VwGH 92/01/0043

VwGH92/01/00431.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, in der Beschwerdesache des Dr. J in A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Ausschusses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 11. April 1991, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Erlassung eines Feststellungsbescheides,

Normen

AVG §56;
RAO 1868 §1;
AVG §56;
RAO 1868 §1;

 

Spruch:

I. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, daß die von ihm beabsichtigte Tätigkeit als Dienstnehmer der Rechtsanwälte Dres. M., G. und K. in Liechtenstein mit der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vereinbar sei, zurückgewiesen wurde, als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren insoweit eingestellt.

II. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 25. März 1991 richtete der Beschwerdeführer an den Ausschuß der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer den Antrag, es möge bescheidmäßig festgestellt werden, daß die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Tätigkeit als Dienstnehmer der Rechtsanwälte Dres. M., G. und K. in Liechtenstein mit der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vereinbar sei und das Dienstverhältnis zu diesen Rechtsanwälten als Gegenstand keine Tätigkeiten umfasse, die zu den befugten Aufgaben eines österreichischen Rechtsanwaltes zählten. Er führte aus, nach mehrjähriger praktischer Verwendung bei Rechtsanwälten und einer Tätigkeit als Universitätsassistent sei er derzeit Rechtspraktikant; am 1. September 1991 werde er sämtliche Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte erfüllen. Er beabsichtige in jenem Zeitpunkt, in dem er die Eintragungsfähigkeit erlange, einen Dienstvertrag mit den genannten Rechtsanwälten in Liechtenstein abzuschließen; er beabsichtige weiters, sich gleichzeitig in die Liste der Rechtsanwälte eintragen zu lassen. Er stelle das Feststellungsbegehren, um "rechtsförmig" die Frage zu klären, ob die Tätigkeit als Angestellter liechtensteinischer Rechtsanwälte mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft vereinbar sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Ausschuß der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer den Antrag ab (gemeint offenbar: zurück). Begründend wurde dargelegt, der Antragsteller zähle als Rechtspraktikant nicht zum Kreis jener Personen, die dem Standesrecht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter unterlägen. Er sei daher zur vorliegenden Antragstellung nicht legitimiert.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit seinem Beschluß vom 1. Oktober 1991, Zl. B 598/91, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit Wirksamkeit vom 17. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer beim Ausschuß der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen. Nach Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof teilte der Beschwerdeführer mit, durch die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte sei seine Beschwerde nicht gegenstandslos geworden. Sein rechtliches Interesse sei nach wie vor aufrecht; dies "umso mehr", als die belangte Behörde in der Gegenschrift den Standpunkt vertreten habe, daß die im Wege des Feststellungsverfahrens relevierte Rechtsfrage nur im Wege eines Disziplinarverfahrens geklärt werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I: Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt nicht nur die formelle (ausdrückliche) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern auch der Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Zuge eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu dessen Einstellung, weil der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer nach Art. 131 B-VG erhobenen Bescheidbeschwerde zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides nicht berufen ist. Ergibt sich im Zuge eines derartigen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, daß eine fortwirkende Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht (mehr) gegeben ist, daß auch eine stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine (weitere) Veränderung bewirken würde und die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen damit nicht mehr fallbezogene, sondern nur noch theoretische Bedeutung besitzen, dann führt dies zur Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0040, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Dies trifft im Beschwerdefall zu, soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung jenes Teiles des (zwei inhaltlich trennbare Absprüche beinhaltenden) angefochtenen Bescheides anstrebt, mit dem über die begehrte Feststellung, die beabsichtigte Tätigkeit des Beschwerdeführers als Dienstnehmer liechtensteinischer Rechtsanwälte sei "mit der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vereinbar", entschieden wurde. Damit strebte der Beschwerdeführer offenkundig die Feststellung an, daß die beabsichtigte Aufnahme und Ausübung einer Tätigkeit als Dienstnehmer liechtensteinischer Rechtsanwälte keinen seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte beim Ausschuß der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer hindernden Umstand darstelle. An einer solchen Feststellung besteht jedoch schon im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer nunmehr ungeachtet der beabsichtigten Tätigkeit in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen wurde, kein rechtliches Interesse mehr. Damit ist auch das rechtliche Interesse an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes weggefallen. Dies führt zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens im spruchgemäßen Umfang.

Zu II.:

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers

wegen fehlender Antragslegitimation ab- (richtig: zurück)gewiesen, weil dieser als Rechtspraktikant nicht dem anwaltlichen Standesrecht unterliege. Ob diese Begründung stichhältig ist, braucht jedoch - auch soweit das Verfahren nicht schon infolge Gegenstandslosigkeit einzustellen war, also in Ansehung des Antrages, es möge festgestellt werden, daß das Dienstverhältnis zu liechtensteinischen Rechtsanwälten als Gegenstand keine Tätigkeiten umfasse, die zu den befugten Aufgaben eines österreichischen Rechtsanwaltes zählten - nicht geprüft zu werden, weil sich der Antrag bereits aus einem anderen Grund als unzulässig (und die Zurückweisung somit als nicht rechtswidrig) erweist:

Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die den Beschwerdegegenstand bildende bescheidmäßige Feststellung kam im Beschwerdefall nur die Erlassung eines auf allgemeinen Verfahrensgrundsätzen beruhenden Feststellungsbescheides in Betracht. Derartige Feststellungsbescheide können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Verwaltungsbehörden nur im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit und nur dann erlassen werden, wenn die Feststellung entweder im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1990, Zl. 90/04/0001). Gegenstand eines derartigen Feststellungsbescheides kann grundsätzlich nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sein, nicht aber die Feststellung von Tatsachen, sofern nicht ein Gesetz ausdrücklich eine solche Feststellung vorsieht (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1989, Zl. 89/10/0117, und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein nach den dargelegten Grundsätzen einer bescheidmäßigen Feststellung zugängliches "Recht oder Rechtsverhältnis" lag im Beschwerdefall nicht vor. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, das als Zulässigkeitsvoraussetzung geforderte rechtliche Interesse liege einerseits in dem Umstand begründet, daß er durch Beseitigung der Unklarheit in bezug auf die Interpretation des § 5 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes rechtzeitig in die Lage versetzt werde, Dispositionen im Hinblick auf seine berufliche Zukunft, etwa durch Verhandlungen mit künftigen Arbeitgebern oder künftigen Kanzleipartnern zu treffen, ohne rechtliche Unklarheiten befürchten zu müssen. Andererseits sei der beantragte Feststellungsbescheid auch insoweit notwendiges Mittel der Rechtsverteidigung, als er sich für den Fall der gleichzeitigen Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte und des Antrittes eines Dienstverhältnisses zu liechtensteinischen Rechtsanwälten der Gefahr der Bestrafung durch den Disziplinarrat nach den Bestimmungen des Disziplinarstatutes aussetze.

Diesen Darlegungen des Beschwerdeführers ist - ebenso wie schon seinem Feststellungsantrag - nicht zu entnehmen, worin das (konkrete) "Recht oder Rechtsverhältnis" bestehen sollte, dessen Feststellung begehrt wird. Bei der den Gegenstand des Feststellungsantrages bildenden Frage, ob zu den Pflichten aus einem (seinem Inhalt nach überdies in keiner Weise konkretisierten) Dienstvertrag Tätigkeiten zählen, die zu den befugten Aufgaben eines österreichischen Rechtsanwaltes zählen, handelt es sich weder um ein "Recht" noch um ein "Rechtsverhältnis", das Gegenstand einer bescheidmäßigen Feststellung sein könnte, sondern um eine rechtliche Qualifikation, die überdies nicht einen gegenwärtig existierenden Sachverhalt betroffen hätte, sondern ein vom Beschwerdeführer lediglich beabsichtigtes Verhalten.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Gefahr eines Disziplinarverfahrens ist schon deshalb nicht zielführend, weil die behauptete Gefahr eines Disziplinarverfahrens nichts daran ändert, daß im Beschwerdefall kein einer Feststellung zugängliches "Recht oder Rechtsverhältnis" vorliegt.

Die belangte Behörde hat somit das Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers im Ergebnis zu Recht als unzulässig erachtet; durch dessen Zurückweisung wurde der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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