VwGH 89/11/0188

VwGH89/11/01888.5.1990

S gegen Bundesminister für Landesverteidigung vom 7. Juni 1989, Zl. 605.981/2-2.5/88, betreffend Befreiung von der Truppenübung

Normen

AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WehrG 1978 §27 Abs2;
WehrG 1978 §29 Abs1;
WehrG 1978 §29 Abs9;
WehrG 1978 §36;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
WehrG 1978 §37 Abs3 litb;
AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WehrG 1978 §27 Abs2;
WehrG 1978 §29 Abs1;
WehrG 1978 §29 Abs9;
WehrG 1978 §36;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
WehrG 1978 §37 Abs3 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 19. Dezember 1963 geborene Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 3. Oktober 1983 bis 31. März 1984 den sechsmonatigen Grundwehrdienst. Nach der Aktenlage hat er bisher noch keine Truppenübung geleistet. Nachdem der Beschwerdeführer im Jahre 1986 zu einer Truppenübung (im November) einberufen worden war, wurde er über seinen Antrag mit Bescheid des Militärkommandos Salzburg vom 15. September 1986 gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 von der Verpflichtung zur Leistung von Truppenübungen bis 30. November 1986 befristet befreit; der Einberufungsbefehl wurde gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 von Amts wegen aufgehoben.

Mit Einberufungsbefehl des Militärkommandos Salzburg Zl. S 63/03/01/91 wurde der Beschwerdeführer zu einer Truppenübung in der Zeit vom 19. bis 24. September 1988 einberufen. Mit Eingabe vom 24. August 1988 beantragte er seine Befreiung von dieser Truppenübung. Daraufhin hob das Militärkommando Salzburg mit Bescheid vom 12. September 1988 den Einberufungsbefehl gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 von Amts wegen auf, wies aber mit Bescheid vom 3. November 1988 den Befreiungsantrag ab. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Landesverteidigung mit Bescheid vom 7. Juni 1989 unter Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer nur für den Zeitraum einer mehrtägigen Truppenübung um Befreiung angesucht hat und der Einberufungsbefehl für diese Truppenübung von Amts wegen aufgehoben worden ist, nicht die für eine Beschwerdeführung vor dem Verwaltungsgerichtshof erforderliche Rechtsverletzungsmöglichkeit beseitigt hat, und zwar wegen der Bindungswirkung des vorliegend angefochtenen, die Befreiung versagenden Bescheides (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1988, Zl. 87/11/0248, und vom 7. November 1989, Zl. 88/11/0275). Der Beschwerdeführer ist daher darin im Recht, daß ungeachtet des erwähnten Umstandes vom Vorliegen seiner Beschwerdelegitimation auszugehen ist.

Gemäß § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes - dazu zählen gemäß § 27 Abs. 2 leg. cit. auch die Truppenübungen - befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Der Beschwerdeführer begründete seinen Befreiungsantrag vom 24. August 1988 damit, daß er im Zeitraum der vorgesehenen Truppenübung in seinem Kurhaus, in dem ihm nur eine Hilfskraft zur Seite stehe, unabkömmlich sei. Die Erstbehörde ging von der Sachverhaltsannahme aus, der Beschwerdeführer sei alleinstehend, für niemanden sorgepflichtig und seit 1984 als Eigentümer des Kurhauses "B" (Frühstückspension mit 32 Betten) in H selbständig erwerbstätig. In diesem Betrieb sei neben dem Beschwerdeführer nur eine Angestellte ständig als Arbeitskraft tätig. Die Erstbehörde bejahte zwar das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers an der beantragten Befreiung, verneinte aber deren besondere Rücksichtswürdigkeit mit der Begründung, im Hinblick auf die kurze Dauer dieser Truppenübung, die bereits im Oktober 1987 ergangene Vorverständigung hievon und die rechtzeitige Zustellung des Einberufungsbefehles könne eine existentielle Bedrohung seines Betriebes nicht angenommen werden. Da Truppenübungen in regelmäßigen Abständen von zwei Jahren stattfänden, könnten sie vom Beschwerdeführer bei der Führung seines Betriebes eingeplant werden.

In seiner Berufung unterstrich der Beschwerdeführer neuerlich seine Unabkömmlichkeit als Leiter des Beherbergungsbetriebes. Als solcher habe er dafür zu sorgen, daß rund um die Uhr eine qualifizierte Person anwesend sei, die bei Unfällen, plötzlichen Erkrankungen, Betriebsstörungen, in Brandfällen usw. das Erforderliche veranlassen könne. Diese Aufgabe könne einer minder qualifizierten, allein zu Reinigungsarbeiten verpflichteten Person nicht übertragen werden. Neben den genannten Aufgaben habe er eine Reihe weiterer (beispielsweise angeführter) täglich anfallender Verrichtungen im Zusammenhang mit der Führung des Betriebes vorzunehmen. Abgesehen von seiner Haftbarkeit stünde auch der Ruf des Hauses auf dem Spiel, sodaß ihm für die Dauer seiner Abwesenheit ein entsprechend qualifizierter Vertreter zur Verfügung gestellt werden müßte.

Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, "auch bei kumulativer Beurteilung" der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe sei eine besondere Rücksichtswürdigkeit seiner wirtschaftlichen Interessen nicht anzunehmen. Sie verwies insbesondere auf die durch die frühe Vorverständigung durch den Mob-Truppenkörper dem Beschwerdeführer in ausreichendem Maße gebotene Gelegenheit, über seine wirtschaftlichen Angelegenheiten, die er nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit seiner Verpflichtung zur Ableistung von Truppenübungen zu harmonisieren habe, entsprechend zu disponieren. Daher seien Truppenübungen mit dem Beruf des Beschwerdeführers durchaus in Einklang zu bringen. Infolge Ableistung einer Truppenübung eintretender Verdienstentgang würde dem Beschwerdeführer nach Maßgabe der Bestimmungen des Heeresgebührengesetzes zumindest teilweise abgedeckt.

