VwGH 90/05/0198

VwGH90/05/019818.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerden

1) des A, 2) der B, 3) des C und 4) der D gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. Juni 1990, Zl. BauR-010465/3-1990 Ba/Schi, betreffend ein straßenrechtliches Verfahren (mitbeteiligte Partei:

Marktgemeinde Oberneukirchen, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AdLRegOrgG 1925 §3 Abs3;
AVG §13 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132;
LStVwG OÖ 1975 §4;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AdLRegOrgG 1925 §3 Abs3;
AVG §13 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art132;
LStVwG OÖ 1975 §4;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 1. Juni 1989 stellten die Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Gemeinde den Antrag auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 3 des OÖ. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 (LStVG). Die Beschwerdeführer führten insbesondere aus, daß das Grundstück Nr. N1, KG X, welches im Eigentum der Ehegatten E und F stünde, von ihnen als Weganrainer in langjähriger Übung seit mindestens 30 Jahren ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses als Verkehrsfläche benützt werde. Die Voraussetzungen für eine Öffentlichkeitserklärung nach dem OÖ. LStVG lägen vor.

Nach Durchführung zweier Verhandlungen stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 13. November 1989 fest, daß das Grundstück Nr. N1, KG X, kein öffentlicher Weg sei. Unter Hinweis auf die maßgeblichen Rechtsvorschriften begründete die Gemeindebehörde erster Instanz ihre Entscheidung damit, daß ein dringendes Verkehrsbedürfnis, welches nach der Rechtslage im Fall einer Öffentlichkeitserklärung einer Verkehrsfläche vorliegen müsse, nicht gegeben sei, weil es sich hier nur um das Verkehrsbedürfnis der Bewohner einzelner Gebäude oder Gehöfte handle. Dies habe der technische Amtssachverständige im durchgeführten Ermittlungsverfahren festgestellt.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 6. April 1990 als unzulässig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, daß in einem Verfahren betreffend die Feststellung, ob eine Straße als öffentliche Straße anzusehen sei, denjenigen Personen, die diese Straße lediglich aus dem Grunde des Gemeingebrauches benützten, keine Parteistellung zukomme. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß durch den Bau eines Güterweges die gegenständliche Wegparzelle nur mehr einzelnen Objekten als Zufahrt diene.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wies die OÖ. Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid mit der Begründung als unzulässig zurück, daß den Beschwerdeführern im durchgeführten straßenrechtlichen Verfahren eine Parteistellung nicht zukomme.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschlüssen vom 25. September 1990, Zlen. B 940 bis B 943/90-5, ablehnte, die Beschwerden jedoch gleichzeitig zur Entscheidung dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Über diese Beschwerden sowie über die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 des OÖ. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 (LStVG), LGBl. Nr. 22, sind öffentliche Straßen und Wege im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen und Wege, die entweder von der zuständigen Behörde bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung seit mindestens dreißig Jahren allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind unter der Bezeichnung "Straße" auch die Wege und Plätze mitverstanden.

Bestehen Zweifel, ob eine vorhandene Straße als öffentlich anzusehen ist oder in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch), so hat nach § 3 LStVG hierüber die Bezirksverwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Begehren eines Beteiligten ein Feststellungsverfahren durchzuführen. Die Wahrnehmung der im § 3 LStVG vorgesehenen Zuständigkeit obliegt nach § 74 a Abs. 1 leg. cit. anstelle der Bezirksverwaltungsbehörde dem Bürgermeister, wenn es sich um Angelegenheiten einer Verkehrsfläche der Gemeinde handelt.

Nach § 4 Abs. 1 LStVG hat der Entscheidung im Verfahren gemäß § 3 eine mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbindende mündliche Verhandlung gemäß den §§ 40 ff. AVG 1950 vorauszugehen. Parteien, die aus einem privatrechtlichen Titel Einwendungen erheben, sind hinsichtlich dieser Einwendungen nach § 4 Abs. 2 LStVG auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, wenn ein gütliches Übereinkommen über die Einwendungen nicht erzielt wird. Gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. hat der Bescheid gegebenenfalls auch die Feststellung zu enthalten, in welche Gattung nach § 8 Abs. 1 LStVG die Straße fällt bzw. in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung schon wiederholt mit der hier maßgeblichen Frage auseinandergesetzt, ob jenen Personen, die die Einleitung eines Verfahrens auf Öffentlichkeitserklärung begehren, Parteistellung zukommt. So hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1989, Zl. 88/05/0247, verwiesen, in dem der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht hat, daß Personen, die eine Straße lediglich aus dem Grunde des Gemeingebrauches benützen, mangels Parteistellung keinen Rechtsanspruch auf Einleitung eines Verfahrens nach § 4 LStVG besitzen, weshalb sie auch nicht berechtigt sind, die Entscheidungspflicht der Behörde geltend zu machen. Eine solche Parteistellung ist auch dann nicht gegeben, wenn auf Grund eines solchen Begehrens ein Verfahren eingeleitet wurde, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. September 1984, Zl. 84/05/0136, Slg. N. F. Nr. 11.522/A, dargetan hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in seiner Rechtsprechung zu gleichartigen Regelungen anderer Landesstraßengesetze wiederholt ausgesprochen, daß eine Antragstellung kein rechtliches Interesse und sohin auch keine Parteistellung im Verfahren begründet (vgl. etwa den Beschluß vom 28. März 1969, Slg. N. F. Nr. 7544/A).

Die Beschwerdeführer setzen sich nun mit dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überhaupt nicht auseinander, vielmehr behaupten sie, daß ihnen schon auf Grund der Bestimmung des § 8 AVG Parteistellung zukomme. Nach § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, wer in dem jeweiligen Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, nicht auf Grund des § 8 AVG, sondern auf Grund der materiellen Verwaltungsvorschriften zu beantworten. Die bloß tatsächliche Betroffenheit wurde von der Rechtsprechung als für die Parteistellung nicht ausreichend beurteilt. Wer also in einem konkreten Verwaltungsverfahren Partei ist, kann anhand des AVG allein nicht entschieden werden, diese Entscheidung ist vielmehr nur aus dem Inhalt der in Betracht kommenden Vorschriften zu treffen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1972, Slg. Nr. 6908, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Jänner 1969, Slg. N. F. Nr. 7488/A, u. a.). Die im § 8 AVG verwendeten Begriffe Rechtsanspruch und rechtliches Interesse gewinnen eben erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 1973, Slg. N. F. Nr. 8444/A, u. a.). In den hier maßgeblichen Verwaltungsvorschriften des LStVG hat der oberösterreichische Landesgesetzgeber keine klare Entscheidung darüber getroffen, wer im Verfahren betreffend eine Öffentlichkeitserklärung Parteistellung besitzen soll. Allerdings wurde im § 3 ausdrücklich festgehalten, daß die Verwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Begehren eines Beteiligten ein solches Feststellungsverfahren durchzuführen hat. Das bedeutet jedenfalls, daß nicht jeder Antragsteller als Partei anzusehen ist, wie die Beschwerdeführer behaupten, weil der Gesetzgeber bewußt zwischen den Begriffen Beteiligten und Partei (siehe § 4 Abs. 2 LStVG) im Sinne des § 8 AVG unterschieden hat. Im Sinne dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß einem bloß am Gemeingebrauch interessierten Antragsteller Parteistellung nicht zukommt, und zwar auch dann nicht, wenn über sein Begehren ein Verfahren eingeleitet worden ist. Der Gesetzgeber hat hier eben bewußt der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, schon auf Grund des Begehrens eines bloß Beteiligten ein Feststellungsverfahren durchzuführen, ohne daß diesem Beteiligten aus diesem Grunde Parteistellung zukäme. Zur Abwehr einer sogenannten "Popularklage" und der sich daraus ergebenden übermäßigen behördlichen Belastung scheint eine solche Vorgangsweise durchaus verständlich und zweckmäßig. Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher auf Grund der Ausführungen in der Beschwerde keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen, die eine Parteistellung von bloß am Gemeingebrauch interessierten Antragstellern verneint hat. Kam aber den Beschwerdeführern im Verfahren Parteistellung nicht zu, so durften die Verwaltungsbehörden ihr Rechtsmittel als unzulässig zurückweisen.

Die Beschwerdeführer behaupten weiters, daß der angefochtene Bescheid absolut nichtig sei. Im Kopf des Bescheides scheine nämlich das Amt der OÖ. Landesregierung auf, im Gemeindeaufsichtsverfahren sei jedoch das Amt der OÖ. Landesregierung keine Behörde. Um einen "dem Staat" zuzurechnenden Akt zu begründen, hätte der angefochtene Bescheid für die OÖ. Landesregierung unterzeichnet werden müssen oder es hätte die erlassende Behörde zumindest im Kopf des angefochtenen Bescheides angeführt sein müssen. Im angefochtenen Bescheid laute aber die Unterfertigungsklausel lediglich "Im Auftrag:".

Auch diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Den Ausführungen der Beschwerdeführer ist zwar zuzustimmen, daß der angefochtene Bescheid die Fertigungsklausel "Für die Landesregierung" enthalten hätte sollen, weil die Bezeichnung "Im Auftrag:" die entscheidende Behörde nicht erkennen läßt, doch ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem sogenannten Vorspruch völlig eindeutig, daß es sich um einen "von der OÖ. Landesregierung als Gemeindeaufsichts- bzw. Vorstellungsbehörde" erlassenen Bescheid handelt, sodaß der Bescheid als von der zuständigen Behörde erlassen anzusehen war, mag auch die Fertigungsklausel dies nicht erkennen lassen. Die Kopfbezeichnung des Bescheides (hier: Amt der OÖ. Landesregierung) sagt ja nichts darüber aus, von welcher Behörde der Bescheid ausgeht, da das Amt der OÖ. Landesregierung nicht nur Hilfsorgan der Landesregierung ist.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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