Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauO Bgld 1969 §13 Abs2;
BauO Bgld 1969 §86 Abs1;
BauO Bgld 1969 §94 Abs2;
BauRallg;
RPG Bgld 1969 §12 Abs1;
RPG Bgld 1969 §13 Abs1;
RPG Bgld 1969 §16 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauO Bgld 1969 §13 Abs2;
BauO Bgld 1969 §86 Abs1;
BauO Bgld 1969 §94 Abs2;
BauRallg;
RPG Bgld 1969 §12 Abs1;
RPG Bgld 1969 §13 Abs1;
RPG Bgld 1969 §16 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 22. April 1981 des Bürgermeisters der Gemeinde G wurde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung einer Schweinemastanlage auf dem Grundstück Nr. 360/8, KG N, erteilt. Nach der Baubeschreibung umfaßt die Anlage zwei Wirtschaftshallen, zwei Schweinemastställe mit je 200 Stellplätzen sowie einen Futtersilo. Das Grundstück Nr. 360/11, dessen Miteigentümerin die Beschwerdeführerin ist, ist von dem zu bebauenden Grundstück etwa 30 m entfernt, die Stallgebäude weisen zum nächsten Punkt des Grundstückes der Beschwerdeführerin eine Entfernung von knapp über 50 m auf. Die Beschwerdeführerin war dem Verfahren vor der Baubehörde erster Instanz nicht als Anrainerin beigezogen worden, auf ihr Ersuchen wurde ihr der Bescheid vom 22. April 1981 am 10. August 1988 zugestellt. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Bescheid sei rechtswidrig, weil gemäß § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung Stallungen von Straßen und fremden Gebäuden unbeschadet der sonstigen Abstandsvorschriften so weit entfernt sein müßten, daß sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung verursachten. Durch die Errichtung und den Betrieb des Schweinemaststalles werde gegen diese Bestimmung verstoßen, es käme zu einer intensiven und unzumutbaren Geruchs- und Lärmbelästigung, zumal der Gestank der Tiere über Lüftungen nach außen abgeleitet werden müsse.
Mit Bescheid vom 3. Oktober 1988 hat der Gemeinderat der Gemeinde G die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Aufgrund der dagegen eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführerin hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. April 1989 den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach Abschluß des Verfahrens erster Instanz, dem die Beschwerdeführerin nicht beigezogen wurde, sei ein ergänzendes Gutachten eingeholt worden. Dieses sei aber, obwohl es der Entscheidung der Baubehörde zweiter Instanz zugrunde gelegt worden sei, der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebracht worden. Schon aus diesem Grunde sei das Verfahren mangelhaft geblieben.
Im fortgesetzten Verfahren wurde die Beschwerdeführerin vom Bürgermeister darauf hingewiesen, daß nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde N zwar ihr Anwesen in einem Gebiet, daß als "Bauland-Wohngebiet" gewidmet sei, liege, daß allerdings die Parzelle 360/8 als "Grünland-landwirtschaftliche Betriebsbauten" ausgewiesen sei. Nachdem der Gemeinderat Gutachten des Bausachverständigen D.I.H.H. H. sowie des Kreisarztes Dr. C eingeholt und diese der Beschwerdeführerin vorgehalten hatte, brachte diese in ihrer Stellungnahme vom 7. November 1989 vor, die Gutachten seien nicht vollständig und schlüssig, unter anderem deshalb, weil nicht auf sämtliche Emissionsquellen des zu prüfenden Bauprojektes eingegangen worden sei. Insbesondere sei nicht auf den Lärm, der von den Silos ausgehe, wenn sie Tag und Nacht beladen würden, eingegangen worden.
