VwGH 90/03/0237

VwGH90/03/023724.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 7. Mai 1990, Zl. 9/02-33.204/12-1990, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. Mai 1990, Zl. 9/02-33.204/13-1990, betreffend unter anderem eisenbahnrechtliche Baugenehmigung (mitbeteiligte Partei: XY),

Normen

ABGB §364a;
AVG §56;
AVG §8;
EisenbahnG 1957 §19;
EisenbahnG 1957 §34 Abs3;
EisenbahnG 1957 §34 Abs4;
EisenbahnG 1957 §35 Abs2;
EisenbahnG 1957 §35 Abs3;
EisenbahnG 1957 §35;
EisenbahnG 1957 §36;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
ABGB §364a;
AVG §56;
AVG §8;
EisenbahnG 1957 §19;
EisenbahnG 1957 §34 Abs3;
EisenbahnG 1957 §34 Abs4;
EisenbahnG 1957 §35 Abs2;
EisenbahnG 1957 §35 Abs3;
EisenbahnG 1957 §35;
EisenbahnG 1957 §36;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie von der Beschwerdeführerin als Eigentümerin betroffener Liegenschaften erhoben wurde, als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird im übrigen zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg als der gemäß § 12 Abs. 1 des Eisenbahngesetzes, BGBl. Nr. 60/1957 (EG), delegierten Behörde vom 7. Mai 1990 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. Mai 1990 - der Berichtigungsbescheid betrifft eine im vorliegenden Zusammenhang nicht relevante Berichtigung der Rechtsmittelbelehrung im Bescheid vom 7. Mai 1990 - wurde der mitbeteiligten Partei im Spruchpunkt I die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung gemäß den §§ 35 und 36 EG für die (neue) Linienführung der ÖBB-Strecke Salzburg-Wörgl zwischen km 12,815 alt und km 15,276 alt = km 15,232 neu und die damit verbundenen Baumaßnahmen unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. (Die Spruchpunkte II bis V betreffen Rodungsbewilligung, wasserrechtliche Bewilligung, Enteignung und Kosten). Zu den gegen das zur Genehmigung eingereichte Projekt erhobenen "Einwendungen und sonst vom Bauvorhaben berührten Interessen" wurde in der Begründung des Bescheides unter anderem ausgeführt, daß sich die Einwendungen der namentlich angeführten Personen vorwiegend bzw. ausschließlich auf den durch den Bahnbetrieb hervorgerufenen Lärm bzw. auf die durch die gegenständliche Linienverbesserung bewirkte Änderung der Lärmverhältnisse bezögen. Auch die Anträge der anderen Betroffenen bezögen sich ausschließlich auf Lärm. Mit diesen Einwendungen und Anträgen würde keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geltend gemacht, weshalb sie auf den Zivilrechtsweg hätten verwiesen werden müssen. Dies gelte auch hinsichtlich einer allfälligen Geltendmachung einer Wertverminderung von Grundstücken oder Wohnobjekten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin in Ansehung des Spruchpunktes I Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie unter anderem ausführte, daß sie als Eigentümerin betroffener Liegenschaften gemäß § 34 Abs. 4 EG, aber auch "im Rahmen ihrer Funktion als Gemeinde" Partei des Verfahrens sei. Sie habe anläßlich der mündlichen Verhandlung am 14. März 1990 dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Zustimmung zum Bauvorhaben erreicht werden könne. Sie habe ausdrücklich Lärmschutzmaßnahmen gefordert, durch die gewährleistet werden solle, daß einerseits für sie als Eigentümerin der betroffenen Liegenschaften als auch für die Gemeindebewohner durch die Verlegung der Strecke keine Verschlechterung der derzeitigen Lärmbelastung eintrete.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 24. September 1990, Zl. B 787/90-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung ab.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem ihr in § 19 Abs. 2 EG eingeräumten Recht, daß das Eisenbahnunternehmen Vorkehrungen zu treffen habe, daß im öffentlichen oder privaten Gut keine Schäden entstehen, sowie weiters in ihrem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Verfahrens dadurch verletzt, daß ihr keine Parteistellung gemäß § 8 AVG eingeräumt, sondern ihr nur Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben worden sei. Sie führt dazu aus, wenn schon auf Grund des § 19 Abs. 2 EG Vermögenswerte zu schützen seien, so sei selbstverständlich darüber hinausgehend Leib und Leben als höherwertiges Rechtsgut umsomehr zu schützen. Durch die mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte Verlegung und Begradigung der Eisenbahnlinie im Ortsgebiet von P und die daraus resultierende höhere Geschwindigkeit der Züge entstehe eine erhebliche Lärmbeeinträchtigung, die eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung der Anrainer hervorrufe. Darüber hinaus entstünden für die Anrainer auch finanzielle Nachteile, weil durch die erhöhte Lärmbelästigung die Liegenschaft erheblich an Verkaufswert verlören. Die Behörde hätte somit auf § 19 Abs. 2 EG Rücksicht nehmen und der mitbeteiligten Partei die Errichtung von geeigneten Lärmschutzmaßnahmen vorschreiben müssen.

In der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift wird die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin bestritten. Weder im AVG noch im Eisenbahngesetz 1957 sei der Gemeinde eine Parteistellung in dem zu Grunde liegenden Verfahren eingeräumt. Die vom genehmigten Projekt beanspruchten Grundstücke der Beschwerdeführerin seien, soweit der belangten Behörde bekannt sei, zwischenzeitlich von der mitbeteiligten Partei käuflich oder im Tauschwege erworben worden, wenngleich eine grundbücherliche Durchführung erst nach abgeschlossener Endvermessung erfolgen solle. Die Beschwerdeführerin mache sohin Parteistellung mit Rechten an Grundstücken geltend, an denen sie solche Rechte nicht mehr innehabe. Im übrigen seien von der Beschwerdeführerin im Verfahren keine subjektiven öffentlichen Rechte geltend gemacht worden. Eine Verweisung ihrer Einwendungen auf den Zivilrechtsweg sei deshalb unterblieben, weil die in der Verhandlungsschrift vom 14. März 1990 festgehaltenen Forderungen nicht als Einwendungen betrachtet worden seien, da sie sich nicht gegen die Erteilung der Baugenehmigung gerichtet hätten. Es werde daher beantragt, der Beschwerde "keine Folge zu geben".

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie einerseits ausführte, daß die Beschwerdeführerin Eigentümerin bestimmter - im einzelnen angeführter - Grundstücke sei und andererseits darlegte, daß die Beschwerdeführerin "die angesprochenen Grundstücke bzw. Teile davon im Vereinbarungswege" an sie (mitbeteiligte Partei) entgeltlich abgetreten habe. Die mitbeteiligte Partei beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - hinsichtlich der ausgesprochenen Zurückweisung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 3 EG ist den Dienststellen des Bundes, der Länder und Gemeinden, deren örtlicher und sachlicher Wirkungsbereich durch die geplante Eisenbahn berührt wird, Gelegenheit zu geben, zu dem Bauentwurf Stellung zu nehmen.

Diese Gesetzesstelle räumt der durch die geplante Eisenbahn berührten Gemeinde lediglich das Recht ein, zum Bauentwurf gehört zu werden und dazu Stellung zu nehmen. Dieses Recht wurde im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin unbestritten gewährt. Durch dieses Recht zur Stellungnahme wird jedoch der Gemeinde - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Beschluß vom 5. Februar 1980, Slg. Nr. 10.031/A, ausgesprochen hat - im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren keine Parteistellung verliehen. Keiner Bestimmung des Eisenbahngesetzes, auch nicht dem § 34 Abs. 4 leg. cit., ist zu entnehmen, daß die Gemeinde berufen wäre, die Interessen der Gemeindeangehörigen im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren wahrzunehmen. Die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf § 8 AVG 1950 geht schon deswegen fehl, weil die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren Parteistellung besitzt, nicht an Hand des AVG allein gelöst werden kann, die Parteistellung vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden muß. Dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 4 Abs. 3 des Hochleistungsstreckengesetzes, BGBl. Nr. 135/1989, ist zu entgegnen, daß diese Bestimmung im Beschwerdefall nicht angewendet wurde und zudem - wie dem letzten Satz dieser Bestimmung zu entnehmen ist - hiedurch subjektive Rechte nicht begründet werden, weshalb selbst bei ihrer analogen Anwendung entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen wäre. Die bei der Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung anzuwendenden eisenbahnrechtlichen Vorschriften des Bundes sehen ferner die Anwendung landesgesetzlicher Vorschriften nicht vor, sodaß auch der Einwand, daß "nahezu sämtliche Bauordnungen und Baugesetze Lärmschutzmaßnahmen für die Nachbarn und zwar auch dann, wenn die Errichtung des Baues im öffentlichen Interesse steht", im gegebenen Zusammenhang der Grundlage entbehrt.

Zu Unrecht beruft sich die Beschwerdeführerin auf § 19 Abs. 2 EG. Wohl hat die Behörde dann, wenn durch die Verwirklichung des zur Genehmigung eingereichten Projektes Personen in ihrem Leben oder in ihrer Gesundheit Schaden erleiden können, einem solchen Schaden durch Vorschreibung entsprechender Auflagen zu begegnen. Dies hat jedoch - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. März 1991, Zl. 90/03/0038, ausgesprochen hat - von Amts wegen zu geschehen, ohne daß den betroffenen Personen darauf ein Rechtsanspruch zustünde. Ebensowenig kommt der durch die geplante Eisenbahn berührten Gemeinde nach dieser Gesetzesstelle eine Parteistellung zu.

Da der Beschwerdeführerin als Gemeinde die Rechte, in denen sie nach ihrer Behauptung verletzt wurde, nicht zustehen, kann sie durch den angefochtenen Bescheid auch in keinem Recht verletzt sein. Da ferner das bloße Recht zur Stellungnahme, wie es im § 34 Abs. 3 EG eingeräumt ist, keine Beschwerdeberechtigung in der Sache selbst zu begründen vermag (vgl. auch dazu den schon zitierten Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Februar 1980, Slg. Nr. 10.031/A), war die Beschwerde, soweit sie von der Beschwerdeführerin als Gemeinde und nicht als Eigentümerin betroffener Liegenschaften erhoben wurde, insoweit als unzulässig zurückzuweisen.

Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin grundbücherliche Eigentümerin von betroffenen Liegenschaften ist. Die Beschwerdeführerin war daher gemäß § 34 Abs. 4 EG Partei des Genehmigungsverfahrens. Insoweit bestehen auch gegen ihre Beschwerdelegitimation keine Bedenken.

In der von der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung am 14. März 1990 abgegebenen Stellungnahme wurde keine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte geltend gemacht. Insbesondere die darin geforderten Lärmschutzmaßnahmen haben - wie dies die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend zum Ausdruck bringt - keine Verletzung der den Parteien nach dem Eisenbahngesetz gewährleisteten subjektiven öffentlichen Rechte zum Inhalt (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1991, Zl. 90/03/0038). Sie sind ihrem Inhalte nach vielmehr als zivilrechtliche Ansprüche zu qualifizieren, die gemäß § 35 Abs. 2 EG auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sind. Dadurch, daß dies spruchgemäß unterblieb, wurde die Beschwerdeführerin jedoch in keinem Recht verletzt, weil es ihr dessenungeachtet freisteht, zivilrechtliche Ansprüche im Rechtsweg geltend zu machen (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1986, Zl. 85/03/0154, sowie die weitere darin angeführte Vorjudikatur).

Soweit sohin die Beschwerde von der Beschwerdeführerin als Eigentümerin betroffener Liegenschaften erhoben wurde, erweist sie sich als unbegründet. Insoweit war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

 

W i e n , am 24. April 1991

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte