Normen
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) hat mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 12. Mai 1978 nach durchgeführter mündlicher Verhandlung der Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligung
"zur Errichtung einer Kanalisationsanlage im Mischsystem und einer zentralen biologischen Kläranlage und Einleitung der gereinigten Abwässer - entsprechend 3500 EGW - linksufrig in den Sgraben nach Maßgabe der im Abschnitt A) enthaltenen Entwurfsbeschreibung und bei Einhaltung der im Abschnitt B) angeführten Bedingungen"
erteilt. Als Frist für die Bauvollendung wurde gemäß § 112 WRG 1959 der 31. Mai 1988 bestimmt. Gemäß der Bedingung B) 5.) durften in die entsprechend dem Projekt neu zu errichtenden Kanäle Abwässer jeder Art erst nach Fertigstellung der zentralen Kläranlage und nach erfolgtem Anschluß des entsprechenden Kanalstranges an diese eingebracht werden.
Im April 1987 wurde durch die Gewässeraufsicht festgestellt, daß aus dem Ortsgebiet A Abwässer in den S-graben eingeleitet würden, deren Güteklasse im Bereich III - IV liege, was ein Einschreiten der Wasserrechtsbehörde mit dem Ziel der Sanierung der Gewässerverunreinigung durch Einstellung der Abwassereinleitungen erforderlich mache.
Darüber hielt der LH am 22. Juni 1987 eine mündliche Verhandlung ab, in welcher das Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen unter Hinweis auf eingeholte Wassergüteproben das Vorliegen der behaupteten Mißstände bestätigte. Die Beschwerdeführerin erklärte dazu, die finanzielle Lage lasse einen verstärkten Bau der Kanalisation und den Ausbau der Kläranlage nicht zu; sie beabsichtige, 1990 bzw. 1992 die wasserrechtlichen Auflagen durch den Bau einer Kläranlage zu erfüllen.
Mit Bescheid vom 30. Juni 1987 erteilte sodann der LH gemäß § 99 und 138 Abs. 1 WRG 1959 dem Beschwerdeführer den Auftrag, bis spätestens 30. März 1988 all jene Hausanschlußkanäle, durch welche andere als biologisch gereinigte Abwässer oder Regenwässer in das bisher errichtete Kanalnetz und in der Folge in den S-graben gelangen könnten, flüssigkeitsdicht zu verschließen. Begründend gab der LH das eingeholte Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen wieder, in welchem der erteilte Auftrag als dringende Maßnahme zur Beseitigung des derzeitigen Mißstandes (sehr schlechte Wassergüte im S-graben) vorgeschlagen worden war.
Im Verfahren über die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung holte die belangte Behörde ein weiteres Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein und gewährte dazu der Beschwerdeführerin das Parteiengehör.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. April 1989 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 AVG 1950 keine Folge, zugleich legte sie gemäß den §§ 59 Abs. 2 und 66 AVG 1950 die Frist zur Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen mit 30. April 1990 neu fest.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin über von ihr errichtete Kanalstränge neben Niederschlagswässern auch ungereinigte bzw. nur mechanisch gereinigte Abwässer aus dem Ortsgebiet in den S-graben einleite. Dafür liege unbestritten die nach § 32 Abs. 1 lit. c WRG 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nicht vor, sodaß es sich unzweifelhaft um eine konsenslose Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 handle. Sodann gab die belangte Behörde das Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen wieder, welches wie folgt lautet:
"Die derzeitige Form der Abwasserbeseitigung der Marktgemeinde A, die in einer Einleitung der Schmutzwässer entweder nach bloß mechanischer Reinigung oder überhaupt ohne Reinigung in den Vorfluter besteht, ist aus der Sicht des Gewässerschutzes keinesfalls bewilligungsfähig. Eine ausführliche Begründung ist in der Verhandlungsschrift der Unterbehörde vom 22. Juni 1987 enthalten, welcher vollinhaltlich beigepflichtet wird.
Laut Erklärung der Marktgemeinde A in derselben Verhandlungsschrift ist mit dem Bau der Kläranlage nicht vor 1992 zu rechnen, sodaß auch ein befristeter Konsens, der somit mindestens für fünf Jahre eingeräumt werden müßte, nicht in Frage kommt. Dazu kommt noch, daß das dem derzeit gültigen Bewilligungsbescheid aus 1978 zugrundeliegende Kanal- und Kläranlagenprojekt nicht mehr den heutigen Anforderungen der Wasserwirtschaft entspricht (Bemessung der Regenüberläufe nicht nach einer kritischen Regenspende; fehlende weitergehende Reinigungsstufe, die auf Grund des kleinen Vorfluters nötig wäre).
Der Berufung ist auch zu entnehmen, daß allenfalls auch eine gemeinsame Reinigung der Abwässer mit anderen benachbarten Gemeinden in Erwägung gezogen wird. Darüber werden aber derzeit, wie ebenfalls aus der Berufung hervorgeht, erst grundsätzliche Überlegungen angestellt, sodaß auch diese Lösungsmöglichkeit noch geraume Zeit auf sich warten lassen würde, soferne man sich überhaupt dazu entschließt.
Hinsichtlich der für die Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen festgesetzten Frist wird die Ansicht vertreten, daß diese angesichts der großen Anzahl von bereits bestehenden Hausanschlüssen (lt. Untersuchungsbefund der BA für Wassergüte vom 20.5.1987 sind derzeit bereits rd. 1.700 EGW angeschlossen) sehr knapp bemessen wurde. Bei vielen Hausanschlüssen wird auch eine Trennung der Anschlußleitungen in einen Schmutzwasser- und einen Regenwasserkanal erforderlich sein.
Da auf Grund des für das Berufungsverfahren erforderlichen Zeitraumes ohnehin eine neue Erfüllungsfrist zu bestimmen ist, wird vorgeschlagen, diese nunmehr im Ausmaß von einem Jahr festzusetzen."
Diesem Gutachten sei die Beschwerdeführerin auf fachlicher Ebene nicht entgegengetreten, sie habe dazu in ihrer Stellungnahme nur ausgeführt, daß sie bereits die flüssigkeitsdichte Verschließung von Senkgrubenüberläufen angeordnet habe und daß im übrigen die Planungsarbeiten für die biologische Kläranlage zügig fortgeführt würden. Im Hinblick auf die große Zahl der zu entsorgenden Einzelobjekte und die hiefür notwendigen Umbauten ersuche sie aber, die Erfüllungsfrist bis 1992 zu erstrecken.
Aus dem schlüssigen Gutachten ergebe sich eindeutig, daß der derzeitige Zustand aus öffentlichen Interessen nicht bewilligungsfähig sei, weil dadurch eine unzulässige Gewässerverunreinigung bewirkt werde. Eine nachträgliche, wenn auch befristete Bewilligung sei nicht möglich, sodaß der LH zu Recht nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 vorgegangen sei und zu Recht die Unterbindung der weiteren Einbringung von gar nicht oder nur mechanisch gereinigten Schmutzwässern angeordnet habe.
Eine einjährige Frist für die Durchführung der aufgetragenen Maßnahmen sei nach dem Gutachten ausreichend. Die Frist zur Beseitigung einer konsenslosen Neuerung sei dann angemessen, wenn innerhalb dieses Zeitraumes die Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes möglich sei; auf allfällige Alternativlösungen müsse dabei nicht Bedacht genommen werden. Für die Unterbindung der konsenslosen Einleitung sei aber die gesetzte Frist ausreichend, die Beschwerdeführerin habe dafür auch bereits Vorarbeiten (Dichtung von Senkgruben) geleistet. Das Verschließen der Senkgrubenüberläufe stelle nur eine teilweise Erfüllung des wasserpolizeilichen Auftrages dar; daraus könne kein Anspruch auf Fristverlängerung resultieren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich "in ihrem Recht auf Ableitung der Abwässer ungerechtfertigt beeinträchtigt".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtige Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.
Eine eigenmächtige Neuerung im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt vor, wenn eine Anlage errichtet wurde, für die eine wasserrechtliche Bewilligung hätte eingeholt werden müssen, aber nicht eingeholt worden ist, oder wenn die Anlage einer wasserrechtlichen Bewilligung gar nicht zugänglich ist. Im Beschwerdefall ist das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen unwiderlegt geblieben, wonach die derzeit (ohne vorliegende wasserrechtliche Bewilligung) betriebene Form der Abwasserbeseitigung eine aus der Sicht des Gewässerschutzes (zwar bewilligungsbedürftige, aber) nicht bewilligungsfähige Maßnahme darstelle. Mit dem Argument der Beschwerde, die Bürger der beschwerdeführenden Gemeinde hätten "seit jeher ihre Abwässer in den S-graben geleitet" konnte die Feststellung der belangten Behörde, es handle sich dabei nach dem eingeholten Gutachten um eine eigenmächtige Neuerung, nicht widerlegt werden. Auch eine Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 12. Mai 1978 konnte ihr dabei nicht nützen, weil die derzeitige Abwasserbeseitigung mangels Errichtung einer biologischen Kläranlage nicht im Sinne dieser wasserrechtlichen Bewilligung erfolgt.
Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, der angefochtene Bescheid sei deshalb rechtswidrig, weil bereits der erstinstanzliche Bescheid eine Frist für die angeordneten Maßnahmen (nämlich vor bis zum 30. März 1988) vorgesehen habe, die noch vor der Fertigstellungsfrist laut Bewilligungsbescheid vom 12. Mai 1978 (nämlich vor dem 31. Mai 1988) geendet habe. Es erübrigt sich jedoch, darauf näher einzugehen, weil der Verwaltungsgerichtshof nur den letztinstanzlichen Bescheid zu prüfen hat, in welchem ohnehin eine neue, erst am 30. April 1990 endende Frist für die angeordnete Maßnahme vorgesehen ist.
Aber auch die Hinweise der Beschwerdeführerin auf den beträchtlichen und möglicherweise im Falle einer späteren Errichtung einer Kläranlage "verlorenen" Aufwand für die Durchführung der mit dem wasserpolizeilichen Auftrag angeordneten Maßnahmen sowie auf Planungsmaßnahmen des Landes Niederösterreich betreffend eine regionale Lösung der Abwasserfrage vermögen der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Beiden Argumenten steht nämlich das den vorliegenden Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 rechtfertigende und alle wirtschaftlichen Überlegungen überwiegende öffentliche Interesse an der Vermeidung einer nach der Aktenlage massiven Gewässerverunreinigung entgegen.
Die Beschwerdeführerin kommt in ihrem weiteren Beschwerdevorbringen erneut auf die Frage der Fristsetzung zurück und meint, diese sei mit 30. April 1990 viel zu kurz für die tatsächliche Durchführung und für die Finanzierung der aufgetragenen Maßnahmen; die Frist erscheine allenfalls "bis Ende 1992" gerechtfertigt. Auch diesem Vorbringen ist mit dem Hinweis auf das eingeholte einschlägige Gutachten, in welchem auch die Fristsetzung schlüssig begründet worden ist, und mit dem Hinweis auf das vorliegende öffentliche Interesse zu entgegnen.
Schließlich bringt die Beschwerdeführerin noch vor, die ihr aufgetragene füssigkeitsdichte Verschließung der Hauskanäle sei gesetzwidrig und sei insofern undurchführbar, als nicht geklärt erscheine, wohin die Abwässer aus den Senkgruben dann gebracht werden sollten. Es sei nicht sinnvoll, unter den gegebenen Umständen mit hohem finanziellem Aufwand dem erteilten Auftrag gemäß vorzugehen, wenn doch durch die baldige Errichtung einer zentralen Kläranlage ohnehin eine Lösung des Problems gegeben sei.
Der Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 soll der Vermeidung einer weiteren Verschmutzung des Vorfluters (S-graben) dienen. Dazu sind die aufgetragenen Maßnahmen nach dem fachkundigen und unwiderlegt gebliebenen Urteil der beigezogenen Sachverständigen durchaus geeignet. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Gesetzwidrigkeit der aufgetragenen Maßnahmen ist nicht zu erkennen. Probleme mit der Fäkalabfuhr während der von der Beschwerdeführerin ohnehin als nicht allzulange prognostizierten Übergangszeit erscheinen nicht unlösbar und waren jedenfalls nicht von den Wasserrechtsbehörden zu lösen. Keinesfalls lassen derartige Schwierigkeiten einen Fortbestand der derzeit gegebenen, aus der Sicht des Gewässerschutzes unhaltbaren Verhältnisse zu.
Da sich die vorliegende Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
Wien, am 21. Dezember 1989
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