Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
HVG §21 Abs1;
HVG §21 Abs2;
HVG §21;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
HVG §21 Abs1;
HVG §21 Abs2;
HVG §21;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens war der im Jahre 1969 geborene Beschwerdeführer im Rahmen der Ableistung seines ordentlichen Präsenzdienstes am 13. Oktober 1987 beim Abtreten in die Unterkunft gegen einen Heizkörper gestürzt. Auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. September 1988 hatte der Beschwerdeführer gemäß §§ 21 bis 24, 55 und 70 des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964 (HVG), ab 1. Oktober 1987 entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. eine Beschädigtenrente bezogen. Als Dienstbeschädigung war "Gefühlsstörung im Medianusbereich rechts" mit einer Kausalkomponente von 1/1 anerkannt worden.
Mit Bescheid des genannten Landesinvalidenamtes vom 27. Juli 1990 wurde sodann die dem Beschwerdeführer gewährte Beschädigtenrente mit Ablauf des der Zustellung dieses Bescheides folgenden Monates eingestellt. Nach Darstellung der Rechtslage führte die Versorgungsbehörde erster Rechtsstufe dazu begründend aus, die Richtsatzeinschätzung durch den Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. S stehe für die erlittene Dienstbeschädigung mit 10 v.H. fest. Gegenüber dem Vergleichsbefund vom 8. Juni 1988 sei insofern eine maßgebende Veränderung eingetreten, als vom Beschwerdeführer eine Empfindungslosigkeit an atypischer Stelle (Finger zwei bis vier rechts) angegeben worden sei. Nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten sei daher eine Besserung anzunehmen. Die Prüfung nach § 22 HVG habe ergeben, daß der Beschwerdeführer durch seine Dienstbeschädigung in der Tauglichkeit für jede Berufsarbeit im Rahmen seiner beruflichen Vorbildung nicht beeinträchtigt sei. Verhältnisse, welche die Annahme einer Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 22 HVG rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.
In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer den Eintritt einer Besserung im Befund der anerkannten Dienstbeschädigung und bekämpfte die berufskundliche Einschätzung.
Die belangte Behörde holte daraufhin im Berufungsverfahren das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. Z vom 9. November 1990 ein, der ausführte, daß neurologisch keine Dienstbeschädigung mehr anzunehmen sei. Die Beurteilung von Sensibilitätsstörungen sei von den subjektiven Angaben des Beschwerdeführers abhängig. Nur wenn signifikante trophische Hautveränderungen objektivierbar seien, stehe ein objektiv nachweisbares Symptom zur Verfügung, was im speziellen Falle nicht gegeben sei. Bei der Beurteilung einer Sensibilitätsstörung habe der medizinische Sachverständige die Möglichkeit, auf Grund der Lokalisation der schädigenden Ursache, der Begrenzung der Gefühlsstörung und des zeitlichen Ablaufes der Symptomatik der vom Untersuchten angegebenen subjektiven Störungen entsprechend der anatomisch und patho-physiologisch wissenschaftlich belegten Realitäten als wahrscheinlich, unwahrscheinlich oder ausschließbar zu klassifizieren. Die vom Beschwerdeführer angegebene Unempfindlichkeit gegen Hitze und Schmerz sei nicht glaubhaft. Sollte eine solche in relevantem (eben berufsbehindernden) Ausmaße vorliegen, wäre zu fordern, daß im betroffenen Hautareal Zeichen von trophischen Störungen und Stich-, Schnitt- und Brandwunden sowie Narben zu objektivieren wären, was im Beschwerdefalle nicht möglich sei.