In seiner Beschwerde wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde zusammengefaßt vor, sie habe sich nicht ausreichend mit dem Tätigkeitsbereich und der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und die besonderen Umstände seines Falles nicht dem Gesetz entsprechend gewertet. Der gegenständliche Betrieb stehe und falle mit dem persönlichen Einsatz des Beschwerdeführers, der diesen Betrieb allein (ohne Vertretungsmöglichkeit durch andere Familienmitglieder) führe. Die Betreuung der Gäste, insbesondere der Stammgäste, erfordere unumgänglich seine persönliche Anwesenheit. Die einzige im Betrieb tätige angestellte Arbeitskraft sei auch nicht annähernd in der Lage, den Beschwerdeführer zu ersetzen. Seine Vertretung durch eine geeignete Person sei sowohl aus finanziellen als auch aus arbeits- und personaltechnischen Gründen unmöglich. Sollte der Beschwerdeführer während der Saison zu einer Truppenübung einberufen werden, wäre der Betrieb in dieser Zeit ohne verantwortliche Führungskraft, was nicht nur ungesetzlich, sondern für den Betrieb auch ruinös wäre.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Soweit der Beschwerdeführer unter dem Titel der Verletzung von Verfahrensvorschriften - erstmals - vorbringt, sein Betrieb umfasse auch eine Thermal-Kurabteilung und es würden dort Thermalbäder an Kurgäste verabreicht, wozu der Beschwerdeführer allein befähigt und berechtigt sei, steht dem das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 41 Abs. 1 VwGG) entgegen. Es trifft zu, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die (von der Erstbehörde eingeholten) Stellungnahmen der Gemeinde und der Handelskammer nicht eingegangen wurde. Dieser Begründungsmangel ist aber deshalb nicht relevant, weil in den erwähnten Stellungnahmen keine anderen als die der Behörde ohnedies bekannten und von ihr auch berücksichtigten Umstände aufgezeigt werden. Da die Behörde ihrer Entscheidung das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde gelegt hat (siehe Seite 4 des angefochtenen Bescheides), ist schließlich der Vorwurf, sie habe sich nicht ausreichend mit dem Tätigkeitsbereich und der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, nicht berechtigt.

Unbegründet ist auch der Vorwurf der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der geltend gemachten Befreiungsgründe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die aus der Heranziehung zu Kaderübungen resultierenden wirtschaftlichen Nachteile für Wehrpflichtige erst dann als besonders rücksichtswürdig anzusehen, wenn der Wehrpflichtige trotz der Kürze dieser Präsenzdienstleistungen durch ihre Ableistung in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre (Erkenntnisse vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0092, vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0108, und vom 6. Juni 1989, Zl. 88/11/0134). Dies gilt im Hinblick auf ihre Kürze in gleicher Weise für Truppenübungen (gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 des Wehrgesetzes 1978 soll die Dauer der Truppenübungen in der Regel im Kalenderjahr 15 Tage nicht überschreiten). Aus dem von der Beschwerde als entscheidend erachteten Umstand der Unabkömmlichkeit des Beschwerdeführers in seinem Betrieb läßt sich bei dem hier gegebenen Sachverhalt eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz infolge Teilnahme an einer Truppenübung nicht ableiten. Wesentlich erscheint dem Gerichtshof hiebei insbesondere die unbestritten gebliebene Tatsache, daß der Termin der Truppenübung dem Beschwerdeführer schon vor dem Beginn der Saison bekanntgegeben wurde (nämlich bereits im Oktober 1987; nach dem Beschwerdevorbringen dauert die Saison vom 10. Dezember bis 15. Oktober). Es kann nun dahinstehen, ob es dem Beschwerdeführer, aus welchen Gründen immer, tatsächlich nicht möglich ist, für die Dauer einer Truppenübung eine geeignete Person mit seiner Vertretung zu betrauen. Denn selbst wenn dem so wäre, so bedeutete dies doch nur, daß der Beschwerdeführer bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen, insbesondere bei der Entgegennahme von Buchungen, hierauf entsprechend Bedacht zu nehmen hat. Dazu ist der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf seine von der belangten Behörde zu Recht betonte Verpflichtung, die wirtschaftlichen Angelegenheiten mit seiner Verpflichtung zur Leistung von Truppenübungen zu harmonisieren, gehalten. Wirtschaftliche Schwierigkeiten, die ALLEIN mangels möglicher und zumutbarer Dispositionen eintreten, können nicht als besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen gewertet werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0092). Hinsichtlich der Zumutbarkeit der in Rede stehenden Dispositionen ist auf den Anspruch des Beschwerdeführers auf Entschädigung für Verdienstentgang nach dem Heeresgebührengesetz 1985 sowie darauf hinzuweisen, daß selbst dann, wenn der Beschwerdeführer nach diesem Gesetz nicht (zur Gänze) ersetzbare wirtschaftliche Nachteile erleiden sollte, eine besondere Rücksichtswürdigkeit erst im Falle der Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz angenommen werden könnte (vgl. das mehrfach erwähnte Erkenntnis Zl. 87/11/0092). Eine solche Gefährdung hat der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet und ist im Hinblick auf die Kürze der durch die Ableistung von Truppenübungen bedingten Abwesenheit vom Betrieb auch nicht anzunehmen.

Die Beschwerde ist sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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