VwGH 90/11/0075

VwGH90/11/007530.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des R gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 1. Februar 1990, Zl. 551.801/10-2.5/89, betreffend Befreiung von der Kaderübungspflicht, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
WehrG 1978 §37 Abs3 litb;
AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
WehrG 1978 §37 Abs3 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1963 geborene Beschwerdeführer wurde mit Einberufungsbefehl des Militärkommandos Tirol vom 24. Juli 1989 zu einer Kaderübung für die Zeit vom 2. bis 20. Oktober 1989 einberufen. Am 1. August 1989 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihn von der Verpflichtung zur Leistung dieser Kaderübung zu befreien, weil er im Betrieb seines Vaters unabkömmlich sei.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Militärkommandos Tirol vom 6. September 1989 abgewiesen, weil wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers nicht vorlägen und seine familiären Interessen im Hinblick auf die Möglichkeit entsprechender Dispositionen seines Vaters und dessen Unterstützung durch andere Familienmitglieder nicht besonders rücksichtswürdig seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der neben der Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides beantragt wurde, "ihn auf Dauer von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen und außerordentlichen Präsenzdienstes zu befreien".

Mit Bescheid vom 1. Februar 1990 wies der Bundesminister für Landesverteidigung die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Festzuhalten ist zunächst, daß Gegenstand des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages vom 1. August 1989 die Befreiung von der Kaderübung vom 2. bis 20. Oktober 1989 war. Dieser Antrag wurde von der erstinstanzlichen Behörde abgewiesen. Aus der Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides durch den angefochtenen Bescheid folgt, daß auch die belangte Behörde nur darüber entschieden hat und nicht auch über den (zwar als Wiederholung eines Antrages bezeichneten, jedoch erstmals) in der Berufung gestellten Antrag des Beschwerdeführers, "ihn auf Dauer von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen und außerordentlichen Präsenzdienstes zu befreien", wofür die belangte Behörde als Berufungsbehörde nicht zuständig gewesen wäre. Hinsichtlich dieses Antrages wird die belangte Behörde nach § 6 Abs. 1 AVG vorzugehen haben..

Vorauszuschicken ist ferner, daß dadurch, daß sich der Antrag nur auf die Kaderübung vom 2. bis 20. Oktober 1989 bezieht und der Einberufungsbefehl für diese Kaderübung von Amts wegen behoben worden ist, nicht die für die Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof erforderliche Rechtsverletzungsmöglichkeit beseitigt wurde, und zwar wegen der Bindungswirkung des angefochtenen, die Befreiung versagenden Bescheides (vgl. für den Fall der Truppenübungen die hg. Erkenntnisse vom 7. November 1989, Zl. 88/11/0275, und vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0188). Die Beschwerde ist demnach meritorisch zu behandeln.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Vater des Beschwerdeführers seit 1983 Inhaber eines Unternehmens mit der Bezeichnung "Immobilien/Hausverwaltung/Wohnbauorganisation" in X ist. In diesem Unternehmen seien der Beschwerdeführer ganztägig und seine Mutter sowie seine Schwester halbtags beschäftigt. Der Vater des Beschwerdeführers leide an Polyarthritis. Auf Grund seines Gesundheitszustandes sei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Höhe von 70 Prozent anzunehmen. Während der arthritischen Schübe, hinsichtlich welcher der Zeitpunkt ihres Auftretens nicht vorhersehbar sei, bestehe eine vollkommene Arbeitsunfähigkeit für Tage bis Wochen. Vom Termin der gegenständlichen Kaderübung sei der Beschwerdeführer am 19. Mai 1989 schriftlich vorverständigt worden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß wirtschaftliche Interessen in bezug auf die Führung des genannten Unternehmens ausschließlich beim Vater des Beschwerdeführers und nicht auch beim Beschwerdeführer selbst zu bejahen seien. Auf die in Zukunft beabsichtigte Unternehmensübernahme durch den Beschwerdeführer könne nicht Bedacht genommen werden, weil nur solche Tatsachen der Entscheidung zugrundegelegt werden könnten, die bereits bestünden.

Im Hinblick auf den Gesundheitszustand seines Vaters seien familiäre Interessen des Beschwerdeführers gegeben, doch seien diese nicht besonders rücksichtswürdig, weil dem Vater die wirtschaftliche und organisatorische Führung des Unternehmens und die Anleitung der Arbeitskräfte zugemutet werden könne. Zu seiner Unterstützung sei die gesamte Familie und nicht nur der Beschwerdeführer berufen. Sowohl der Mutter als auch der Schwester des Beschwerdeführers sei zumindest vorübergehend eine Mehrarbeit in quantitativer und qualitativer Hinsicht zumutbar. Auch bei einem vorübergehenden Ausfall des Beschwerdeführers infolge Krankheit müsse sein Vater als Eigentümer und Leiter des Unternehmens entsprechende Vorkehrungen treffen. Allfällige gesamtwirtschaftliche Interessen im Sinne des § 37 Abs. 2 lit. a Wehrgesetz 1978 seien nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Ebensowenig könne auf die Tatsache Bedacht genommen werden, daß der Beschwerdeführer bereits mehrere Jahre im Dienste des Bundesheeres verbracht und seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wehrpflicht in einem überdurchschnittlichen Maße dokumentiert habe.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß wirtschaftliche Interessen in Ansehung des genannten Unternehmens nur bei seinem Vater als Alleininhaber vorliegen, nicht aber bei ihm als Dienstnehmer. Hinsichtlich dieser Ausführungen genügt es, den Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage hinzuweisen, wonach kein besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse des Wehrpflichtigen besteht, wenn es sich nicht um seinen Betrieb, sondern den seiner Eltern handelt, und zwar auch dann nicht, wenn beabsichtigt ist, daß der Wehrpflichtige den Betrieb einmal übernehmen wird (siehe unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 19. April 1988, Zl. 87/11/0102, und vom 12. Februar 1991, Zl. 90/11/0043). Wirtschaftliche Schwierigkeiten, in die ein Unternehmen wegen der Präsenzdienstleistung eines Arbeitnehmers zu geraten droht, vermögen wirtschaftliche Interessen auf seiten des Arbeitnehmers nicht zu begründen. Die Gefahr, seinen Arbeitsplatz wegen derartiger Schwierigkeiten zu verlieren, besteht für jeden Arbeitnehmer. Es ist Sache des Unternehmensinhabers, durch geeignete Vorkehrungen dem Eintritt solcher Schwierigkeiten entsprechend entgegenzuwirken (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 90/11/0046). Die belangte Behörde hat somit zu Recht das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers verneint.

