VwGH 89/09/0033

VwGH89/09/003325.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. November 1988, Zl. Ob 116-143.950-000, betreffend Kostenersatz für Rezeptgebühren nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52 impl;
KOVG 1957 §23 Abs1 idF 1961/319 ;
KOVG 1957 §23 Abs2;
KOVG 1957 §23 Abs3 idF 1961/319 ;
KOVG 1957 §24 Abs1 Z1 idF 1980/225 ;
KOVG 1957 §9 Abs2;
KOVG 1957 §90 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
AVG §52 impl;
KOVG 1957 §23 Abs1 idF 1961/319 ;
KOVG 1957 §23 Abs2;
KOVG 1957 §23 Abs3 idF 1961/319 ;
KOVG 1957 §24 Abs1 Z1 idF 1980/225 ;
KOVG 1957 §9 Abs2;
KOVG 1957 §90 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1925 geborene Beschwerdeführer bezieht eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 90 v.H.

Mit Schreiben vom 5. Mai 1987 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die ihm in der Zeit vom 21. Februar 1987 bis 4. Mai 1987 entstandenen Kosten für Rezeptgebühren in der Höhe von insgesamt S 3.335,-- zu ersetzen, wobei diesem Antrag als Nachweis für die in der Zeit vom 14. März 1987 bis 4. Mai 1987 bezahlten Rezeptgebühren in der Höhe von S 2.300,-- (100 OP) Kopien der Rezepte angeschlossen waren.

Das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) holte daraufhin zu diesem Antrag ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. S vom 14. Mai 1987 ein, die zu den bezogenen Medikamenten bzw. kleineren Heilbehelfen wie folgt Stellung nahm:

  1. "1.) ASCORBINSÄURE: (Acidum ascorbinici = Vit C): hier liegt die Tagesdosis bei 1 gr täglich. Alles darüber wird wirkungslos durch den Harn ausgeschieden. Der Bezug vom 16. März (ABl. 25) bis 4. Mai (ABl. 40) betrug insgesamt 400 gr. (ABl 25, 29, 30 und 40), wäre also eine Dosierung, die für mehr als ein Jahr reicht, abgesehen davon, daß hiedurch insofern ein Schaden angerichtet wird, als durch die chronische Vitamin C-Überdosierung eine künstliche Fehlbedarfsregulierung erzeugt wird.

    An Vitamin-C ist daher für diesen Zeitraum maximal 1 Pkg. mit 100 gr. medizinisch berechtigt und als Rezeptgebühr zu ersetzen.

  1. 2.) ELPIMED-AMPULLEN: Die für dieses Medikament in der Literatur angegebenen Dosierung beträgt 3 x 1 Ampulle subkutan je Woche. Der tatsächliche Bedarf für den in Rede stehenden Zeitraum von etwa 2 Monaten wäre somit 24 Ampullen gewesen, d.s. insgesamt

    5 Originalpackungen zu je 5 Ampullen. Mehr ist daher auch nicht an Rezeptgebühr zu ersetzen. Falls höhere Dosierungen gegeben wurden, sind sie nicht durch Literaturangaben und wissenschaftliche Empfehlungen gedeckt.

  1. 3.) SPRITZEN UND NADELN: sind daher ebenfalls nur in einem Umfang von insgesamt je 25, d.s. insgesamt I OP für die Elpimed-Injektionen hinsichtlich der Rezeptgebühren (d.i. je eineÜ) zu ersetzen.
  2. 4.) Zum PRÄPARAT ANTHOZYM-PETRASCH-SAFT: diese Originalpackung reicht für etwa 10 Tage. Insgesamt wurden jedoch 9 OP verschrieben, sodaß damit praktisch 3 Monate abgedeckt werden. Die Liste reicht aber nur über zwei Monate, sodaß die letzten drei OP einen Übergenuß darstellen."

    Die Sachverständige Dr. S kam schließlich zu dem Ergebnis, daß aus medizinischer Sicht der Kostenersatz nur für 53 OP an Rezeptgebühren zu leisten wäre, d.s. insgesamt S 1.219,--. Diesem Gutachten stimmte der Chefarzt des LIA zu.

    Der Beschwerdeführer, der vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im Rahmen des Parteiengehörs Kenntnis erhielt, brachte in seiner Stellungnahme vom 16. Juni 1987 hiezu im wesentlichen vor, weder die Sachverständige Dr. S noch der Chefarzt des LIA hätten Kenntnis von der "Herdlehre". Die Feststellungen des ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 14. Mai 1987 beschränkten sich daher, wie auch zugegeben werde, auf "Literatur" bzw. auf einfache Medikamenten-Beipackzettel. Mit der bei ihm angewendeten Therapie habe der ihn behandelnde Arzt Dr. P erreicht, daß seine Gesundheitsstörung wesentlich gebessert und eine Verschlimmerung verhütet worden sei; das Ziel der Heilfürsorge (§ 23 Abs. 2 KOVG 1957) sei damit erreicht worden. Der Beschwerdeführer wies auch noch darauf hin, daß eine OP Anthozym-Petrasch-Saft mit 500 ml in fünf Tagen und nicht in zehn Tagen verbraucht werde, wie dies offensichtlich in dem ärztlichen Sachverständigengutachten fälschlich behauptet werde.

    In seiner hiezu abgegebenen Stellungnahme vom 26. Juni 1987 kam der Chefarzt des LIA zu dem Ergebnis, daß die Rezeptgebühr für den Anthozym-Petrasch-Saft wegen eines Berechnungsfehlers zu verdoppeln sei; sonst ergäbe sich im Gutachten vom 14. Mai 1987 keine Änderung.

    Mit Bescheid des LIA vom 16. Juli 1987 wurde ausgesprochen:

    "Auf Ihren Antrag vom 6. Mai 1987 werden Ihnen gemäß § 23 Abs. 1 und 3 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152/1957, in der derzeit geltenden Fassung, die Ihnen in der Zeit vom 21. Februar 1987 bis 4. Mai 1987 entstandenen Kosten für Rezeptgebühren in Höhe von insgesamt S 2.323,-- ersetzt.

    Ein darüber hinausgehender Ersatz der Kosten für Rezeptgebühren für die Medikamente bzw. kleineren Heilbehelfe 'Ascorbinsäure, Elpimed-Ampullen, Spritzen und Nadeln' wird gemäß § 23 Abs. 2 KOVG 1957 abgewiesen."

    Zur Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe des § 23 Abs. 2 KOVG 1957 unter Bezugnahme auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten im wesentlichen ausgeführt, daß ein Teil der Medikamente bzw. kleineren Heilbehelfe, für deren Rezeptgebühren ein Kostenersatz beantragt worden sei, für die Erreichung des Heilerfolges nicht notwendig gewesen sei. Den vom Beschwerdeführer geäußerten Einwendungen sei dahin Rechnung getragen worden, daß mit ärztlicher Stellungnahme vom 26. Juni 1987 festgestellt worden sei, daß sämtliche Rezeptgebühren für den "Anthozym-Petrasch-Saft" zu ersetzen seien. Sonst seien die Einwendungen des Beschwerdeführers nicht geeignet gewesen, eine weitere Änderung im Sachverständigengutachten herbeizuführen.

    In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 29. Juli 1987 - dieser schloß sich der vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Vertreter beim Kriegsopfer- und Behindertenverband mit Schreiben vom 4. August 1987 an - brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, Tatsache sei, daß sämtliche Medikamente auf Grund ärztlicher Verordnung (vom Chefarzt der Wiener Gebietskrankenkasse genehmigt) bezogen worden seien und er Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung habe.

    Die belangte Behörde ergänzte daraufhin das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für interne Medizin Dr. K, der jedoch zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis kam.

