VwGH 90/07/0090

VwGH90/07/009012.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Gemeinde N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 25. April 1990, Zl. IIIa1-11.711/4, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §111 Abs4;
WRG 1959 §38;
WRG 1959 §41;
WRG 1959 §63;
WRG 1959 §111 Abs4;
WRG 1959 §38;
WRG 1959 §41;
WRG 1959 §63;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gemeinde (mP) stellte am 11. Oktober 1989 bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) den Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung eines Projektes für die Verbauung des A-Baches an der Grenze zum Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin. Dieses Projekt sah eine streckenweise Tieferlegung und Regulierung des A-Baches, eines stark geschiebeführenden Wildbaches, vor. Anlaß für dieses Projekt war die Errichtung des Kurhauses B im Weiler X der mP und die dafür erforderliche Herstellung einer Zufahrt. Diese Zufahrt sollte von der D-Straße abzweigen und den A-Bach mit einer ebenfalls in dem vorgelegten Projekt geplanten Brücke queren. Für die Herstellung dieser Zufahrt war u.a. eine Inanspruchnahme einer im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundfläche von etwa 140 m2 notwendig, weshalb die Beschwerdeführerin dem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren als Partei zugezogen wurde.

In der am 8. November 1989 von der BH abgehaltenen mündlichen Verhandlung wies der Bürgermeister der Beschwerdeführerin in deren Namen darauf hin, daß bereits im "hinteren Bereich" des A-Baches Baumaßnahmen mit einem bestimmten Kostenaufwand vorgeschrieben worden seien. Das Bauvorhaben B liege im Gefährdungsbereich des A-Baches. In der Äußerung der Beschwerdeführerin hieß es dann weiter:

"... Es dürfen für den damaligen Konsenswerber und für die

Gemeinde N keine zusätzlichen Kosten entstehen. Sollten zusätzliche Kosten entstehen, ist mit der Gemeinde N und dem damaligen Konsenswerber das Einvernehmen herzustellen. Sollten keine Erhöhungen stattfinden, wird dem heutigen Projekt die Zustimmung gegeben. Für die Grundinanspruchnahme durch die Zufahrt muß mit der Gemeinde N ein separates Übereinkommen getroffen werden. ..."

Mit Spruchpunkt I ihres Bescheides vom 4. Dezember 1989 erteilte die BH nach Maßgabe der vorgelegten Projektsunterlagen und der eingangs angeführten Beschreibung unter zahlreichen Nebenbestimmungen der mP gemäß § 41 Abs. 1 iVm § 41 Abs. 4 und 5, § 38 Abs. 1 sowie §§ 14, 105 und 111 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Verbauung des A-Baches und zur Errichtung einer Brücke mit Zufahrtsstraße. Gemäß Spruchpunkt III dieses Bescheides gelten gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 die erforderlichen Dienstbarkeiten u.a. auf den Grundparzellen der Beschwerdeführerin als eingeräumt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und machte geltend, ihr Vertreter bei der Verhandlung habe der Benützung von Gemeindegrundstücken nicht zugestimmt, sondern vorgebracht, daß ein Übereinkommen über dafür zu erbringende Gegenleistungen überhaupt erst Voraussetzung für den Bau der Brücke sei. Die erteilte Bewilligung sei deshalb von einer klaren und endgültigen Bewilligung, Grundstücke der Beschwerdeführerin in Anspruch zu nehmen, abhängig zu machen.

Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. April 1990 diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin habe in der Verhandlung vom 8. November 1989 ihr prinzipielles Einverständnis mit dem Projekt erklärt; daß keine zusätzlichen Kosten für sie entstehen würden, habe die mP ausdrücklich zugesichert. Hinsichtlich der Grundinanspruchnahme habe der Vertreter der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß ein separates Übereinkommen getroffen werden müsse. Auch diese Formulierung lasse nicht auf einen Dissens in der Sache schließen, sondern gebe "den Wunsch der Beschwerdeführerin nach einer vertraglichen Regelung" wieder. Auf Grund dieses grundsätzlichen Konsenses habe sich ein Hinwirken des Verhandlungsleiters auf eine gütliche Übereinkunft iS des § 60 Abs. 2 WRG 1959 erübrigt. Das von der Beschwerdeführerin angesprochene privatrechtliche Übereinkommen sei im Zuge des wasserrechtlichen Verfahrens nicht zustandegekommen. Der bloße Nichtabschluß eines inhaltlich determinierten, nach Privatrecht zu beurteilenden Übereinkommens mit darauffolgender Beurkundung durch die Behörde sei aber nach Ansicht der belangten Behörde nicht geeignet, den bescheidmäßigen Abspruch über die Erteilung der Bewilligung samt Einräumung der Dienstbarkeiten iS des § 111 Abs. 4 WRG 1959 zu verhindern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht verletzt,

"daß die von der belangten Behörde erteilte wasserrechtliche Bewilligung nicht erteilt hätte werden dürfen, weil gem. § 111 Abs. 4 WRG 1959 einerseits fremder Grund in einem für den Betroffenen sehr erheblichen Ausmaß in Anspruch genommen wurde, darüber hinaus, weil die Gemeinde N als Grundeigentümerin ihre Einwendungen, daß für die Zufahrt keine Vereinbarung vorliege und eine solche erforderlich sei, im Verfahren erhoben hat, überdies eine einzuräumende Dienstbarkeit im Sinne des § 63 lit. b wegen Fehlens eines öffentlichen Interesses daran und mangels vorgenommener Interessenabwägung nicht in Frage komme; überdies kann eine Dienstbarkeitseinräumung nach § 111 Abs. 4 WRG 1969 nur so erfolgen, daß genau Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit, wie er sich aus dem Verfahren als erforderlich darstellt, genau und unzweifelhaft umschrieben festzulegen ist."

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die mP hat in der von ihr eingebrachten Gegenschrift

die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es ist unbestritten, daß die mP für die Ausführung ihres Vorhabens eine etwa 140 m2 große Grundfläche der Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen muß, wozu sie jedenfalls der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedurfte. Unbestritten ist ferner, daß eine solche Zustimmung seitens der Beschwerdeführerin bisher nicht erteilt worden ist.

Gemäß dem Wortlaut des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides der BH stützt sich diese Bewilligung sowohl auf § 41 als auch auf § 38 WRG 1959. Würde die Anwendung des § 38 Abs. 1 WRG 1959 im Beschwerdefall tatsächlich erforderlich sein, dann wäre die Beschwerdeführerin schon deshalb mit ihrer Beschwerde im Recht, weil im Falle einer dem § 38 Abs. 1 WRG 1959 unterliegenden Anlage die Zustimmung des Eigentümers nicht nach den Bestimmungen der §§ 60 ff WRG 1959 durch Einräumung eines Zwangsrechtes ersetzt werden könnte, und daher auch § 111 Abs. 4 WRG 1959 keine Anwendung finden hätte können. Die gemäß § 38 WRG 1959 bewilligungspflichtigen Maßnahmen und Anlagen für sich allein dienen nämlich keinen der in den §§ 63 ff WRG angeführten, die Einräumung von Zwangsrechten ermöglichenden Zwecken.

Soweit jedoch - wie im Beschwerdefall die Errichtung der Zufahrtsbrücke - gemäß § 38 WRG 1959 bewilligungspflichtige Maßnahmen und Anlagen im Rahmen eines sonstigen, solche Zwecke verfolgenden Wasserbauvorhabens vorgesehen sind, entfällt zufolge der Subsidiaritätsklausel des § 38 Abs. 1 WRG 1959 die Bewilligungspflicht nach dieser - somit im Bescheid der BH zu Unrecht angeführten - Gesetzesstelle. Da sich die gegenständliche Überbrückung des A-Baches als Teil eines den Zwecken der §§ 63 ff WRG 1959 entsprechenden Regulierungsvorhabens im Sinne des 41 WRG 1959 darstellt, hatte somit die Nichtbeibringung der Zustimmung der Beschwerdeführerin als eines durch das Vorhaben betroffenen Grundeigentümers noch nicht zur Abweisung des Bewilligungsansuchens der mP zu führen (vgl. zu diesen Erwägungen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/07/0162).

Abgesehen von § 38 WRG 1959, in welchem Falle, wie bereits gesagt, eine Einräumung von Zwangsrechten nicht in Betracht kommt, kann nach den Bestimmungen des WRG 1959 eine beantragte wasserrechtliche Bewilligung nur erteilt werden, wenn sich der Bewilligungswerber mit dem Grundeigentümer über den beabsichtigten Eingriff und die dafür zu leistende Entschädigung geeinigt hat oder wenn ein entsprechendes Zwangsrecht begründet worden ist, ausgenommen die Fälle des § 111 Abs. 4 WRG 1959 (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1989, Zl. 89/07/0029, und die dort angeführte Vorjudikatur). Da im Beschwerdefall eine solche Einigung nicht vorliegt, aber auch kein Zwangsrecht zugunsten der mP begründet worden ist, war die bekämpfte Bewilligung nur dann rechtlich zulässig, wenn die Behörden zu Recht von der Bestimmung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 Gebrauch gemacht haben.

Das war indes, wie die Beschwerdeführerin mit Recht geltend macht, hier nicht der Fall. Nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 ist dann, wenn sich im Verfahren ergeben hat, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt, und wenn weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit. b gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden ist, mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des § 63 lit. b als eingeräumt anzusehen. Allfällige Entschädigungsansprüche aus diesem Grunde können in Ermangelung einer Übereinkunft binnen Jahresfrist nach Fertigstellung der Anlage geltend gemacht werden (§ 117).

Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist somit - abgesehen von der Geringfügigkeit der Grundinanspruchnahme -, daß der betroffene Grundeigentümer gegen diese Inanspruchnahme keine Einwendungen erhoben hat. Die vom Vertreter der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vom 8. November 1989 ausgesprochene Zustimmung zu dem von der mP eingebrachten Projekt bedeutete aber - anders als die belangte Behörde und die mP in ihren Gegenschriften meinen - noch keine Abstandnahme der Beschwerdeführerin von Einwendungen gegen die dabei notwendig werdende Grundinanspruchnahme. Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin vielmehr in der Verhandlung auf das Erfordernis einer (noch ausstehenden) Einigung der beiden betroffenen Gemeinden hingewiesen. Um die Fiktion der Einräumung einer Dienstbarkeit gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 hintanzuhalten, mußte die Beschwerdeführerin keineswegs das gesamte Projekt der mP ablehnen oder dagegen technische Einwände vortragen; es genügte vielmehr, daß sie in ihrer Stellungnahme in der Verhandlung zum Ausdruck brachte, daß sie vorerst mit der für die Verwirklichung des Projektes notwendigen Grundinanspruchnahme nicht einverstanden sei.

Ist aber davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin im Verfahren eine Einwendung gegen die Inanspruchnahme ihres Grundes erhoben hat, fehlte es an einem der Tatbestandsmerkmale des § 111 Abs. 4 WRG 1959 und es konnte daher die belangte Behörde hinsichtlich der diesen Grund beeinträchtigenden Dienstbarkeiten nicht mehr nach dieser Gesetzesstelle vorgehen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Zl. 3277/79).

Da die belangte Behörde im Beschwerdefall somit zu Unrecht von der Bestimmung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 Gebrauch gemacht hat, erweist sich der angefochtene Bescheid - ohne daß es erforderlich war, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - als mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens geht darauf zurück, daß die Bfrin als Gemeinde gemäß § 2 Gebührengesetz 1957 von Gebühren befreit ist.

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