VwGH 91/16/0077

VwGH91/16/00772.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Kramer, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerden 1. des JO und 2. der FO, beide in R, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich je vom 2. Mai 1991, 1. Zl. 219/1-9/Nd-1991 (hg. Zl. 91/16/0077), und 2. Zl. 220/1-9/Nd-1991

(hg. Zl. 91/16/0078), je betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §6 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
GrEStG 1955 §17 Z4;
BAO §20;
BAO §6 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
GrEStG 1955 §17 Z4;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von JE S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Kostenmehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Mit den im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Berufungsentscheidungen je vom 2. Mai 1991 gab die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (in der Folge: belangte Behörde) jeweils der Berufung der Beschwerdeführer gegen den sie betreffenden der gesondert ausgefertigten Bescheide des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (in der Folge: FA) je vom 14. Februar 1991, mit denen ihnen gegenüber jeweils für einen noch darzustellenden, ein in Oberösterreich gelegenes Grundstück betreffenden Kaufvertrag Grunderwerbsteuer festgesetzt worden war, nicht Folge, und zwar im wesentlichen mit folgender gleichlautender Begründung:

Mit Kaufvertrag vom 15. September 1987 hätten die Beschwerdeführer das hier in Rede stehende Grundstück (dessen Eigentümer sie je zur Hälfte gewesen waren) um den Gesamtkaufpreis von S 1,071.210,-- an die Österreichisch-Bayerische Kraftwerke Aktiengesellschaft (in der Folge: AG) verkauft. Mit Bescheid des FA vom 29. Dezember 1987 sei gegenüber der AG für diesen Kaufvertrag Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 37.492,-- festgesetzt worden. Im Berufungsverfahren habe die AG unter Hinweis auf einen Erlaß des Bundesministers für Finanzen die Befreiung von der Grunderwerbsteuer geltend gemacht. Dieser Erlaß stütze sich auf den (in der Folge als Regierungsübereinkommen bezeichneten) Vertrag vom 16. Oktober 1950 zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Staatsregierung des Freistaates Bayern über die AG betreffend den gemeinsamen Ausbau und die gemeinsame Nutzung von Wasserkräften österreichisch-bayerischer Grenzflüsse, insbesondere Inn und Salzach, jedoch mit Ausnahme der Donau. Zu diesem Zweck sei die AG in Simbach am Inn (mit einer Zweigniederlassung in Braunau am Inn) errichtet worden. Gemäß § 19 Abs. 5 des Regierungsübereinkommens werde die beim Erwerb von Grundstücken anläßlich der Errichtung der AG anfallende Grunderwerbsteuer einschließlich der Zuschläge nicht erhoben.

Die belangte Behörde habe mit Berufungsentscheidung vom 8. Juni 1989 in Stattgebung der Berufung der AG die Grunderwerbsteuerfreiheit zuerkannt.

In der Folge habe das FA gegenüber den Beschwerdeführern mit gesondert ausgefertigten Bescheiden je vom 14. Februar 1991 Grunderwerbsteuer je mit einem Betrag von S 18.746,-- festgesetzt.

In den dagegen eingebrachten Berufungen sei von den Beschwerdeführern im wesentlichen unter Hinweis auf § 19 Abs. 5 des Regierungsübereinkommens vorgebracht worden, es handle sich dabei nicht um eine persönliche Befreiung der AG, sondern um eine (sachliche) Befreiung des Erwerbes. Daher dürfe auch gegenüber den Verkäufern Grunderwerbsteuer nicht festgesetzt werden.

In ihren Vorlageanträgen sei von den Beschwerdeführern ergänzend vorgebracht worden, die AG sei anläßlich der Errichtung des Kraftwerkes Braunau - Simbach verpflichtet worden, das anfallende Treibgut an der Kraftwerksanlage zu sammeln und unschädlich zu beseitigen, jedenfalls nicht in das Unterwasser abzugeben.

Da die provisorische Beseitigung des Treibgutes durch Verbrennen auf einem eigens hiefür vorgesehenen Platz von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit Bescheid vom 21. Oktober 1985 untersagt worden sei, habe sich die AG veranlaßt gesehen, zum Zwecke der Errichtung einer allen rechtlichen Anforderungen genügenden Abfallbeseitigungsanlage ein Grundstück zu kaufen. Der Begünstigungsbescheid sei daher nicht an die AG gerichtet, sondern es sei dieser Grundstückserwerb an sich von der Grunderwerbsteuer befreit.

Die belangte Behörde habe über diese Berufungen der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 48 BAO erwogen:

Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle (arg. bei Abgabepflichtigen ... Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht ausscheiden ...) sei eine derartige Anordnung des Bundesministers für Finanzen einer persönlichen Abgabenbefreiung gleichzuhalten. Nach § 9 Z. 4 GrEStG 1987 seien bei einem Kauf die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen, somit die Käufer und auch die Verkäufer, Steuerschuldner. Auf Grund dieses Gesamtschuldverhältnisses (§ 6 Abs. 1 BAO) liege es im Ermessen der Abgabenbehörde, an wen sie das Leistungsgebot (Verpflichtung zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer) richte.

Der Bundesminister für Finanzen habe im Sinne des § 48 BAO mit Schreiben vom 30. Mai 1989, Zl. ..., für die AG die Befreiung von der Grunderwerbsteuer verfügt.

Da die Beschwerdeführer als am Erwerbsvorgang beteiligte Personen Steuerschuldner seien, sei die Festsetzung der Grunderwerbsteuer im Sinne der geltenden Rechtslage erfolgt.