    In seiner Stellungnahme vom 7. Juni 1988 (dieser Stellungnahme waren u.a. eine persönliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 16. Mai 1988, eine Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. P sowie Befund-Berichte angeschlossen) zu diesem Gutachten brachte der bevollmächtigte Vertreter vor, das Sachverständigengutachten Dris. K könne in keiner Weise zur Kenntnis genommen werden. In den beiliegenden Stellungnahmen Dris. P und des Beschwerdeführers werde eindeutig ausgeführt, daß nur die wirklich notwendige Therapie verordnet werde, die verordneten Medikamente eine wesentliche Besserung des Leidenszustandes erzielt hätten und es nur mehr eine Frage der Zeit sei, bis eine volle gesundheitliche Wiederherstellung auf Grund dieser Medikamente erfolge. Der behandelnde Arzt Dr. P habe Medikamente verschrieben, um die Gesundheit wiederherzustellen und den Eintritt einer Verschlimmerung zu verhüten. Diese Rezepte seien auf Grund der laufend von ihm eingeholten Laborbefunde von Dozent DDr. B und Prof. Dr. T von den einzelnen Chefärzten der Wiener Gebietskrankenkasse jeweils geprüft worden; die Verordnungen - auch die Mengen - seien jedes Mal für richtig befunden und genehmigt worden. Die Aussagen Dris. K stünden daher eindeutig im Widerspruch zu den vorgelegten Beweismitteln. In beiliegender Kopie des wissenschaftlichen Berichtes (Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren) gehe die Notwendigkeit der Therapie hervor.

    In seiner hiezu abgegebenen Stellungnahme vom 22. Juni 1988 stellte der Chefarzt des LIA fest, daß es im gegenständlichen Falle nur zwei Lösungen gebe, nämlich 1. entweder man entschließe sich, alle vorgelegten Medikamentenrechnungen zu akzeptieren, wie dies in der Genehmigung seitens der Chefärzte der Gebietskrankenkasse bereits praktiziert werde, oder 2. man entschließe sich zu einem pharmakologischen Gutachten, das zu allen aufgeworfenen Fragen Stellung zu beziehen hätte. Er selbst sehe sich außerstande, zu den von ihm bereits gemachten Äußerungen noch etwas beizutragen. Er bitte daher um Vorlage an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

    Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dem nunmehr der Akt mit der Bitte um Eröffnung der Rechtsansicht vorgelegt wurde, teilte mit seinem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 14. September 1988 mit, daß den Ausführungen in den in erster und zweiter Instanz eingeholten Gutachten hinsichtlich der Prüfung der gemäß § 23 KOVG 1957 zu ersetzenden Rezeptgebühren beigepflichtet werde. Nach (zusammenfassender) Wiedergabe der hiezu vom ärztlichen Fachberater des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, OMR. Dr.med. E abgegebenen gutachterlichen Stellungnahme vom 11. August 1988 wurde in diesem Schreiben noch festgestellt, daß nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ein Ersatz von Rezeptgebühren für den Bezug von Medikamenten in einem Ausmaß, das wesentlich über die Normierung im "Austria Codex" hinausgehe, im Sinne der Bestimmungen des § 23 Abs. 2 KOVG im Hinblick auf die allfällig zu erwartenden Nebenwirkungen nicht vorgesehen sei.

    Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. November 1988 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid.

    In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde von dem von ihr zur Prüfung der medizinischen Vorfrage eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. K aus, der folgendes ausführe:

    "Die 'Ascorbin-Säure' ist ein Synonym für das Vitamin C. Die übliche Dosis von 1 g täglich wurde bereits im erstinstanzlichen Verfahren richtig angegeben. Höhere Dosen sind für den zu erwartenden Therapieerfolg unwirksam und können sogar auch schädlich wirken, z.B. Durchfälle und gesteigerte Diurese verursachen.

