VwGH 90/07/0128

VwGH90/07/012812.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Gemeinde N gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 10. August 1990, Zl. 512.633/02-I 5/90, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 litb idF 1990/252;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 litb idF 1990/252;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. April 1990 erteilte der Landeshauptmann von Burgenland (LH) der beschwerdeführenden Gemeinde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß den §§ 32 Abs. 2 lit. a und c, 99 Abs. 1 lit. c, 105 lit. e und 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes den Auftrag, innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft dieses Bescheides die auf ihren Grundstücken Nrn. n1, n2 und n3 der KG. X bestehende Hausmülldeponie zu beseitigen. Zur Begründung berief sich der LH auf die eingeholten Gutachten von Amtssachverständigen aus den Fachgebieten der Geologie, der Wasserbautechnik sowie für Naturschutz und Limnologie. Ferner wurde auf Grund des durchgeführten Augenscheines festgestellt, daß die Deponie derzeit eingezäunt und mit einem Tor versperrt sei, und daß der Deponiebereich als Bauschuttdeponie bzw. als Zwischenlager für diverse Altstoffe verwendet werde. Eine wasserrechtliche Bewilligung für die Anlagen liege nicht vor. Die Gemeinde habe sich als derzeit wirtschaftlich nicht in der Lage erklärt, fristgerecht die alte Hausmülldeponie zu beseitigen, auch bestünden nach ihrem Vorbringen keine anderen Deponierungsmöglichkeiten für das auszuräumende Material. Rechtlich führte der LH unter Bezugnahme auf die einschlägigen Gesetzesstellen aus, eine Mülldeponie bedürfe einer wasserrechtlichen Bewilligung, weil von ihr im Regelfall nachteilige Einflüsse auf das Grundwasser ausgingen. Auch ohne eine bereits eingetretene Grundwasserbeeinträchtigung stelle eine bewilligungslose Deponie eine unzulässige Neuerung dar, weshalb nach § 138 WRG 1959 vorzugehen sei. Die Sachverständigen hätten sich übereinstimmend für eine Beseitigung der Deponie ausgesprochen, ein Alternativauftrag nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 sei deshalb nicht in Betracht gekommen. Eine Möglichkeit, die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Erfüllung des Beseitigungsauftrages zu berücksichtigen, sehe das Gesetz nicht vor.

Auch in ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die beschwerdeführende Gemeinde neben einer Bestreitung des Vorliegens einer nach § 138 WRG 1959 zu beseitigenden eigenmächtigen Neuerung insbesondere geltend, eine Beseitigung der Deponie sei nicht nur unzweckmäßig, sondern der Gemeinde auch - vor allem in der viel zu kurz gesetzten Leistungsfrist - weder technisch noch wirtschaftlich möglich.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren ein weiteres Gutachten eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein und gewährte dazu der beschwerdeführenden Gemeinde das Parteiengehör.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. August 1990 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 AVG 1950 ab. Auch sie ging begründend vom Vorliegen einer eigenmächtigen Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 aus und gab im übrigen das von ihr eingeholte Gutachten wieder. Demnach sei bei der vorliegenden Deponie wie bei jeder anderen gleichartigen Deponie mit Sickerwässern und mit deren Eindringen in das Grundwasser zu rechnen. Die gegenständliche Altlast sei direkt in den ersten Grundwasserhorizont des Seewinkels eingebracht worden und stelle daher eine eminente Bedrohung eines wasserwirtschaftlich bedeutsamen Grundwasservorkommens dar. Der Auftrag zur Räumung sei daher aus fachlicher Sicht zu Recht erfolgt, wobei das Argument, im Zuge der Räumung könnten Grundwasserkontaminationen erst herbeigeführt werden, deshalb nicht stichhältig sei, weil ein Belassen der Schadstoffe im Untergrund zwangsläufig und mit absoluter Sicherheit zu ihrer Freisetzung ins Grundwasser führen werde. Das Faktum der Kontamination und damit der Nachweis im Grundwasser sei somit nur eine Frage der Zeit. Zuzustimmen sei der beschwerdeführenden Gemeinde darin, daß die Räumung durch flankierende Schutzmaßnahmen abgesichert werden müsse, welche aber die Gemeinde selbst vorzusehen habe. Die Gemeinde habe die Ausführungen der Sachverständigen mit ihren fachtechnisch nicht untermauerten Ausführungen nicht entkräften können. Nach den Gutachten stelle die gegenständliche Altlast eine eminente Bedrohung für ein bedeutsames Grundwasservorkommen dar, weshalb die Räumung der Deponie im öffentlichen Interesse möglichst rasch zu erfolgen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich in ihrem Recht auf Unterbleiben des ihr erteilten Auftrages, in ihrem Recht auf Setzung einer erfüllbaren Frist und in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Rücksicht auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides nach dem 1. Juli 1990 hatte die belangte Behörde das WRG 1959 bereits in der Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 anzuwenden (Art. IV Abs. 1 der Novelle).

Gemäß § 32 Abs. 1 WRG 1959 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (Abs. 8), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

Gemäß Abs. 2 lit. c dieses Paragraphen bedürfen der Bewilligung im Sinne des Abs. 1 jedenfalls Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird.