Familiäre Interessen im Sinne des § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978, auf welche Gesetzesstelle § 37 Abs. 3 lit. b leg. cit. verweist, liegen nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser wegen der Ableistung des Präsenzdienstes nicht gewähren könnte. Besonders rücksichtswürdig sind derartige Interessen nur dann, wenn durch das Fehlen der Unterstützung des Angehörigen eine Gefährdung seiner Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen zu befürchten ist (siehe dazu unter anderem das Erkenntnis vom 5. Dezember 1989, Zl. 89/11/0087). Dabei ist zu beachten, daß zur Unterstützung eines Familienmitgliedes nicht nur derjenige, der zur Erfüllung seiner Wehrpflicht herangezogen werden soll, sondern vielmehr die gesamte Familie berufen ist. Es fehlt daher die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen, wenn anderen, an sich dazu geeigneten Angehörigen des betreffenden Angehörigen des Wehrpflichtigen ein vorübergehender (gesteigerter) Einsatz ihrer Kräfte und Fähigkeiten zumutbar ist (siehe dazu unter anderem das Erkenntnis vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0056, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Daß der Vater des Beschwerdeführers der Pflege und Betreuung durch den Beschwerdeführer bedürfte, wurde nicht behauptet. Für eine derartige Annahme ergeben sich auch aus dem Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte. Ein familiäres Interesse im oben beschriebenen Sinne könnte dann vorliegen, wenn infolge der Abwesenheit des Beschwerdeführers während der Dauer der Kaderübung die wirtschaftliche Existenz seines Vaters bedroht wäre. Dies ist jedoch nicht anzunehmen, weil es jeglicher Erfahrung widerspricht, daß ein Immobilienmakler und -verwalter mit mehreren Beschäftigten infolge der Abwesenheit eines Mitarbeiters während 19 Tagen in existenzbedrohende Schwierigkeiten gerät. Die in allen Fällen mit der Leistung von Kaderübungen durch einen Arbeitnehmer verbundenen Störungen im Geschäftsbetrieb führen im Regelfall nicht zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens. Dies gilt auch für das vom Vater des Beschwerdeführers betriebene Unternehmen, und zwar auch unter Berücksichtigung des festgestellten Gesundheitszustandes des Vaters des Beschwerdeführers, insbesondere solange ein arthritischer Schub und damit seine vorübergehende völlige Arbeitsunfähigkeit nicht anzunehmen ist. Dabei handelt es sich um ein in der Zukunft liegendes ungewisses Ereignis, auf das bei der Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers nicht Bedacht zu nehmen war. Auch im Fall der vorübergehenden Abwesenheit des Beschwerdeführers infolge Urlaubes oder Krankheit muß in geeigneter Weise vorgesorgt werden. Bei der Festlegung von Terminen für geschäftliche Besprechungen in den vom Beschwerdeführer bearbeiteten Angelegenheiten wird im Regelfall auf die Ableistung einer Kaderübung Bedacht genommen werden können, d. h. sie können für die Zeit vor oder nach der Kaderübung vereinbart werden. Sofern dies nicht in allen Fällen möglich sein sollte, können derartige Termine vom Vater des Beschwerdeführers, der im Gegensatz zum Beschwerdeführer über den Befähigungsnachweis für die Ausübung des genannten Gewerbes verfügt, wahrgenommen werden, zumindest in den wirtschaftlich besonders bedeutsamen Fällen. Berücksichtigt man zudem die jedenfalls im Bereich der Büroarbeiten mögliche Unterstützung durch die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers, ist davon auszugehen, daß die Abwesenheit des Beschwerdeführers während der Kaderübung nicht die wirtschaftliche Existenz seines Vaters bedrohende Schwierigkeiten verursacht hätte.

Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, daß die belangte Behörde auch auf allfällige gesamtwirtschaftliche Interessen oder militärische Rücksichten im Sinne des § 37 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit Abs. 2 lit. a Wehrgesetz 1978 Bedacht hätte nehmen müssen, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach kein subjektives Recht eines Wehrpflichtigen auf Setzung einer Maßnahme nach diesen Gesetzesstellen besteht (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 3. Mai 1988, Zl. 88/11/0021, und vom 16. Mai 1989, Zl. 88/11/0177). Die belangte Behörde hat daher mit Recht den Standpunkt vertreten, daß derartige Interessen nicht Gegenstand ihres Verfahrens sind.

Auch das weitere Beschwerdevorbringen, mit welchem der Beschwerdeführer auf die von ihm bereits absolvierte intensive militärische Ausbildung hinweist, vermag keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen zu begründen.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte