnahme an einer Demonstration, die für ihn zu keinen gravierenden Konsequenzen geführt hat, nicht geeignet ist, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. So kann die aus Anlaß der Teilnahme an einer - offenbar nicht behördlich genehmigten - Demonstration vorgenommene polizeiliche Anhaltung für eine Nacht nicht als Fluchtgrund im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen werden (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S 33, angeführte Judikatur).

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde hätte (im übrigen nicht weiter konkretisierte) Mißverständnisse berücksichtigen müssen, die sich daraus ergeben hätten, daß er - weil der deutschen Sprache nicht hinlänglich mächtig - sich bei der Abfassung der Berufung eines Landsmannes habe bedienen müssen, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde nicht gehalten war, nach allfällig intern vorliegenden, nach außen aber nicht erkennbaren Mißverständnissen bei der Abfassung der Berufung - es lag eine in ihrem Wortlaut und Sinn klare Berufung in deutscher Sprache vor - zu forschen. Auch die in der Beschwerde eingewendeten mangelnden Rechtskenntnisse des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, eine Verpflichtung der belangten Behörde zu ergänzenden Ermittlungen darzutun.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihn zum geltend gemachten Verlust seines Arbeitsplatzes näher zu befragen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er durch die von ihm auch genützte Möglichkeit der Berufungserhebung in der Lage war, alles ihm zweckdienlich Erscheinende vorzubringen. Zur Durchführung einer ergänzenden mündlichen Einvernahme zwecks Darlegung der ohnedies bereits schriftlich geltend gemachten, durchaus klar formulierten Berufungsgründe war die belangte Behörde daher ebensowenig verpflichtet wie zu einer weiteren Befragung über allfällige weitere Verfolgungshandlungen. Im Unterbleiben einer solchen Einvernahme kann daher kein Verfahrensmangel erblickt werden. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argumentation, es könne einem Asylwerber im Hinblick auf die Wichtigkeit seiner Glaubwürdigkeit nicht zugemutet werden, "von sich aus der Behörde einen möglichst umfangreichen Sachverhalt aufzudrängen", steht im Widerspruch zu der hg. Judikatur, derzufolge es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1991, Zl. 90/01/0196, und viele andere).

Auf den erstmals in der Beschwerde geltend gemachten Umstand, daß der Mutter des Beschwerdeführers wegen der politischen Tätigkeit des Beschwerdeführers die Arbeit und damit die Existenzgrundlage entzogen sowie gedroht worden sei, dem Beschwerdeführer würde im Fall seiner Rückkehr "etwas zustoßen", war schon zufolge des gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes nicht weiter einzugehen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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