Zur Ablagerung kommende Abfallstoffe in Verbindung mit einer Lagerung unter freiem Himmel führen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dazu, daß im Deponiekörper mit Inhaltsstoffen angereicherte Sickerwässer entstehen. Da diese ohne Vorkehrung entsprechender Maßnahmen in das Grundwasser gelangen würden - was auch für die hier gegenständliche Deponie auf Grund der eingeholten Gutachten feststeht -, unterliegt ein Deponievorhaben der Bewilligungspflicht gemäß § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959.

Da unter einer "eigenmächtigen Neuerung" im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen ist, für die eine wasserrechtliche Bewilligung - sofern sie dieser überhaupt zugänglich sind - einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde (vgl. zuletzt etwa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1989, Zl. 89/07/0105), ist die belangte Behörde grundsätzlich mit Recht von einer Anwendbarkeit des § 138 WRG 1959 auf den Beschwerdefall ausgegangen. Dazu ist mit Rücksicht auf das Beschwerdevorbringen zu ergänzen, daß als Täter nach § 138 WRG 1959 jeder in Betracht kommt, der die Übertretung des Gesetzes verursacht oder mitverursacht hat. Dabei ist es nicht notwendig, daß eine Person schuldhaft Bestimmungen des WRG 1959 übertreten hat, vielmehr reicht dafür die objektive Verwirklichung eines dem Wasserrechtsgesetz widersprechenden Zustandes hin. Es stellt auch nicht nur die unmittelbare Herbeiführung eines wasserrechtlich bewilligungsbedürftigen Zustandes ohne diese Bewilligung eine Übertretung von Bestimmungen im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 dar, sondern auch die Aufrechterhaltung, Duldung oder Nutzung eines solcherart konsenlos geschaffenen und bestehenden Zustandes (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 89/07/0055, und vom 20. November 1984, Zlen. 84/07/0210, 0211, und die dort jeweils angeführte Vorjudikatur).

Gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen. Nach der durch Art. I Z. 93 der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 neugeschaffenen lit. b dieser Gesetzesstelle ist der Täter unter den gleichen Voraussetzungen zu verhalten, auf seine Kosten Ablagerungen oder Bodenverunreinigungen durch geeignete Maßnahmen zu sichern, wenn die Beseitigung gemäß lit. a nicht oder im Vergleich zur Sicherung an Ort und Stelle nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist.

Wenn auch nach dem bisher Gesagten subjektive Rechte der beschwerdeführenden Gemeinde nicht etwa dadurch verletzt worden sind, daß sich die belangte Behörde für berechtigt erachtet hat, mit einem wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 WRG gegen sie einzuschreiten, stellt sich insbesondere im Hinblick auf die zuletzt angeführte, ab 1. Juli 1990 in Geltung stehende gesetzliche Vorschrift die Frage nach dem auf Grund des gegebenen Sachverhaltes zu gestaltenden Inhalt eines derartigen Auftrages. Die beschwerdeführende Partei zielt zwar mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht ausdrücklich auf die Anwendung des § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 ab, doch hat sie unmißverständlich ausgeführt, daß die von ihr geforderte Beseitigung des Deponiematerials, wenn überhaupt, nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten, bzw. nur mit einem für sie wirtschaftlich kaum tragbaren Aufwand möglich sei, was im Ergebnis auch ein Vorbringen in Richtung auf ein allfälliges Vorgehen nach dieser neuen Gesetzesstelle einschließt.

Nun entspricht es zwar der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, davon auszugehen, daß es bei der Ausführung eines Räumungsauftrages nicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten ankommt, sondern nur objektive Gesichtspunkte maßgebend sind (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 86/07/0096, und die dort angeführte Vorjudikatur), doch wurde durch § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 idF der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 gerade für die Lösung der bei Abfallagerungen auftretenden schwierigen praktischen Probleme die Möglichkeit der Vorschreibung von Sicherungsmaßnahmen geschaffen, von welchen die Wasserrechtsbehörden gegebenfalls auch Gebrauch zu machen haben. Ob eine - rechtswidrige - Ablagerung zur Gänze zu beseitigen, oder aber im Wege des § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 an Ort und Stelle zu sichern ist, hängt nach dieser Gesetzesstelle davon ab, ob die Beseitigung überhaupt oder im Verhältnis zu einer derartigen Sicherung nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten (Aufwand) möglich ist. Die rechtliche Beurteilung dieser Frage setzt entsprechende, auf sachverständiger Basis vorzunehmende Ermittlungen voraus, an denen es jedoch im Beschwerdefall fehlt. Der Sachverhalt bedarf daher zu einer abschließenden Beurteilung des Beschwerdefalles in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung, deren Ergebnis könnte einen im - für eine allfällige Vollstreckung ausreichend klar zu fassenden - Spruch anderslautenden Bescheid nach sich ziehen.

Mit Rücksicht auf diese auf die neue Bestimmung des § 138 Abs. 1 lit. b WRG 1959 gestützten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß die Beschwerdeführerin als Gemeinde gemäß § 2 Gebührengesetz 1957 gebührenbefreit ist.

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