VwGH 91/02/0154

VwGH91/02/015430.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. September 1991, Zl. UVS-03/13/00333/91, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a Z3;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Übertretung des § 5 Abs. 2 und 2a lit. b StVO betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer unter anderem schuldig erkannt, er habe sich am 27. Dezember 1990 um 23.15 Uhr in einem bestimmten Wachzimmer geweigert, seine Atemluft von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt mittels Alkomaten messen zu lassen, obwohl habe vermutet werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Beschwerdeführer habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 und 2a lit. b StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Hinsichtlich dieses Spruchpunktes erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 25. November 1991, B 1205/91, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat erwogen:

Durch die Weigerung, bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wird die Bestimmung des § 99 Abs. 1 lit. b und nicht jene des § 5 Abs. 2 StVO - auch nicht jene des § 5 Abs. 2a lit. b StVO - verletzt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 1991, Zl. 90/02/0191, und vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0074). Das Zitat des § 99 Abs. 1 lit. b StVO lediglich als gesetzliche Grundlage für die Strafbemessung genügt nicht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1973, Slg. Nr. 9898/A). Im Straferkenntnis der Erstbehörde wurden Absätze des § 5 StVO nicht bloß zur Spezifizierung des im vorliegenden Fall angewendeten Teiles des § 99 Abs. 1 lit. b StVO beigefügt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1991, Zl. 91/03/0100), sondern als übertretene Normen angeführt. Indem die belangte Behörde diesen Spruchteil nicht änderte, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Aus verfahrensökonomischen Gründen sei zum Beschwerdevorbringen folgendes bemerkt:

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1991, Zlen. G 274 bis 283/90 u.a., womit Teile der Abs. 4a und 4b des § 5 StVO als verfassungswidrig aufgehoben wurden, ist für den Beschwerdefall - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - schon deshalb ohne Bedeutung, weil die genannten Bestimmungen nur in den Fällen einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO zum Tragen kommen können. Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer aber kein solcher Tatvorwurf gemacht, sondern kam gar kein Ergebnis der Untersuchung der Atemluft nach § 5 Abs. 2a lit. b StVO zustande; dies deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer an der betreffenden Untersuchung nicht entsprechend mitwirkte - er blies bei vier Versuchen jedesmal Luft neben das Mundstück des Alkomaten - und daher die Vornahme dieser Untersuchung verweigerte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/02/0006).

Soweit der Beschwerdeführer ins Treffen führt, er habe sogleich nach Abschluß der versuchten Alkomatuntersuchung die Vorführung zu einem Amtsarzt zum Zweck der Blutalkoholuntersuchung verlangt, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO bereits mit der Verweigerung der Durchführung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt erfüllt war, weshalb keine Veranlassung mehr bestand, den Beschwerdeführer zum Amtsarzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorzuführen. Dem betroffenen Fahrzeuglenker steht insoweit kein Wahlrecht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 91/02/0142).

Schließlich behauptet der Beschwerdeführer, er wäre aus "physischen und psychischen Gründen" nicht in der Lage gewesen, sich der Alkomatuntersuchung zu unterziehen. Ein konkreter Leidenszustand, der eine Unmöglichkeit der ordnungsgemäßen Durchführung der Atemluftprobe begründen könnte, wird damit nicht behauptet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 1990, Zl. 89/03/0316, und vom 20. November 1991, Zl. 91/02/0091). Der Beschwerdeführer hatte in seiner Eingabe vom 2. Jänner 1991 bloß ausgeführt, die Polizisten seien bei der Amtshandlung korrekt, aber abweisend, er selbst irritiert, übernervös und geschockt gewesen. Überdies sei der Test, nachdem er zuvor einige Stunden gekegelt habe, eine schwere körperliche Belastung gewesen. In seiner Stellungnahme vom 29. März 1991 wurde behauptet, er müsse durch die Streßsituation bei der Amtshandlung "eine Art Kollaps mit Bewußtseinstrübung" erlitten haben; es werde die Untersuchung durch einen Amtsarzt beantragt.

Nachdem von einem Kraftfahrzeuglenker, welcher die Risken des Straßenverkehrs auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willenstärke verlangt wird, daß er sogar den Schock über einen Unfall und eine allenfalls erlittene Verletzung zu überwinden vermag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 92/02/0011), ist von ihm umso mehr zu erwarten, daß er sich dem "Streß" einer Atemalkoholuntersuchung gewachsen zeigt. Im übrigen spricht das gesamte aktenkundige Verhalten des Beschwerdeführers vor und nach der Untersuchung dafür, daß er offensichtlich dispositionsfähig geblieben ist und sein Bewußtsein nicht getrübt wurde. Unter diesen Umständen war die Behörde nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer auf Grund eines noch dazu lange nach der Amtshandlung gestellten Antrages auf etwaige, zur Zeit der Amtshandlung bestandene gesundheitliche Behinderungen untersuchen zu lassen.

Der Antrag des Beschwerdeführers, der Republik Österreich die Verfahrenskosten aufzuerlegen, war abzuweisen, da die Vollziehung in Angelegenheiten der Straßenpolizei gemäß Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG Landessache ist.

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