    Zu 'Elpimed-Ampullen': Das Medikament besteht aus spezifisch behandeltem Blut und soll eine bessere Sauerstoffausnützung im Gewebe bewirken. Die ärztlich vertretbare Dosis beträgt 3 Injektionen pro Woche. Von einer höheren Dosierung ist kein besserer Heileffekt zu erwarten, es ist im Gegenteil eine Abschwächung der Wirkung, ev. aber auch eine nicht ungefährliche Reizüberflutung zu erwarten. Für die in Frage stehende Zeit sind also nur 3 Injektionen pro 7 Tage ärztlich indiziert. Dementsprechend auch Injektionsnadeln und -spritzen, Alkohol-Tupfer.

    Für den 'Anthozym-Petrasch-Saft' beträgt die wirksame Tagesdosis 3 Meßbecher. 1 Meßbecher umfaßt 33,0 g, sodaß mit einer Flasche zu 500 g knapp 5 Tage ausgekommen werden kann."

    Dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers sei das Ergebnis des Beweisverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden. Auf Grund der vorgebrachten Einwendungen und der beigebrachten medizinischen Beweismittel habe die belangte Behörde eine Stellungnahme vom Chefarzt des LIA eingeholt. Dieser verweise darauf, daß er bereits im erstinstanzlichen Verfahren hinreichend Stellung genommen habe und den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K vollinhaltlich zustimme.

    Die belangte Behörde habe darüber hinaus vom ärztlichen Fachberater des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, OMR. Dr.med. E eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt, aus der folgendes hervorgehe:

    "In den medizinischen Gutachten wird zu den bezogenen Medikamenten ein ärztlich kurativ vertretbares Behandlungschema vertreten, welches der Normierung, wie sie im 'Austria-Codex' angegeben ist, entspricht. Die übereinstimmenden Sachverständigengutachten der ersten und zweiten Instanz gehen somit von einer für den konkreten Fall notwendigen, aber nicht schädigenden medikamentösen und zumutbaren Therapieform aus. Zu Punkt 3 im Gutachten Dris. K wäre noch anzumerken, daß dieses Medikament nicht kassenfrei verschreibbar ist. Die ärztlichen Entscheidungen in den Gutachten über die maximal zulässige medikamentöse Therapieform entsprechen somit den heutigen allgemein anerkannten Normen. Ein pharmakologisches Gutachten wird keine weitere Klärung bringen können, da die Normtherapie, die eben keine zusätzlichen Schädigungen bedingen darf, bereits in diesem Gutachten festgehalten wurde. Das ärztliche Attest vom Chefarzt i.P. Dr. P entwertet sich selbst, da für eine bessere 'Sauerstoff-Utilisation und Immunstimulierung' deren Effektierung keineswegs nachgewiesen wurde, echte organische Schädigung am Magen-, Darm-Trakt (z.B. Ulcerationen, Diarrhoen und Blutgerinnungsstörungen) in Kauf genommen werden. Die theoretisierenden Feststellungen erlauben es keinesfalls einem kurativ tätigen Arzt, eine schädigende 'Übermedikation' zu betreiben. Die Labor-Hilfsbefunde aus den Jahren 1985 bis 1987 sind kein Maßstab für eine heutige Übertherapie einer existenten Abwehrschwäche. Aus dem ärztlichen Attest Dris. P ist zu ersehen, daß ein echtes Ausmaß einer Übermedikation besteht, die kurativ nicht mehr vertretbar ist. Die im Attest subjektiv gefärbten Erklärungen können die verordnete Dosierung nicht als notwendige Therapieform hinstellen, da jegliche objektiv befundmäßige Unterlagen fehlen. Der Hinweis auf eine mengenmäßige Normal-Medikation bedeutet keinen Eingriff in die kurative Tätigkeit des behandelnden Arztes."

    Das Gutachten Dris. K sei zusammen mit den gutachterlichen Stellungnahmen Dris. H und des medizinischen Fachberaters beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales Hofrat Dr. E als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Die Aussagen des Letztgenannten bekräftigten die bisherigen medizinischen Darlegungen, sodaß von einer Erweiterung des Beweisverfahrens keine neuen Aspekte zu erwarten seien und das Berufungsverfahren in Befolgung der Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2 AVG) zum Abschluß gebracht werden könne.

    Nach Wiedergabe des § 23 Abs. 2 KOVG 1957 wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter ausgeführt, nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, daß ein Teil der Medikamente bzw. kleinen Heilbehelfe in der Zeit vom 21. Februar 1987 bis 4. Mai 1987 für die Erreichung des gewünschten Heilerfolges nicht notwendig gewesen sei. Insbesondere werde darauf verwiesen, daß die übereinstimmenden Sachverständigengutachten der ersten und zweiten Instanz von einer für den konkreten Fall notwendigen medikamentösen und zumutbaren Therapieform ausgehen. Die maximal zulässige medikamentöse Therapieform - wie bereits vom LIA ausgeführt - entspreche den heutigen, allgemein anerkannten Normen.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde (dieser sind zahlreiche Beilagen angeschlossen) an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Seinem Vorbringen nach erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Ersatz der gesamten von ihm geltend gemachten Kosten für Rezeptgebühren als verletzt.

    Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

    Gemäß § 23 Abs. 1 KOVG 1957 in der Fassung BGBl. Nr. 319/1961 hat der Beschädigte Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge bei jeder als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsstörung und deren Folgen.

    Das ZIEL DER HEILFÜRSORGE ist im § 23 Abs. 2 KOVG 1957 umschrieben. Danach ist Ziel der Heilfürsorge, die Gesundheit und Erwerbsfähigkeit des Beschädigten möglichst wiederherzustellen, den Eintritt einer Verschlimmerung zu verhüten und die durch die Gesundheitsstörung bedingten Beschwerden zu lindern.

    Erwerbsunfähige (§ 9 Abs. 2) haben nach § 23 Abs. 3 erster Satz KOVG 1957 in der Fassung BGBl. Nr. 319/1961, Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung.

    Die Heilfürsorge umfaßt gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 KOVG 1957 in der Fassung BGBl. Nr. 225/1980 als Heilbehandlung unter anderem ärztliche Hilfe und die Beistellung von Heilmitteln und Heilbehelfen.

    Aus den wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich zunächst, daß der Beschwerdeführer als erwerbsunfähiger Kriegsbeschädigter (MdE 90 v.H.) Anspruch auf unentgeltliche Heilfürsorge, somit u.a. Anspruch auf unentgeltliche Beistellung von Heilmitteln bei jeder Gesundheitsstörung hat, vorausgesetzt, daß das im § 23 Abs. 2 KOVG 1957 umschriebene Ziel der Heilfürsorge dadurch erreicht wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1986, Zl. 84/09/0093, 0094).

    Wenn der Beschwerdeführer zunächst darauf hinweist, daß keiner der im Verwaltungsverfahren beigezogenen Sachverständigen (Dr. S, der Chefarzt, Dr. K und Dr. E) sich jemals praktisch noch wissenschaftlich mit dem von der Schulmedizin sehr vernachlässigten Teilgebiet der Herdlehre (Fokologie) bzw. der Schwermetallbelastung des menschlichen Körpers und deren Therapie beschäftigt oder jemals darüber publiziert habe, so ist ihm zu erwidern, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Behörden der Kriegsopferversorgung gemäß § 90 Abs. 1 KOVG 1957 zur Beurteilung medizinischer Vorfragen zwar einschlägig geschulte ärztliche Sachverständige zu befragen haben; eine Verpflichtung, die Sachverständigen aus bestimmten Fachgebieten auszuwählen, ergibt sich aber aus der genannten Regelung nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1988, Zl. 87/09/0055). Allerdings ist es der Versorgungsbehörde keineswegs verwehrt und mitunter sogar unumgänglich notwendig, im Interesse einer eingehenden und vollständigen Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes die zur Klärung der offenen Frage besonders geeignet erscheinenden und auf Grund ihrer Ausbildung und Tätigkeit dazu berufenen ärztlichen Sachverständigen heranzuziehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1985, Zl. 84/09/0122, und die dort zitierte Rechtsprechung).

    Was den Einwand des Beschwerdeführers anlangt, die im Verwaltungsverfahren beigezogenen Ärzte hätten ohne ihn persönlich überhaupt ein einziges Mal untersucht zu haben, lediglich Aktengutachten erstattet, so hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt die Auffassung vertreten, daß die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens auf Grund der Aktenlage an sich noch keinen Verfahrensmangel bildet (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1983, Zl. 83/09/0014).

    Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 iVm § 67 AVG sind in der Begründung eines Berufungsbescheides u.a. auch die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Ein Bescheid, der diesen Erfordernissen nicht entspricht, bedarf hinsichtlich des Sachverhaltes der Ergänzung und ist daher, sofern durch diesen Mangel die Parteien in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt sind, mit einem wesentlichen Mangel im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG behaftet.

    Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG, wonach die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen hat, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (sogenannter Grundsatz der freien Beweiswürdigung), bedeutet nicht, daß dieser in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die in Rede stehende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes hat nur zur Folge, daß, sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Diese Regelung schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend ermittelt ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie u. a. den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. März 1989, Zl. 86/09/0213, und dort zitierte Rechtsprechung).

    Auf dem Boden dieser Rechtsprechung hält die Begründung des angefochtenen Bescheides einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht stand.

    Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall die Frage, ob die - wovon offenkundig auch die belangte Behörde ausgeht - vom behandelnden Arzt des Beschwerdeführers, Dr. P, verschriebenen und vom zuständigen Sozialversicherungsträger bezahlten Medikamente bzw. kleineren Heilbehelfe geeignet oder nicht geeignet gewesen sind, das in § 23 Abs. 2 KOVG 1957 umschriebene Ziel der Heilfürsorge zu erreichen bzw. ob dieses Ziel TATSÄCHLICH erreicht worden ist oder nicht.

    Der Beschwerdeführer hat, wie auch in der Beschwerde, im Verwaltungsverfahren dazu stets - auch unter Vorlage von Beweismitteln (u.a. Untersuchungsbefunde und Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. P) - vorgebracht, mit der bei ihm angewendeten Therapie sei erreicht worden, daß seine Gesundheitsstörung wesentlich gebessert und eine Verschlimmerung verhütet worden sei; das Ziel der Heilfürsorge sei damit erreicht worden.

    Die belangte Behörde hat sich mit dieser Frage nicht ausreichend auseinandergesetzt, sondern hat sich mit allgemeinen Ausführungen zu den bezogenen Medikamenten bzw. kleineren Heilbehelfen begnügt, ohne näher auf den konkreten Einzelfall - etwa durch Einholung des Krankenblattes des Beschwerdeführers oder von Stellungnahmen der diesen behandelnden Ärzte - Bezug zu nehmen. So ist etwa auch ungeklärt geblieben, ob die von den medizinischen Sachverständigen angeführten "allfällige zu erwartende Nebenwirkungen" beim Beschwerdeführer tatsächlich aufgetreten sind, oder ob dieses Risiko nicht dadurch, daß der Beschwerdeführer unter ständiger Beobachtung der ihn behandelnden Ärzte gestanden ist, ausgeschaltet werden konnte.

    Da der Sachverhalt somit in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedarf und die belangte Behörde durch die unzulängliche Begründung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    Keine Berechtigung kommt allerdings der Beschwerde insoweit zu, als der Beschwerdeführer rügt, daß ihm das Gutachten Dris. E im Rahmen seines Parteiengehörs nicht zur Stellungnahme übermittelt worden sei, weil er es - wie dies im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefordert wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0156) - unterlassen hat, darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre; daneben räumt der Beschwerdeführer selbst ein, daß dieses Gutachten seiner Meinung nach außer einer vollkommen unqualifizierten Diffamierung seines behandelnden Arztes keinerlei neuen Erkenntnisse enthalte.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

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