Nach Trennung der Gemeinden G und N hat der Gemeinderat der Gemeinde N mit Bescheid vom 25. Oktober 1990 die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 22. April 1981 abermals abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführerin seien sämtliche Gutachten zur Kenntnis gebracht und letztlich der gesamte Akt zur Verfügung gestellt worden. Es könne die übergangene Partei nicht wesentlich besser gestellt werden als die geladene Partei, sodaß Präklusion hinsichtlich der Einwendungen eingetreten sei, die die Beschwerdeführerin nicht bereits in ihrer Berufung vorgebracht habe. Damit sei die Frage der Lärm- und Staubentwicklung eines konsensgemäß errichteten Silos nicht weiter zu prüfen. In der Gemeinde N, in der ca. 660 Einwohner leben, seien im Jahre 1981 7167 Schweine, im Jahre 1987 5551 Schweine gehalten worden. Der Erstmitbeteiligte (Bauwerber) habe bereits seit 1954 eine Schweinezucht betrieben, bis zum Jahre 1981 habe sich der (offene) Misthaufen auf dem Grundstück Nr. 360/8, KG N, befunden. Der Mist habe von 300 bis 350 Schweinen gestammt, allein durch den Wegfall des offenen Misthaufens sei eine wesentliche Verringerung der Belastung eingetreten. Der Bauwerber bewirtschafte ca. 70 ha, ein Schweinemastbetrieb für ca. 400 Schweine sei in diesem Umfang bei Landwirtschaften nicht außergewöhnlich. Das Grundstück, auf dem die Anlage entstehen solle, sei gerade für landwirtschaftliche Betriebsbauten vorgesehen. Angesichts des Umstandes, daß der Bauwerber schon lange einen Schweinebestand von 360 Stück halte, sei eine entsprechende Einrichtung betriebsnotwendig. Bei der gegebenen Widmung komme es auf die unbedingte Notwendigkeit nicht an. Es genüge die betriebliche Zuordnung, also die ausschließlich landwirtschaftlich-betriebliche Rechtfertigung des Baues. Diese liege vor. Zusammengefaßt könne festgestellt werden, daß der Betrieb einer Schweinezucht in N an sich "ortsüblich" sei. Die daraus entstehenden Gerüche seien ohne betriebliche Konkretisierung ebenfalls "ortsüblich". Der Stallbau, der Verfahrensgegenstand sei, beeinträchtige die Beschwerdeführerin nicht unzumutbar, eine das ortsübliche Maß übersteigende Belästigung trete nicht ein. Der Schweinestall sei jedenfalls vom Anwesen der Beschwerdeführerin so weit entfernt, daß gemäß § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung nicht verursacht werde.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführerin gab die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 17. Mai 1991 keine Folge. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe wiederholt auf die auftretenden Beeinträchtigungen durch Staub und Lärm hingewiesen. Eine Präklusion hinsichtlich dieser Einwendungen sei nicht eingetreten. Obzwar diese Einwendungen sehr wohl zu beachten seien, müsse es sich bei einem Aufhebungsgrund um eine Verletzung von Verfahrensvorschriften handeln, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Ein solcher Aufhebungsgrund könne im gegenständlichen Fall nicht erblickt werden, da auf die genannten Einwirkungen in den vorliegenden Sachverständigengutachten in ausreichendem Umfang eingegangen worden und auch bei Berücksichtigung der Einwendungen bezüglich Lärm- und Staubeinwirkungen kein anderes Verfahrensergebnis zu erwarten sei. Mit der Einwendung, daß das errichtete Bauwerk den Vorschriften des Flächenwidmungsplanes entgegenstehe, vermöge die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da für den Nachbarn kein Rechtsanspruch auf Einhaltung einer bestimmten Flächenwidmung oder eines Bebauungsplanes sowie der darin festgelegten Höchstwerte hinsichtlich Baunutzungs- und Baumassenzahl bestehe. Die belangte Behörde sei der Auffassung, daß die von den Sachverständigen durchgeführten Erhebungen für die Sachentscheidung ausreichend seien. Es ginge nicht an, daß ein Beschwerdeführer durch immer neue Einwendungen ein Verwaltungsverfahren verzögere. Es liege nunmehr ein zusammenfassendes schlüssiges Gutachten des Sachverständigen für Bauwesen D.I.H.H. H. sowie eine Stellungnahme und ein Gutachten der Kreisärztin Dr. C vor. Diese Gutachten bildeten eine nachvollziehbare Grundlage für die angefochtene Entscheidung, aus denen keine Anhaltspunkte für das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen hervorgingen. Die Beschwerdeführerin sei diesen Gutachten nicht auf der Ebene eines Gegengutachtens entgegengetreten und habe auch kein entsprechendes Gegengutachten - obwohl genügend Zeit und Möglichkeit zur Verfügung gestanden sei - eingebracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Grundfläche des mitbeteiligten Bauwerbers nach dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde im "Grünland-landwirtschaftliche Betriebsbauten" liegt. Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, bei Beurteilung des zulässigen Immissionsausmaßes sei nicht nur die Widmung der zu bebauenden Liegenschaft, sondern auch die Widmung der Liegenschaft der Anrainer zu berücksichtigen, findet in der Burgenländischen Bauordnung keine Grundlage. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Rechtsprechung stets davon ausgegangen, daß für die Baubehörde allein die Widmung des zu bebauenden Grundstückes entscheidend ist, nicht aber die Widmung der Grundstücke der Nachbarn (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, Seite 174, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1985, Zl. 85/05/0095, BauSlg. 564, u.a.).
Auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes besitzt der Nachbar nach § 94 Abs. 2 der Burgenländischen Bauordnung (BO) nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht, doch ist ein solches dann anzunehmen, wenn die bestimmte Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleistet. Nach § 16 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 in der Fassung LGBl. Nr. 32/1987, ist mit der Widmung "Grünfläche" kein Immissionsschutz verbunden. Auch aus § 20 dieses Gesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 61/1990 läßt sich kein Immissionsschutz der Nachbarn im Grünland ableiten.
Gemäß § 86 Abs. 1 BO müssen Stallungen, Düngerstätten, Silos udgl. von Straßen und fremden Gebäuden, unbeschadet der sonstigen Abstandsvorschriften, so weit entfernt sein, daß sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung verursachen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 3. Mai 1976, Slg. N.F. Nr. 9048/A, zu § 86 Abs. 1 BO ausgesprochen, daß die sich durch diese Bestimmung anerkannten subjektiven-öffentlichen Nachbarrechte auch auf die Sicherung einer künftigen gesetzmäßigen Bebauung des Nachbargrundes erstrecken. Die von der Baubehörde ihrer Entscheidung zugrundegelegten Gutachten beziehen sich lediglich auf das Gebäude der Beschwerdeführerin, welches im mittleren bis hinteren Teil ihres Grundstückes errichtet wurde, nicht jedoch auf eine allfällige künftige gesetzmäßige Bebauung des Grundstückes. Da die belangte Behörde den unrichtigen Ansatz (tatsächliche Bebauung auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin) im Gutachten der Sachverständigen nicht erkannt hatte und nicht auszuschließen ist, daß ansonsten ein anderes Ergebnis erzielt worden wäre, belastete sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Zutreffend ist die belangte Behörde in ihrem Bescheid davon ausgegangen, daß gegenüber der Beschwerdeführerin, die nicht unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG zu einer mündlichen Bauverhandlung geladen wurde, Präklusionsfolgen nach dieser Bestimmung entgegen der Ansicht des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde nicht eintreten konnten, zumal das AVG kein allgemeines Neuerungsverbot kennt. Entgegen der Annahme der belangten Behörde haben sich die beauftragten Sachverständigen in ihren Gutachten aber nicht mit der Frage der Lärm-, Staub- und Geruchsentwicklung eines Silos, der von der Baubewilligung laut Baubeschreibung umfaßt war, auseinandergesetzt. Weder der Gutachter D.I.H.H.H. noch die medizinische Sachverständige sind auf Emissionen aus dem Silo eingegangen. Die Feststellung der belangten Behörde, daß auch bei Berücksichtigung der Einwendungen bezüglich Lärm- und Staubeinwirkungen kein anderes Verfahrensergebnis zu erwarten sei, ist anhand der vorgelegten Verwaltungsakten nicht nachvollziehbar.
Da aufgrund der dargelegten Erwägungen die belangte Behörde zu Unrecht davon ausging, daß das auf Gemeindeebene durchgeführte Ermittlungsverfahren als ausreichend zu beurteilen und eine Verletzung bezüglich der Rechte der Beschwerdeführerin nicht zu erkennen sei, hat sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, im Rahmen des Kostenbegehrens.
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