Gegen diese Berufungsentscheidungen der belangten Behörde je vom 2. Mai 1991 richten sich die vorliegenden, im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden, in denen jeweils die Aufhebung der betreffenden Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschriften vor. In diesen wird jeweils die Abweisung der betreffenden Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verbindung beider Rechtssachen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und danach erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG (Beschwerdepunkte) durch die jeweils sie betreffende Berufungsentscheidung in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Nichtfestsetzung von Grunderwerbsteuer ihnen gegenüber für den angeführten Kaufvertrag verletzt.

Als Beschwerdegründe (im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) wiederholen sie zunächst das oben dargestellte Vorbringen in ihren Berufungen und führen ergänzend im wesentlichen aus, es sei ihnen das zitierte Schreiben des Bundesministers für Finanzen vom 30. Mai 1989 nicht zur Kenntnis gebracht und ihnen auch keine Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, geboten worden. Es sei davon auszugehen, daß es ganz einheitlich Vertragspraxis im Liegenschaftsverkehr sei, daß die Verpflichtung zur Bezahlung der Grunderwerbsteuer im Einzelfall der Erwerber übernehme, der Veräußerer hievon entlastet werde. Die den Grunderwerb von der Besteuerung ausnehmenden Bestimmungen des Regierungsübereinkommens wären demnach sinnlos, wenn im Umweg über eine Inanspruchnahme der jeweilige Veräußerer als Solidarschuldner gemäß § 9 Z. 4 GrEStG 1987 (in der Folge: GrEStG) bzw. § 6 BAO zufolge der der generellen Vertragspraxis entsprechenden Übernahme der Verpflichtung zur Tragung der Steuern und Gebühren aus Anlaß des Rechtsgeschäftes durch den Erwerber wiederum die AG letztlich die Grunderwerbsteuer zu tragen hätte.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist u.a. zu entnehmen, daß mit Punkt VII. des genannten Kaufvertrages folgende Vereinbarung getroffen worden war:

"Sämtliche mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages verbundenen Kosten und Abgaben aller Art, verpflichtet sich die Käuferin, welche alleinige Auftraggeberin dieses Vertrages und seiner Durchführung ist, allein und aus eigenem zu bezahlen."

Die belangte Behörde, die in ihren Gegenschriften zutreffend darauf verweist, daß das Regierungsübereinkommen nicht in die innerstaatliche (österreichische) Rechtsordnung aufgenommen, ein entsprechendes Bundesgesetz weder beschlossen noch im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden sei, erkannte bei der Erlassung der angefochtenen Berufungsentscheidungen grundsätzlich das bei der Vollziehung des - mit § 17 Z. 4 GrEStG 1955 inhaltsgleichen - § 9 Z. 4 GrEStG zu übende Ermessen im Sinne des § 20 BAO (siehe z.B. das Erkenntnis des Veerwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1992, Zlen. 91/16/0071 - 0073, mit weiterem Hinweis), blieb aber eine durch den Verwaltungsgerichtshof überprüfbare Begründung ihrer Ermessensübung schuldig.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten, ausführlich begründeten - eine in den wesentlichen Punkten mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Rechtssache betreffenden - Erkenntnis u.a. auch dargetan, daß seine Rechtsprechung, wonach wegen der Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenforderung bei dem oder den anderen Gesamtschuldnern, wegen Eröffnung des Konkurses über dessen oder deren Vermögen oder wegen des Endens einer juristischen Person für die Inanspruchnahme des verbleibenden Gesamtschuldners kein Spielraum für die Ermessensübung bleibt, sich nur auf Fälle bezieht, in denen das Verbleiben eines Gesamtschuldners durch außerhalb der Einflußsphäre der Abgabenbehörde gelegene Umstände eintrat, nicht aber auf Fälle, in denen dieses Verbleiben durch das Verhalten der Abgabenbehörden (z.B. Entlassung aus der Gesamtschuld oder rechtswidrige Festsetzung der Abgabe gegenüber einem oder mehreren anderen Gesamtschuldnern mit einem niedrigeren Abgabenbetrag oder gar mit Null) bewirkt wurde. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, daß er es den Abgabenbehörden - noch dazu ohne Kontrolle der Ermessensübung - überlassen wollte, durch derartige Entscheidungen schließlich "ohne Spielraum" den zuletzt verbleibenden Gesamtschuldner heranzuziehen. Daher gehört es zu einer gesetzmäßigen Begründung der Ermessensübung, unter anderem auch die Erwägungen für das Abstehen von einer Inanspruchnahme der übrigen Gesamtschuldner und für die Einforderung der Grunderwerbsteuer von dem einen Gesamtschuldner darzulegen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes könnte in der oben zitierten - auf Grund der generellen (für den Verwaltungsgerichtshof ebenso wie das Regierungsübereinkommen schon mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine verbindliche Rechtsquelle darstellenden) WEISUNG des Bundesministers für Finanzen an die belangte Behörde vom 30. Mai 1989 erlassenen - Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 8. Juni 1989 für die nunmehrigen Beschwerdeführer eine nicht unwesentliche Unbilligkeit im Sinne des § 20 BAO erblickt werden.

Die angefochtenen Berufungsentscheidungen sind daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung der Aufwandersätze gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Mehrbegehren sind abzuweisen, weil die Vorlage der offensichtlich für die belangte Behörde gedachten Beilagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.

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