Im Rahmen des zu diesem Gutachten eingeräumten Parteiengehörs führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die Untersuchungstätigkeit des ärztlichen Sachverständigen habe insgesamt höchstens 10 Minuten gedauert, wovon ein Großteil auf das ärztliche Gespräch anfalle und die tatsächliche Untersuchung aus einem "Drüberstreifen auf dem Handrücken (?) und der Handinnenfläche" bestanden habe. Hätte der Sachverständige die Angaben des Beschwerdeführers mittels Nadel, Hitze etc. überprüft, dann wäre er zu einem anderen Befund gekommen. Jedenfalls erscheine dem Beschwerdeführer bedenklich, daß der Sachverständige nichts getan habe, um seine Schmerzunempfindlichkeit zu beweisen. Die vom ärztlichen Sachverständigen nicht zu objektivierenden Stich-, Schnitt- und Brandwunden seien eigentlich leicht so zu erklären, daß der Beschwerdeführer versuche, seine Finger zwei bis vier rechts bewußt aus Gefahrenbereichen fernzuhalten, weil er im Falle des Falles keine Schmerzen spüre. Für eine neuerliche Untersuchung mittels Nadel, Hitze etc. stehe er jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Mai 1991 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe keine Folge, daß die Beschädigtenrente erst mit Ablauf des Monats, der auf die Zustellung des Berufungsbescheides folge, eingestellt und bis dahin in angepaßter Höhe auszuzahlen sei. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe des nervenfachärztlichen Sachverständigengutachtens Dris. Z vom 9. November 1990 aus, dieses Gutachten sei als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Darnach sei gegenüber dem Vergleichsgutachten insofern eine maßgebliche Änderung eingetreten, als die Dienstbeschädigung als ausgeheilt zu betrachten sei. Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden. Die vorgebrachten Einwendungen seien jedoch nicht geeignet gewesen, das auf ärztliches Fachwissen gegründete Sachverständigengutachten zu entkräften.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Weitergewährung der Beschädigtenrente verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Einklang mit seinem Vorbringen im Administrativverfahren vor, er habe im Rahmen seines Parteiengehörs die Bedenken gegen die Untersuchungsmethode Dris. Z aufgezeigt. Er habe die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zwecks Durchführung einer genaueren Untersuchung mit anderen Methoden beantragt, damit festgestellt werden könne, daß die Sensibilitätsstörung der Finger der rechten Hand nach wie vor im vollen Umfang gegeben sei. Das Sachverständigengutachten Dris. Z sei in keiner Weise geeignet, den Tatsachenfeststellungen zu Grunde gelegt zu werden. Die Untersuchung sei oberflächlich gewesen. Es gebe objektive Untersuchungsmethoden auf Grund deren nachgewiesen werden könne, daß die vom Beschwerdeführer angegebenen Gefühlsstörungen objektiv vorhanden seien. Dr. Z habe diese Untersuchungen nicht durchgeführt. Die seinerzeitige Untersuchung durch Dr. FF sei wesentlich umfangreicher und genauer gewesen und habe auch wesentlich länger gedauert als die 10 minütige "Untersuchung" Dris. Z. So habe Dr. FF eine Untersuchung mit einer Nadel durchgeführt. Weiters habe er Drucktests gemacht und habe auf Grund dieser Untersuchungen eindeutig feststellen können, daß die Finger der rechten Hand tatsächlich völlig gefühllos und schmerzunempfindlich seien. Weder Dr. Z noch der in erster Instanz beigezogene Facharzt Dr. S hätten diese Untersuchungen durchgeführt. Tatsache sei, daß die Gefühlsstörung der rechten Hand seit dem Unfall vom 13. Oktober 1987 bis heute unverändert bestehe.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 21 Abs. 1 HVG hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 v.H. vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 v.H. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.
Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Diese Beurteilung nach freier Überzeugung ist die freie Beweiswürdigung, der Gegensatz zur Bindung durch Beweisregeln.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung das Fachwissen Sachverständiger der mangelnden Vorbildung einer diesem Sachverständigen widersprechenden Person gegenüberstellen und dabei den Äußerungen das Fachmannes folgen. Allerdings können Einwendungen von Laien auch ohne fachkundige Stütze Gewicht besitzen, wie z.B. konkrete Äußerungen zur Anamnese, Einwendungen gegen die Schlüssigkeit des Denkvorganges oder auch Hinweise auf den Stand der Wissenschaft, wenn sie entsprechend belegt sind. Diesfalls ist dann der innere Gehalt dieses Vorbringens von der Behörde zu überprüfen (vgl. VwSlg. 6237/A).
Im Beschwerdefalle hat der Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs aufgezeigt, daß seine Untersuchung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z sehr oberflächlich erfolgt und seine verminderte Empfindlichkeit für Sinnesreize nicht durch Nadelstiche oder dgl. geprüft worden sei. Im übrigen hat er aus den mit "wahrscheinlich", "unwahrscheinlich" und "anzunehmen" getroffenen Feststellungen in dem Sachverständigengutachten auf eine gewisse Voreingenommenheit des Gutachters geschlossen.
Widerspricht ein Beschwerdeführer im abschließenden Parteiengehör der Verwertung eines im Administrativverfahren erstatteten Sachverständigengutachtens und substantiiert er seine nicht auf die selbständige Beurteilung medizinischer Fragen beschränkten Bedenken in rechtlicher Weise näher, dann erfordert ein solches Vorbringen ein Eingehen darauf.
Nun fehlt im angefochtenen Bescheid jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Parteiengehör und der von ihm als oberflächlich bezeichneten Untersuchungsmethode. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs kann bei der gegebenen Sachlage nicht mit der formelhaften Feststellung abgetan werden, es sei nicht geeignet, das auf ärztliches Fachwissen gegründete Sachverständigengutachten zu entkräften.
Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
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